Xenotrichula_intermedia
Dreidimensionale, computergestützte Rekonstruktion der Körpermuskulatur des marinen Gastrotrichen Xenotrichula intermedia. Gesamtlänge etwa 150 µm.

Forschung

Morphologie und Evolution von Organsystemen


Organe und Organsysteme setzen sich aus verschiedenen Geweben und diese wiederum aus den unterschiedlichsten Zelltypen zusammen. Bei den mikroskopisch kleinen Organismen der Meiofauna bestehen manche Organe, etwa Augen oder Exkretionsorgane, aus nur wenigen, hochspezialisierten Zellen mit einer oft komplexen Ultrastruktur.

Die Organsysteme befähigen den Organismus zu seinen vielfältigen Lebensäußerungen. Sie dienen z.B. der Fortbewegung, Nahrungsaufnahme und Verdauung, der Exkretion und Osmoregulation, der Sinneswahrnehmung, oder der Reproduktion. Durch die Evolution sind sie für ihre jeweiligen Funktionen in einer bestimmten Umwelt optimiert worden. Für die Systematik stellt die Morphologie der Organismen und ihrer Organsysteme eine wertvolle Informationsquelle zur Aufklärung des Phylogenetischen Systems dar.

Durch die Identifikation von Synapomorphien, das sind neue Merkmale die zwei evolutive Linien von ihrem gemeinsamen Vorfahren geerbt haben, lassen sich Schwestergruppen-Verhältnisse ausweisen und damit sukzessive die phylogenetischen Verwandtschaftsverhältnisse aufklären. Ebenso kann die Merkmalsevolution von Organen auf der Grundlage von Stammbäumen rekonstruiert werden, die mit anderen Verfahren ermittelt wurden (z.B. durch die Analyse von DNA-Sequenzdaten). Zum einen lässt sich so die Plausibilität von Verwandtschaftshypothesen mit Daten testen, die nicht in die eigentliche Verwandtschaftsanalyse eingeflossen sind. Zum anderen kann auch der adaptive Wert von evolutiven Neuerungen abgeschätzt werden, z.B. wenn diese mit dem Wechsel in einen neuen Lebensraum korrelieren.

Für die Untersuchung der Morphologie und Ultrastruktur von Organsystemen wird ein breites Methodenspektrum eingesetzt. Das Ziel ist ein möglichst realistisches Modell der Wirklichkeit, um eine ideale Ausgangsdatenlage für die evolutiven und funktionalen Interpretationen zu schaffen. Im Fachgebiet Evolution und Biogeographie von Meiofauna arbeiten wir mit unterschiedlichen lichtoptischen (Lichtmikroskopie, konfokale Laserrastermikroskopie) sowie elektronenoptischen Techniken (Raster- und Transmissionselektronenmikroskopie). Für die Auswertung der Rohdaten stehen manuelle sowie computergestützte Zeichentechniken, 3D-Rekonstruktionsverfahren und Werkzeuge der Computerkladistik zur Verfügung.