Ernietta plateauensis [Exemplar im Feld fotografiert]. – Ähnlich wie Pteridinium ist Ernietta ein ungewöhnliches, sackförmiges Fossil, das wahrscheinlich frühe Tiere aus der Ediacara-Zeit (vor etwa 545 Millionen Jahren) darstellt. Untersuchungen an dieser Art haben ergeben, dass sie in dichten Ansammlungen auf dem Meeresboden lebte, um sich bei der Nahrungsaufnahme zu unterstützen, ähnlich wie heutige Muscheln. Aus Gibson et al. (2019); Illustration von David Mazierski.
Paläozoologie II
Forschung
Wir nutzen probenbasierte und modellbasierte, sowie experimentelle Ansätze, um urtümliche Fossilien zu verstehen und ihre Rolle in der sich entwickelnden Biosphäre und im Erdsystem zu rekonstruieren. Wir führen explorative Feldforschung in Deutschland durch und arbeiten eng mit Kolleginnen und Kollegen in Namibia, Kanada, den USA und Australien zusammen, um die Vielfalt neuer Fossilienfundstätten zu erforschen. Wir sind stets auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, die außergewöhnlichen Sammlungen unserer Sektion zu nutzen. Interessierte Forschende sind daher herzlich eingeladen, sich mit uns in Verbindung zu setzen.
Forschungsarbeiten der Sektion im Überblick
Die Hydrodynamik der sich entwickelnden Tiervielfalt. – In Zusammenarbeit mit Forschenden aus Großbritannien und den USA rekonstruieren wir, wie sich innerhalb der tierischen Evolution und sich verändernder Ökosystemstrukturen marine Riffbilder mit fließenden Medien interagierten und so komplexe hydrodynamische Strömungsfelder schufen. Die Ergebnisse dieser Arbeit werfen ein neues Licht auf die Paläobiologie und Ökologie unbekannter Fossiliengruppen und zeigen, in welcher Weise Strömungsmuster ökologische Chancen über längere, evolutionäre Zeiträume geschaffen haben könnten. Diese Arbeit wurde zuvor durch gemeinsame Mittel der US-amerikanischen National Science Foundation (#NSF-NERC EAR-2007928) und des britischen National Environment Research Council (#/V010859/2) gefördert.
Die Evolutionsgeschichte des Ökosystem-Engineerings. – Im Rahmen des von der US-amerikanischen National Science Foundation (#NSF-DEB 2051255) geförderten Projekts „E6“ sind wir Teil einer internationalen Gruppe, die die Evolutionsgeschichte des organismischen Ökosystem-Engineerings (insbesondere im Hinblick auf Riffe) zusammenfasst. Hierbei wird erforscht wie sich Struktur und Funktion von Erdsystemen innerhalb der letzten 4,1 Milliarden Jahren biotechnologisch verändert haben. Ein Schwerpunkt dieser Forschung liegt auf der Entwicklung eines einheitlichen konzeptionellen Rahmens, der es uns ermöglicht zu verstehen, inwieweit anthropogene Einflüsse auf längere Sicht vorhersehbare Folgen für die Ökosystementwicklung haben werden.
Bioturbation und der Ediacarium-Kambrium-Übergang. – Ein kürzlich gefördertes DFG-Projekt (#DFG 558639296) konzentriert sich auf die Rekonstruktion der Entwicklung von Verhaltenskomplexität und der ökosystemtechnischen Auswirkungen während des Ediacarium-Kambrium-Übergangs anhand von Spurenfossilien. Die Arbeit umfasst eine Kombination aus Feldforschung (hauptsächlich in Namibia und Australien), probenbasierter Forschung und – in Zusammenarbeit mit Senckenberg am Meer – neoichnologischen Experimenten.
Untersuchung globaler Ereignisse (Global Events) im Devon
Die Untersuchung globaler Ereignisse (Global Events) im Devon wird fortgeführt und – wo möglich – im Zusammenhang unter dem Blickwinkel der ‚Zeitspezifischen Fazies’ (time-specific facies) betrachtet. Studien über die oberdevonische Kellwasser-Krise sind dafür beispielhaft (s. Publikationen) – u.a. sind Vergleiche über Faziesgrenzen hinweg möglich; es lassen sich auch Korrelationen mittels abiotischer Parameter durchführen, z.B. ist dies zwischen dem klassischen Kellwasser-Profil im Steinbruch Schmidt (Kellerwald) und Abfolgen in Mähren möglich (Weiner et al. 2017).
Untersuchungen zum Kellwasser-Ereignis im Harz
Im Harz sind die Untersuchungen zum Kellwasser-Ereignis eingebunden in senckenbergische Aktivitäten im Geopark ‚Harz · Braunschweiger Land · Ostfalen‘ (z.B. Schindler et al. 2015; Franzke et al. 2017, Schindler im Druck).
Untersuchungen im Hinblick auf das unter-eifelische Choteč-Ereignis (Choteč Event)
Im Hinblick auf das unter-eifelische Choteč-Ereignis (Choteč Event) laufen Untersuchungen in Mittel-Europa, Frankreich, Marokko und dem östlichen Nord-Amerika unter Beteiligung deutscher, tschechischer und amerikanischer Kolleg*innen; eine Arbeit über den Event-Ablauf in den amerikanischen Appalachen (mit Vergleich böhmischer Abfolgen) ist bereits veröffentlicht (Brocke et al. 2016).
Weitere dauerhaft fortgesetzte Untersuchungen:
Siliziklastischen Ablagerungen aus dem Unter- und Mittel-Devon im Rheinischen Schiefergebirge
Im Rheinischen Schiefergebirge liegt der Arbeitsschwerpunkt auf siliziklastischen Ablagerungen aus dem Unter- und Mittel-Devon, besonders der Rhein/Mosel/Lahn-Region. Diese Arbeiten sind ein weiteres Beispiel für die enge Zusammenarbeit mit anderen Senckenberg-Mitarbeitern (u.a. aus dem Bereich Aktuopaläontologie bei ‚Senckenberg am Meer’ in Wilhelmshaven) sowie mit externen Kooperationspartnern. Neben den rein ‚fossilen‘ Fragestellungen ist in diesem Projekt vor allem auch der fossil/rezent-Vergleich hinsichtlich der Ablagerungsbedingungen und des Ablagerungsmilieus von zentraler Bedeutung. Das deutsche Wattenmeer und die bretonische Küste sind Kerngebiete für das Verständnis von Sedimentationsprozessen, besonders im Land/Meer-Übergangsbereich.
Im Zuge dieser Untersuchungen gelang in einer unterdevonischen Abfolge ein spektakulärer Fossilfund, der derzeit in Bearbeitung ist. Es handelt sich um einen sog. ‚Vendobionten‘, also eine Lebensform, die typisch für das ausgehende Präkambrium (Ediacarium) ist und mithin ca. 150 Millionen Jahre später eigentlich „nicht mehr vorkommen dürfte“. Ein erster Vortrag wurde darüber bereits gehalten (Schindler et al. 2019).