Paläobotanik

Forschung


Bei den Forschungsvorhaben der Sektion Paläobotanik geht es darum, die Untersuchungen und Ergebnisse in einen übergeordneten Rahmen aus sedimentologisch-faziellen und systematisch-botanischen Ansätzen zu stellen („Terrestrische Paläoökologie“).

Aus der Tatsache, dass die Paläobotanik grundsätzlich im Spannungsfeld zwischen Geo- und Biowissenschaften steht, ergibt sich so in den meisten Fällen von vornherein eine interdisziplinäre Ausrichtung. In vielen Fällen handelt es sich um die konsequente Fortführung und Weiterentwicklung traditioneller Forschungsschwerpunkte der senckenbergischen Paläobotanik in Frankfurt am Main. Sie lassen sich verschiedenen Arbeitsschwerpunkten zuordnen.

1. Paläogen

In Frankfurt am Main wird insbesondere die Erforschung von Pflanzenresten des Paläogen und ihres sedimentologischen Umfeldes betrieben. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf Vorkommen eozäner Sedimente in terrestrischer oder randlich mariner Fazies in Deutschland, wie z.B. der Grube Messel, dem Eckfelder Maar und den braunkohlenführenden  Ablagerungen des Gebietes von Helmstedt sowie dem Geiseltal-Gebiet. In diesem Rahmen wurde und wird durch die Sektion, ggf. in Kooperation mit externen und internen Partnern, laufend die Bearbeitung und Interpretation einzelner Taxa von Pollen bzw. Sporen, Blüten, Samen bzw. Früchten, Blättern und gelegentlich auch Hölzern aus den Floren von Messel und Eckfeld vorangetrieben. Meilensteine dieser Arbeiten stellen die Monographien zu Pollen und Sporen aus Messel (Tiele-Pfeiffer 1987) und Eckfeld (Nickel 1996) sowie zu den Blättern (Volker Wilde 1989) und den Fruktifikationen von Messel (Collinson, Manchester & Wilde) dar.

Im Zusammenhang mit der Fundstelle von Eckfeld wird seit vielen Jahren eine sehr enge Zusammenarbeit mit der Universität Mainz und dem Naturhistorisches Museum Mainz, Landessammlung für Naturkunde Rheinland-Pfalz gepflegt. Als Schwerpunkte der systematischen Bearbeitung sind hier u.a. die Juglandaceae, die Koniferen und die Farne sowie einige Taxa unbekannter systematischer Zugehörigkeit zu nennen. Der in Messel und Eckfeld in einer Reihe von Blüten an Ort und Stelle erhaltene Pollen ermöglicht es, besonders mit Hilfe des Rasterelektronenmikroskops, bisher nur dispers bekannte Pollentypen besser als bisher systematisch zuzuordnen.

Systematische palynologische Untersuchungen haben es für Messel und Eckfeld erlaubt, Charakter und Entwicklung von Vegetation und Klima um die betreffenden Maarseen zu rekonstruieren (Thiele-Pfeiffer 1987 bzw. Nickel 1996). Um die die Entwicklung des eozänen Maarsees von Messel und der Flora in seiner Umgebung über eine längere Zeit nachzuvollziehen führte Olaf Klaus Lenz mit Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft hochauflösende palynologische Untersuchungen am Kern der Forschungsbohrung „Messel 2001“ durch, die in einer Reihe von Publikationen mündeten. Bei der inzwischen abgeschlossenen Auswertung der Daten kamen moderne statistische Methoden zum Einsatz. So gelang es, die sukzessive Wiederbesiedelung des durch den Maarausbruch vor knapp 48 Millionen Jahren verwüsteten Gebietes durch die Pflanzenwelt zu rekonstruieren. Die Analyse quantitativer Schwankungen in der Zusammensetzung des Spektrums an Sporen, Pollen und Algenresten im Ölschiefer hat es erlaubt nachzuweisen, dass diese, ähnlich wie in der gegenwärtigen Eiszeitperiode, auch im eozänen Treibhausklima den längerfristigen Schwankungen orbitaler Parameter (Milankovitch-Zyklen) gefolgt sind. Daran anschließend ist es auch gelungen, über die Pollenspektren eine Reihe von Submilankovitch-Zyklen nachzuweisen. Mit Hilfe der Warvenanalyse ist es darüber hinaus für das Eozän erstmalig gelungen, kurzfristige El-Niño-Zyklen eindeutig direkt nachzuweisen. Abschließend wurden die palynologischen Daten einer statistischen Biodiversitätsanalyse unterzogen, wobei sich eine klare Abhängigkeit von der Klimazyklik gezeigt hat. Diese bahnbrechenden Untersuchungen haben erstmalig klar bewiesen, dass das Klima während der paläogenen Treibhausphase den gleichen steuernden Mechanismen unterworfen war, wie während der Eiszeitperiode des Quartär.

Im Vorfeld der 2003 begonnenen und inzwischen abgeschlossenen Flutung wurde es in den Jahren 2000 bis 2003 unerwartet möglich, in Kooperation mit dem Geiseltalmuseum in Halle an der Saale noch einmal fünf Geländekampagnen in den aufgelassenen Tagebauen des Geiseltal-Gebietes in der Nähe von Halle an der Saale durchzuführen. Dabei stand die umfassende Dokumentation und Beprobung einiger noch anstehender Profilabschnitte, die von der Unterkohle bis zur Mittelkohle reichen, sowie die horizontierte Bergung von Pflanzenfossilien im Vordergrund. Die Bearbeitung des angefallenen Probenmateriales (>1500 einzelne Proben) dauert an. Angeregt durch die Vorarbeiten einer Arbeitsgruppe um Walter Riegel in Göttingen wurde der Tagebau Schöningen-Südfeld im Helmstedter Braunkohlenrevier zum Forschungsgebiet. Hier wurden über mehr als zehn Jahre bei zahlreichen Kampagnen bis zur Stilllegung mehrere Tausend Proben aus dem dort anstehenden Paläogen entnommen. Sie belegen inzwischen ein vollständiges Profil, das über mehr als 10 Millionen Jahre vom ausgehenden Paleozän bis in das untere Mitteleozän reicht und damit die kritische Zeitscheibe mit dem eozänen Klimaoptimum und mehreren kurzfristigen, diesem aufgesetzten Klimaereignissen umfasst. Hier werden auf der einen Seite nach und nach ausgewählte Profilabschnitte palynologisch im Detail untersucht und nach paläoökologischen Gesichtspunkten ausgewertet. Dabei wird über die kombinierte lichtmikroskopische und rasterelektronenmikroskopische Untersuchung einzelner Proben bzw. Taxa eine hohe Aussagekraft erreicht. In einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Projekt nutzt Olaf-Klaus Lenz derzeit Pollen und Sporen als Proxy für die pflanzliche Biodiversität über den von dem gesamten Profil erfassten Zeitraum.

2. Mesophytikum und Grenzbereich Mesophytikum/Känophytikum

Die Paläobotanische Sektion wird, wenn auch untergeordnet, künftig weiter in diesem Zeitraum arbeiten. So wird die Bearbeitung von ausgewählten Pflanzenresten aus der oberen Trias und dem unteren Jura fortgesetzt. Ein abgeschlossenes Dissertations-Projekt (Björn Holstein, Frankfurt/M.) galt der Palynologie der Kössener Schichten (Ober-Trias) der nördlichen Kalkalpen. Auch die Arbeiten in der Unterkreide werden weiterhin „auf kleiner Flamme“ fortgesetzt. Dabei wird auf das vorhandene Material an Pflanzenfossilien (Makro- und Mikrofossilien) vor allem aus der nordwestdeutschen Unterkreide zurückgegriffen.

3. Paläozoikum

Die Abteilung für Paläontologie und Historische Geologie des Forschungsinstitutes Senckenberg, der die Paläobotanische Sektion zugeordnet ist, arbeitet seit langer Zeit vorwiegend im Paläozoikum, und hier besonders im Devon des Rheinischen Schiefergebirges. Für den Bereich der Paläobotanik sind hier die Arbeiten von Richard Kräusel und Hermann Weyland sowie für die Palynologie die Monographie von Schaardschmidt & Tiwari (1975) zu nennen. Nachdem es über längere Zeit nicht mehr zu einer Beteiligung der Paläobotanischen Sektion gekommen war, haben sich hier über fachliche Verknüpfungen innerhalb der Abteilung neue Ansätze für die interdisziplinäre Zusammenarbeit ergeben, die auch den Arbeitsbereich Aktuo-Geologie der Forschungsstation in Wilhelmshaven einschließen. Dabei wurde insbesondere die Erforschung des klastisch-dominierten Unter-Devon und des tieferen Mittel-Devon vorangetrieben. Zwei größere, über bilaterale Programme finanzierte Kooperationsprojekte, an dem der Sektionsleiter wesentlich beteiligt war, beschäftigten sich mit dem Devon der Türkei, insbesondere in den Tauriden. Hier sind die Geländearbeiten abgeschlossen und die dabei gewonnenen Daten werden nach und nach publiziert.

Bisher sind nur wenige Untersuchungen zur Palynologie des Hunsrückschiefers publiziert. Angeregt von Walter Riegel, der über ein Archiv an alten Proben verfügt, hat sich hier ein neues Projekt entwickelt. So hat sich herausgestellt, dass das Rasterelektronenmikroskop auch dann noch eine gute oder sogar hervorragende Darstellung von Palynomorphen ermöglicht, wenn diese im Lichtmikroskop -sogar bei Anwendung von infrarotem Licht- fast vollkommen undurchsichtig bleiben. Auf diese Weise ist in vielen Fällen, auch bei sehr hochgradiger Inkohlung, noch eine Bestimmung und damit die stratigraphische Auswertung möglich.

An dieser Stelle muss auch die gelegentliche Beschäftigung mit strukturbietend erhaltenen Pflanzenresten aus dem Paläozoikum erwähnt werden. Hier liegt, besonders mit den eigenen Aufsammlungen von Schöneck-Kilianstädten in der Wetterau, ein umfangreiches und hervorragend erhaltenes Material vor, dessen detaillierte Bearbeitung langfristig angelegt ist.

4. Sonstiges

Vom Sektionsleiter wurde und wird eine regelmäßige Zusammenarbeit mit der Geochemie gepflegt. So führte Angelika Otto in enger Zusammenarbeit mit dem Sektionsleiter und Wilhelm Püttmann an der Universität Frankfurt sowie Bernd R.T. Simoneit, Corvallis, Oregon, USA, organisch-chemische Untersuchungen an rezenten und fossilen Koniferen sowie anderen Pflanzenresten durch. Dabei konnten u.a. neue Daten zur systematischen Einordnung einiger fossiler Taxa unsicherer Stellung aus dem Alt-Tertiär und dem Mesozoikum gewonnen werden. Stefan Auras konnte im Rahmen seiner Dissertation „Variation von Chemofossilien und stabilen Isotopen in Kohlen und Pflanzenresten aus dem Bereich der Westfal/Stefan-Grenze im euramerischen Karbon“ die Cordaiten als biologische „Quelle“ an der Universität Frankfurt für bestimmte Arboran-/Fernanderivate wahrscheinlich machen. In letzter Zeit fanden in Kooperation mit einer Arbeitsgruppe um R. Pancost (Bristol) und M.E. Collinson (London) organisch-geochemische Untersuchungen im Grenzbereich Paleozän/Eozän von Schöningen statt, die zu einem besseren Verständnis der Klimaverhältnisse während der paläogenen Treibhausphase beigetragen haben. In jüngster Zeit wurden an dem Profil isotopengeochemische Untersuchungen aufgenommen, die in Kombination mit palynologischen Daten erheblich zum Verständnis der bekannten kurzfristigen Klimaereignisse des Paläogen beitragen können.