Restaurierung der historischen anatomischen Sammlungen Senckenberg verfügt über mehrere Sammlungen zur vergleichenden Anatomie, Embryologie (Entwicklungsgeschichte) und Histologie. In diesen sind sehr seltene und zum Teil bereits aus dem 19. Jahrhundert stammende Präparate enthalten. Die Bewahrung und Bearbeitung dieser historischen Sammlungen stellt eine wichtige Position im Erhalt und der Weiterentwicklung entscheidender Gebiete der Grundlagenforschung in der Biologie und Paläontologie dar. Vergleichende Anatomie und Histologie sind in vielerlei Hinsicht eine Basis für taxonomische, systematische, phylogenetische, organismische und evolutionsbiologische Fragestellungen. Die weit über 10.000 Objekte umfassende anatomische Sammlung und die beinahe noch einmal so große histologische Sammlung sind beeindruckend, die imposante Erscheinung besonders der Groß-Präparate lässt sie immer wieder zum absoluten Höhepunkt der Führungen durch das senckenbergische Sammlungsdepot werden. Leider befindet sich die anatomische Sammlung zur Zeit in einem bedenklichen Zustand und bei vielen Präparaten ist eine ausreichende Konservierung nicht mehr sichergestellt. Um den kulturellen und wissenschaftlichen Wert dieser Sammlungen zu erhalten und sie für die wissenschaftliche Bearbeitung wieder nutzbar zu machen, müssen umgehend Maßnahmen zur Rettung der Sammlung ergriffen werden. Diese Maßnahmen werden in den nächsten Jahren gefördert im KUR-Programm zur Konservierung und Restaurierung von mobilem Kulturgut durch die Weitergehende Hintergrund-Informationen zu den zu restaurierenden Sammlungen An vielen Instituten und Forschungsmuseen werden anatomische Sammlungen kaum gepflegt und neue Präparate werden heute nicht mehr hergestellt. Mehr noch: bei personellen Umstrukturierungen werden anatomische Sammlungen als Belastung angesehen und häufig über eine Entsorgung nachgedacht; teilweise sind wertvolle anatomische und histologische Präparate wohl auch schon weggeworfen worden. In diesem Zusammenhang ist es glücklicherweise gelungen, zwei sehr bedeutende anatomische und histologische Sammlungen, nämlich die von Georgi Pilleri aus Bern und die von Dietrich Starck aus der Dr. Senckenbergischen Anatomie des Universitätsklinikums Frankfurt am Main, in den Bestand der Senckenbergischen vergleichenden Anatomie zu übernehmen und damit zumindest vorläufig zu retten. Nunmehr umfaßt die vergleichend anatomische Sammlung (inklusive der embryologischen Sammlung) ca. 10.000 bis 12.000 Präparate. Hinzu kommen noch mehrere tausend histologische Präparate von Georgi Pilleri, Fritz Römer, Herrmann von Meyer und Wolfgang F. Gutmann. Bedeutung dieser historischen Sammlungen Die histologische und anatomische Bearbeitung von Organismen, Organsystemen und Geweben ist eine Grundlage für Forschungsvorhaben in verschiedenen biologischen Disziplinen, insbesondere der organismischen Biologie und in der Evolutionsforschung. Histologische Präparate haben in der Biologie einen ähnlichen Stellenwert wie Dünnschliff-Präparate in der Geologie und Paläontologie, denn sie liefern den Einblick in die Feinstrukturen, den mechanischen Zusammenhalt und mikroskopischen Aufbau der Organismen, können aber auch nur im organismischen (anatomischen) Kontext sinnvoll interpretiert werden, ebenso wie Dünnschliffpräparate sich nur im Kontext des geologischen Rahmens sinnvoll interpretieren lassen. Histologische Präparate sind in vielen Fällen auch für systematische Arbeiten von grundlegender Bedeutung, da spezifische Färbungen es gestatten, Gewebetypen und Bauweisen zu differenzieren. Anatomische Präparate bilden eine wesentliche Ergänzung für das Verständnis von Körperbau und Funktionsweise von Organen und Geweben. Die Kenntnis von Anatomie und Histologie bildet eine Basis für Systematik und Taxonomie, die, wenn sie gleichermaßen für rezente und fossile Tiere gültig sein sollen, auf die anatomisch präparative Erschließung des rezenten und aktualistische Interpretation des fossilen Materials angewiesen ist. Fossile Knochenstrukturen lassen sich z.B. nur mit aktualistischen Bezügen korrekt interpretieren. Dennoch wird jede Fossilrekonstruktion nicht nur vom anatomischen Grundwissen sondern auch vom vorherrschenden Weltbild in der Wissenschaft geprägt. Da sich Weltbilder im Laufe der Zeit ändern, werden auch anatomische Beobachtungen heute anders gedeutet als vor hundert Jahren. Folglich sehen Rekonstruktionen fossiler Organismen heute ganz anders aus. Wenn sich jedoch die Anatomie nicht weiterentwickeln kann, sodass in Zukunft das anatomische Wissen und die Weltbilder des letzten und vorletzten Jahrhunderts als Grundlage für Fossilrekonstruktionen dient, dann ist auch um die Weiterentwicklung der Paläontologie zu fürchten. Ähnliche Bedenken sind für die moderne Molekularbiologie zu äußern, denn auch hier ist ein an herrschende Weltbilder angepaßtes anatomisches Basiswissen notwendig, um molekulare Untersuchungen in adäquater Weise durchzuführen (beispielsweise, um Genexprimierungen in bestimmten Organsystemen oder Körperabschnitten korrekt zu interpretieren); die Wissenschaftler benötigen korrekte und mechanisch kohärente anatomische Darstellungen der von ihnen untersuchten Tiere. Projektträger Kooperationspartner Publikationen zum Projekt und zur Ausstellung Link zur SeSam-Datenbank (digitalisierte Objekte) Kontakt
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