Holzwespen-Schlupfwespe
Die Holzwespen-Schlupfwespe (Rhyssa persuasoria). Foto: Frank Vassen.

Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut

„Insekt des Jahres“ 2025


Das Insekt des Jahres 2025 wurde am 28. November 2024 per Pressemeldung bekannt gegeben. Die Schirmherrschaft übernahm Dr. Katrin Vohland, Generaldirektorin des Naturhistorischen Museums Wien.

Vom Ei zur fertig entwickelten Wespe

Die geschlüpfte Rhyssa-Larve saugt zuerst von außen an der gelähmten, aber weiterhin lebendigen Holzwespenlarve. Wächst sie jedoch heran, wächst auch ihr Appetit, und sie frisst schlussendlich ihren Wirt auf. Deshalb legt das Rhyssa-Weibchen pro Wirtslarve nur ein Ei ab, denn der „Proviant“ reicht gesichert lediglich für die Entwicklung eines einzigen Nachkommens aus. Die Larvenentwicklung dauert nur etwa fünf Wochen. Danach spinnt die Larve im Fraßgang des Wirtes einen dünnen Kokon. Bis zum nächsten Frühling verbleibt sie meistens darin als sogenannte Ruhelarve mit stark reduziertem Stoffwechsel. Erst dann erfolgt die Verpuppung und bald darauf der Schlupf der nächsten Schlupfwespengeneration.

Anders als die einjährige Entwicklung von Rhyssa benötigen die meisten Holzwespenlarven bis zur Verpuppung drei Jahre. Aus diesem Grund sind im Holz sehr unterschiedlich große Wirte vorhanden; die „Futterpakete“ sind also sehr unterschiedlich umfangreich. Die Menge an verfügbarer Nahrung besitzt allerdings wesentlichen Einfluss auf die spätere Größe der Holzwespen-Schlupfwespe. Diese variiert deshalb sehr stark, so dass kleine Individuen weniger als 1 cm messen, die größten aber eine Körperlänge von fast 4 cm erreichen.

Parasit oder Parasitoid?

Schlupfwespen sind Parasitoide. Ein solcher Parasitoid hat in der Regel nur einen einzigen Wirtsorganismus, den er am Ende tötet. Parasiten dagegen wie Zecken oder Flöhe haben oft mehrere Wirte, die nicht getötet werden; dies passiert nur bei übermäßigem Parasitenbefall oder bei der Übertragung von Krankheiten als „Kollateralschaden“. Räuber töten wie Parasitoide ihre Opfer, aber anders als diese töten sie im Laufe ihres Lebens nicht nur ein einziges Individuum.

Vom „Killer“ zum Blattlausfreund

Die erwachsenen Holzwespen-Schlupfwespen sind von April bis September aktiv, wobei die meisten Exemplare von Mai bis Juli gefunden werden. Ihre Ernährungsgewohnheiten unterscheiden sich jedoch fundamental von den Larven, denn sie haben ihren Appetit auf Fleisch verloren. Stattdessen wenden sie sich vor allem zuckerhaltigen Stoffen wie den Ausscheidungen von Blattläusen (Honigtau) zu. Die Vollinsekten sind nicht zwingend auf die Aufnahme von Nahrung angewiesen, aber diese verlängert ihre Lebensdauer und vergrößert die Anzahl der produzierten Eier. Trotz ihres Pollen- und Nektarangebots werden Blüten nicht besucht. Besonders wichtig für das Überleben der Imagines ist aber die Aufnahme von Wasser, sonst trocknen die Tiere aus.

Das unspektakuläre Liebesleben

In der Regel kurz nach dem Schlupf oder zumindest in den ersten Tagen nach dem Verlassen der Puppenhülle erfolgt bei weiblichen Schlupfwespen die Paarung. Ältere Weibchen sind meist nicht mehr paarungsbereit. Sie wehren sich dann gegen Annäherungsversuche von Männchen, vorwiegend mit den Hinterbeinen. Wie bei den meisten Hautflüglern dauert die Paarung nur wenige Sekunden. Im Anschluss entfernt sich das Männchen, das Weibchen jedoch putzt sich ausgiebig.

Wo die Wespen leben

Die Holzwespen-Schlupfwespe ist auf Nadelbäume angewiesen, da nur dort ihre Wirte leben. Besiedelt werden unterschiedlichste Waldlebensräume, sofern in ihnen Nadelbäume vorhanden sind. Artenreiche Mischwälder mit zumindest einzelnen Nadelbäumen sind ebenso als Lebensraum geeignet wie monotone Fichtenforste. Aber auch an Holzlagerplätzen oder im Freien gelagertem Brennholz stellt sie sich ein.

Die Art ist in fast ganz Europa, Nordafrika, Asien außerhalb der Tropen und in Nordamerika weit verbreitet. Zur Schädlingsbekämpfung wurde sie nach Neuseeland, Australien und Brasilien eingeführt. Die Holzwespen-Schlupfwespe kommt vom Tiefland bis in hohe Lagen der Gebirge vor, wo sie in Europa bis über 2000 m Meereshöhe angetroffen wird.

Tochter oder Sohn?

Bei den meisten Tieren bleibt das Geschlecht der Nachkommen rein dem Zufall überlassen. Anders bei den Hautflüglern, denn diese können es in der Regel selbst bestimmen, ob ihre Nachkommen Männchen oder Weibchen werden. Das funktioniert nach einem einzigartigen Prinzip, der Thelytokie.

Im Normalfall entwickeln sich im Tierreich aus unbefruchteten Eiern keine Nachkommen. Nicht so bei Hautflüglern, denn legt ein Weibchen einer Biene, Wespe oder Ameise ein unbefruchtetes Ei, so entwickelt sich daraus bei den meisten Arten ein männliches Tier. Da es keinen Vater hat, besitzt es nur einen einfachen Chromosomensatz, d. h. nur die Hälfte der Erbinformation seiner Mutter. Aus befruchteten Eiern entwickeln sich Weibchen, sie besitzen deshalb den für Tiere typischen doppelten Chromosomensatz, je zur Hälfte von beiden Elterntieren. Somit hat jedes Muttertier einen Vater. Folglich haben ihre Söhne zwar keinen Vater, aber immer einen Großvater mütterlicherseits. Das Faszinierende ist, dass das Weibchen während der Eiablage entscheiden kann, ob Spermien aus einem Vorratsbehälter, dem Receptaculum seminis, zum Ei gelangen oder nicht. Somit steuert es das Geschlecht für seine Nachkommen selbst. Ein fast einmaliger Vorgang im Tierreich.

Schädlingsbekämpfung

Holzwespen gelten aufgrund der Nagetätigkeit der Larven im Holz und durch die Verbreitung des holzabbauenden Pilzes Amylostereum als Holzschädlinge. Da Rhyssa ihr häufigster Parasitoid ist, gibt es zahlreiche Studien über ihren Einsatz zur Holzwespenbekämpfung. Wie aber kommt man an so große Mengen von Schlupfwespen, die hierfür benötigt werden? Man nutzt einen einfachen Trick: Wenn Pilze der Gattung Amylostereum zu Larven oder Puppen von Honigbienen beigefügt werden, dann werden diese von Rhyssa als Wirte akzeptiert und mit Eiern belegt. Ihre Larven entwickeln sich dann an den leicht zu beschaffenden Larven und Puppen der Honigbienen und können ohne großen Aufwand in den erforderlichen großen Mengen gezüchtet werden.

Ähnliche Arten

In Europa besteht Verwechslungsmöglichkeit mit zwei anderen Rhyssa-Arten, R. amoena Gravenhorst, 1829 und R. kriechbaumeri Ozols, 1973. Rhyssa persuasoria lässt sich von ersterer eindeutig durch das Fehlen eines mehr oder weniger ausgeprägten weißen Ringes auf den Fühlern (Weibchen und Männchen) und von letzterer durch die Präsenz eines dorsolateralen weißen Bandes auf dem Pronotum und der weißen Markierungen auf dem Propodeum (Weibchen) unterscheiden. Von der seltenen R. kriechbaumeri sind bisher lediglich Weibchen bekannt; die Art wurde bisher nur an wenigen Stellen in der Schweiz, Deutschland, Ungarn und Russland gefunden. Eine Art der nahe verwandten Gattung Megarhyssa, M. rixator (Schellenberg, 1802), könnte aufgrund ihrer Größe und schwarz-weißen Färbung ebenfalls Anlass für Verwechslungen geben. Die mittleren Hinterleibssegmente weisen bei R. persuasoria (Weibchen und Männchen) zwei weiße Flecken auf, die übereinander liegen (seitlich betrachten). Die Weibchen von M. rixator haben hier nur einen, dafür aber langgezogenen weißen Fleck, bei den Männchen ist der Hinterleib ganz schwarz. Bei Perithous albicinctus ist der Hinterrand der Hinterleibssegmente weiß gesäumt. Andere große parasitoide Wespen Europas mit langem Legebohrer (z. B. Rhyssella, Dolichomitus und Ephialtes) besitzen nicht die typische schwarz-weiße Färbung der Rhyssa-Arten sowie keine auffälligen Querrunzeln an der Brustoberseite vor den Flügeln (Mesoscutum).

Der Killer des Killers

Besonders ist auch die Lebensweise des Kleptoparasitoiden Pseudorhyssa nigricornis, der sich während seiner Entwicklung auch von Holzwespenlarven ernährt. Der Legebohrer der Weibchen ist jedoch viel schwächer als der von Rhyssa, zu schwach, um selber durch das Holz zur begehrten Beute bohren zu können. Was also tun? Die Weibchen von P. nigricornis suchen nach Bohrlöchern von R. persuasoria, die sie nutzen, um ebenfalls ein eigenes Ei auf den Wirt zu legen. Die frisch geschlüpfte Pseudorhyssa-Larve tötet dann das Ei oder die Larve von Rhyssa und kapert gewissermaßen die Holzwespenlarve für sich. Aber auch R. persuasoria kann sich fakultativ auf anderen parasitoiden Schlupfwespenlarven entwickeln, die sich von Holzwespenlarven ernähren, sie kann also auch ein Hyperparasitoid sein. Fressen und gefressen werden …

Lesetipps

Lewis, J. W., Tumlinson, J. H. & Vet, L. E. M. (1993): Wie Schlupfwespen Wirte für ihre Larven finden. Spektrum der Wissenschaft 5/1993: 74-81. Weinheim.