SBiKF_NWG_Fritz_Elefanten

SBiK-F Arbeitsgruppe

Geobiodiversitätsforschung

Fundamentale Fragen

Wie ist die wundervolle Vielfalt des Lebens auf unserer Erde entstanden, und welche Faktoren formen die Muster der Vielfalt in Zeit und Raum? Die erste Frage steht im Mittelpunkt der Makroevolutionsforschung, einer Disziplin der Biologie und Paläontologie, die sich mit Artbildung, Aussterben von Arten und der Evolution von Arteigenschaften über lange Zeiträume beschäftigt (oft Millionen von Jahren). Die zweite Frage liegt im Schnittbereich der Makroevolutionsforschung mit Makroökologie und Biogeographie, die einerseits die (Paläo-)-Ökologie und andererseits die geographische Verbreitung von Arten, höheren Gruppen und ihren Eigenschaften auf großem räumlichen Maßstab untersuchen. Unsere Forschung setzt integrative Methodik für die Beantwortung beider Fragen ein und konzentriert sich auf Landwirbeltiere, insbesondere Säugetiere und Vögel.

Integrative Forschungsansätze

Um die Unterschiede in der Diversität von Arten, höheren Gruppen und ihren Eigenschaften zu verstehen, untersuchen wir eine breite Auswahl an Themen und kombinieren biogeographische, makroökologische und makroevolutionäre Muster auf großem Raum oder über lange Zeiträume für Rückschlüsse auf ihre treibenden Mechanismen. Wir stellen große Datenbanken zum Fossilbericht und zu lebenden Arten zusammen, die Daten zu Arteigenschaften, geographischen und stratigraphischen Vorkommen und phylogenetischen Verwandtschaftsbeziehungen umfassen, insbesondere aus Messdaten an Sammlungsobjekten in Naturkundemuseen, aus öffentlichen Datenquellen und aus der Synthese bestehender Literatur. Unsere Forschung führt Methoden aus verschiedenen Forschungsbereichen zusammen, u.a. Statistik und Modellierung aus Paläontologie und Biologie sowie aus Makroökologie und Makroevolutionsforschung.

Vielseitige Forschungsziele

Wir sind eine bunte Gruppe von Bio- und Geowissenschaftler*innen und arbeiten interdisziplinär, um die möglichen treibenden Umweltfaktoren von Veränderungen der Biodiversität zu identifizieren, z.B. Klimawandel, Gebirgsbildung oder zunehmenden menschlichen Einfluss während des „Anthropozäns“. Unser Ziel ist es, durch Untersuchungen der Entstehungsgeschichte heutiger Diversitätsmuster und ihrer Beziehung zu abiotischen, biotischen und anthropogenen Faktoren aus der Vergangenheit zu lernen, um genauere Vorhersagen zur Zukunft der Biodiversität in einer immer mehr von Menschen dominierten Welt zu ermöglichen.

Weitere Informationen

Für weitere Informationen zu unserer Forschung und ausgewählten wissenschaftlichen Publikationen gibt es unsere Forschungs-Webseite (auf Englisch). In den Ausklappmenüs unten sind eine Auswahl Links zu Artikeln über unsere Forschung, deutschen Pressemitteilungen, unseren extern geförderten Projekten (Drittmittel) und zur Lehre an der Goethe-Universität zu finden.

Unsere Forschung trägt zum Forschungsprogramm Senckenbergs in den Forschungsbereichen Biodiversität und Klima und Biodiversität, Systematik und Evolution bei, insbesondere zu den Tätigkeitsschwerpunkten Geobiodiversität und Klima sowie Biogeographie.

Links

Links

Eine deutsche Beschreibung eines unserer Forschungsthemen ist im Jahresbericht der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung erschienen, der öffentlich verfügbar ist: „Die Vielfalt von Säugetieren erforschen – tot und lebendig“, S. 42-47 in Senckenberg 2015-2017, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Frankfurt (Main)

Informationen zu unserer Lehre an der Goethe-Unversität Frankfurt

Ausgewählte Pressemitteilungen

Extern geförderte Projekte (Drittmittel)

2021-2026 Leibniz-Professur von Dr. Susanne Fritz als Kooperationsprofessur am Institut für Geowissenschaften, Goethe-Universität Frankfurt; Förderung an die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung im Wettbewerb der Leibniz Gemeinschaft 2018: “Geobiodiversitätsforschung: Untersuchung der Effekte von Gebirgsbildung und Klimawandel auf die Evolution und Ökologie von Säugetieren und Vögeln“

2020-2024 LOEWE Schwerpunkt (Verbundprojekt-Förderung des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst) „VeWA – Vergangene Warmzeiten als natürliche Analoge unserer ,hoch-CO2′ Klimazukunft”, Förderung an Goethe-Universität Frankfurt & Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (Dr. Susanne Fritz als eine der Haupt-Antragsstellenden)

2019-2022 DFG-Förderung (Deutsche Forschungsgemeinschaft) einer Eigenen Stelle an Dr. Shan Huang: „Auswirkungen des Klimawandels auf die Evolution von Körpergröße in Großsäugern des späten Känozoikums“

2014-2021 DFG-Förderung (Deutsche Forschungsgemeinschaft) einer Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe an Dr. Susanne Fritz: “Makroevolution klimatischer Nischen von Vögeln”

2015-2019 Humboldt-Forschungsstipendium der Alexander von Humboldt Stiftung an Dr. Shan Huang: “Biodiversity-environment association in space and time: How Cenozoic climate influenced large mammals in the Northern Hemisphere”

 

Zehn ausgewählte Forschungsergebnisse

Publikationsliste nach Autoren und Jahr sortiert; Publikationen involvieren mindestens ein aktuelles oder vorheriges Teammitglied (in der Autor*innenliste fett hervorgehoben) und können auch vor Beitritt in unsere Gruppe entstanden sein.

Wir bieten einen Überblick, wie Geologie und Klima die Biodiversität in Gebirgen beeinflussen, und zeigen die Wirkung von Klima, topographischem Relief, unterschiedlichen Bodentypen und Erosionsraten auf die Anzahl von Landwirbeltierarten in Gebirgszügen weltweit.
Antonelli, A., W. D. Kissling, S. G. A. Flantua, M. A. Bermúdez, A. Mulch, A. N. Muellner-Riehl, H. Kreft, H. P. Linder, C. Badgley, J. Fjeldså, S. A. Fritz, C. Rahbek, F. Herman, H. Hooghiemstra, C. Hoorn (2018) Geological and climatic influences on mountain biodiversity. Nature Geoscience 11: 718-725. doi: https://doi.org/10.1038/s41561-018-0236-z

Wir zeigen deutliche Unterschiede zwischen klimatischen Nischen von ziehenden und nicht ziehenden Vogelarten. Unser globaler Datensatz von ca. 500 Arten belegt, dass der Unterschied zwischen Klimanischen zur Brutzeit und während der Überwinterungsphase typischerweise größer für Zugvögel ist als für nah verwandte Standvögel.
Eyres, A., K. Böhning-Gaese, C. D. L. Orme, C. Rahbek, S. A. Fritz (2020) A tale of two seasons: the link between seasonal migration and climatic niches in passerine birds. Ecology and Evolution 10: 11983-11997. doi: https://doi.org/10.1002/ece3.6729

Unsere Studie zu 65 Arten der Vogelfamilie der Fliegenschnäpper (Muscicapidae) findet keinen Zusammenhang von Klimawandel mit der Geschwindigkeit von Veränderungen der klimatischen Nischen der Vögel über die letzten 17 Millionen Jahre: Kühlere Temperaturen hängen zwar mit schnelleren Veränderungen der Klimanischen zusammen, aber nur in Analysen mit einem von zwei verschiedenen Datensätzen zu Paläoklima-Rekonstruktionen.
Eyres, A., J. T. Eronen, O. Hagen, K. Böhning-Gaese, S. A. Fritz (2021) Climatic effects on niche evolution in a passerine bird clade depend on paleoclimate reconstruction method. Evolution 75: 1046-1060. doi: https://doi.org/10.1111/evo.14209

Wir zeigen einen signifikanten Zusammenhang der fossilen Säugetierdiversität mit der Primärproduktion von Biomasse durch Pflanzen. Dieser Zusammenhang bestand während des gesamten Neogen (vor ca. 23-1,8 Millionen Jahren), veränderte sich aber grundlegend bis heute, da viele Großsäuger während und seit der Eiszeit ausstarben und der Mensch heute einen Großteil der pflanzlichen Primärproduktion für sich beansprucht.
Fritz, S. A., J. T. Eronen, J. Schnitzler, C. Hof, C. M. Janis, A. Mulch, K. Böhning-Gaese, C. H. Graham (2016) Twenty-million-year relationship between mammalian diversity and primary productivity.
Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 113: 10908-10913. doi: https://doi.org/10.1073/pnas.1602145113

Unsere Studie zeigt, dass die gemeinsame Wirkung von zukünftigem Klima- und Landnutzungswandel auf den globalen Artenreichtum von Wirbeltieren am größten sein könnte, wenn die globale Erwärmung auf 1,5 oder 2 °C begrenzt wird (Pariser Abkommen), da dann der Anbau von Energiepflanzen für den Klimaschutz massiv zunehmen sollte.
Hof, C., A. Voskamp, M. F. Biber, K. Böhning-Gaese, E. K. Engelhardt, A. Niamir, S. G. Willis, T. Hickler (2018) Bioenergy cropland expansion may offset positive effects of climate change mitigation for global vertebrate diversity. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 115: 13294-13299. doi: https://doi.org/10.1073/pnas.1807745115

Wir identifizieren 11 zoogeographische Großregionen an Land weltweit, was den klassischen sechs Großregionen widerspricht, die durch A. R. Wallace im 19. Jahrhundert definiert und seither breit genutzt wurden. Dieser Kontrast entsteht, da unsere Analysen auf Daten nicht nur zu den geographischen Verbreitungen von Arten, sondern auch zu ihrer phylogenetischen Verwandtschaft basiert (>21.000 Arten nicht-mariner Amphibien, Vögel und Säugetiere).
Holt, B. G., J.-P. Lessard, M. K. Borregaard, S. A. Fritz, M. B. Araújo, D. Dimitrov, P.-H. Fabre, C. H. Graham, G. R. Graves, K. A. Jønsson, D. Nogués-Bravo, Z. Wang, R. J. Whittaker, J. Fjeldså, C. Rahbek (2013) An update of Wallace’s zoogeographic regions of the world. Science 339: 74-78. doi: https://doi.org/10.1126/science.1228282

Wir finden Wirkungen unterschiedlicher Dimensionen der ökologischen Nische auf die Größe der Verbreitungsgebiete auf Individuen- bzw. Art-Niveau in nicht flugfähigen Landsäugetieren: während die Reviergröße von Individuen hauptsächlich von der Nischenbreite der Nahrung und der Körpergröße beeinflusst wird, hängt die geographische Verbreitungsgröße von Arten primär mit der Nischenbreite an Habitat zusammen.
Huang, S., M. A. Tucker, A. G. Hertel, A. Eyres, J. Albrecht (2021) Scale-dependent effects of niche specialisation: The disconnect between individual and species ranges. Ecology Letters 24: 1408-1419. doi:  https://doi.org/10.1111/ele.13759

Wir stellen ein Konzept für zukünftige interdisziplinäre Untersuchungen der Effekte von Gebirgsbildung und Klimawandel auf Biodiversität über lange evolutionäre Zeitskalen vor und finden in einer Fallstudie, dass der Beginn der tektonischen Hebung des Zentralanatolischen Plateaus vor ca. 11 Millionen Jahren zeitlich mit starken regionalen Veränderungen in der Zusammensetzung an Säugetierarten zusammenfällt.
Huang, S., M. J. M. Meijers, A. Eyres, A. Mulch, S. A. Fritz (2019) Unravelling the history of biodiversity in mountain ranges through integrating geology and biogeography. Journal of Biogeography 46: 1777-1791. doi: https://doi.org/10.1111/jbi.13622

Wir belegen unterschiedliche Evolution von morphologischen Arteigenschaften in ziehenden und nicht ziehenden Vogelarten, was auf die Existenz verschiedener Selektionsregimes sogar bei relativ nah verwandten Arten hinweist; z.B. veränderte sich die Flügelform bei Zugvögeln in mehreren Abstammungslinien von fünf der acht getesteten Vogelgruppen konsistent zu spitzeren Flügeln als bei Standvögeln, wohl weil spitze Flügel einen geringen Energieverbrauch für Langstreckenflüge verursachen.
Phillips, A. G., T. Töpfer, K. Böhning-Gaese, S. A. Fritz (2018) Evidence for distinct evolutionary optima in the morphology of migratory and resident birds. Journal of Avian Biology 49: e01807. doi: https://doi.org/10.1111/jav.01807

Unser Konzept für Vorhersagen der Folgen von Klimawandel auf ökologische Interaktionen zwischen Arten innerhalb von Artgemeinschaften spricht sich für die Kombination von Quantifizierung und Projektion klimatischer Nischen einerseits und Wissen über ökologische und morphologische Eigenschaften der Arten andererseits aus, da diese Eigenschaften die Interaktionen zwischen Arten und die Ausbreitungsfähigkeit der Arten bestimmen.
Schleuning, M., E. L. Neuschulz, J. Albrecht, I. M.A. Bender, D. E. Bowler, D. M. Dehling, S. A. Fritz, C. Hof, T. Mueller, L. Nowak, M. C. Sorensen, K. Böhning-Gaese, W. D. Kissling (2020) Trait-based assessments of climate-change impacts on interacting species. Trends in Ecology and Evolution 35: 319-328. doi: https://doi.org/10.1016/j.tree.2019.12.010