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Wyoming liegt in den Great Plains im Zentrum der USA. Der Bundesstaat ist ein El Dorado für Fossiliensammler – hier wurden in den letzten 150 Jahren zahlrei­che Dinosaurierfossilien gefunden.

Die Umwelt zu Edmonds Lebzeiten


Mehrere Fachdisziplinen arbeiten gemeinsam daran, die Umweltverhältnisse in der späten Kreidezeit vor 66 bis 70 Millionen Jahren zu rekonstruieren.
Wirft man heute einen Blick auf die karge Landschaft in den Great Plains, kann man sich kaum vorstellen, wie es hier zu den Lebzeiten von Edmontosaurus ausgesehen hat. Die Wälder und ausgedehnten Flussebenen waren bewohnt von einer Vielzahl verschiedener Tiere, deren bekannteste Vertreter sicher der Dreihornsaurier Triceratops und der Raubsaurier Tyrannosaurus rex waren.

Das Zusammenspiel unterschiedlicher Klimaparameter wie Temperatur, Niederschlag und Atmosphärenzirkulation prägt unseren Planeten. Sie bestimmen, wo wir fruchtbare Böden, Wüsten oder Regenwälder auf der Erde finden. Edmonds Knochen wurden aus Sandsteinen der Lance-Formation in Wyoming geborgen, heute in den Graslandschaften der Great Plains gelegen. Doch wie sah die Landschaft zu Lebzeiten von Edmontosaurus aus und welche Klimaverhältnisse herrschten damals?

Kreidezeitliche Klimadynamik in Nordamerika

In der späten Kreidezeit lagen CO2-Gehalt der Atmosphäre und globale Temperaturen gegenüber heute deutlich höher. Gleichzeitig war der Temperaturgradient zwischen Äquator und Polen kleiner, und die Verteilung der Landmassen unterschied sich noch deutlich von der heutigen. Große Teile des nordamerikanischen Kontinents waren von einem gewaltigen, weit in den Kontinent reichenden Meeresarm bedeckt, dem so genannten „Western Interior Seaway“, der im Westen von den Vorläufern der späteren Rocky Mountains begrenzt wurde. Zwischen diesem Hochland und den Stränden des flachen Meeres, das sich im Laufe der späten Kreidezeit mehr und mehr nach Norden zurückzog, lebte Edmond. Aus verschiedenen Paläoklimastudien, wissen wir, dass das Klima hier feuchtwarm war und Niederschläge wahrscheinlich auf eine Hauptsaison beschränkt waren – es also zu monsunartigen Regenfällen kam (Foreman et al. 2011).

Drohne
Die Grabungsstelle aus der Vogelperspektive. Dieses spektakuläre Luftbild schoss National-Geographic-Fotograf Jonas Eiden mithilfe einer Drohne.

Die Landschaft

Edmonds Lebensraum, die ausgedehnten Ebenen zwischen dem Meeresarm im Osten und dem Gebirge im Westen, wurden von Flüssen durchzogen, die aus dem Gebirge kamen. In Teilen dieses Gebirges gab es auch mächtige Vulkane, die jedoch schon zu Lebzeiten Edmonds nicht mehr aktiv waren. Die Flüsse, die vom Gebirge herabströmten, führten riesige Mengen von Sediment, unter anderem Abtragungsprodukte der Vulkane mit sich, die dann in den weiten Ebenen abgelagert wurden. Daraus entstanden die mächtigen Sandsteinablagerungen der sogenannten Lance-Formation, die wir vor allem in weiten Teilen der US-Bundesstaaten Wyoming und Montana finden.

Exkurs: Wann lebte Edmond? Pollen zeigen das Alter

Palynologische Studien in der Lance-Formation zeigen eine hohe Diversität von Pollen und Sporen, die vor allem auf eine tropische Vegetation hindeuten. Einige Pollenformen, die in diesen Sedimenten vorkommen, geben uns sogar Hinweise auf das Alter der Gesteine. Es handelt sich um sogenannte Leitfossilien, also Reste von Lebensformen, die nur in einem relativ eng begrenzten Zeitraum in der Erdgeschichte vorkamen und sich damit zur relativen Altersbestimmung und zum Vergleich von Ablagerungen heranziehen lassen.

Pollen und Sporen können vom Wind über weite Strecken transportiert werden, bevor sie zur Ablagerung kommen. Deshalb spielen sie als Leitfossilien nicht nur für kontinentale, sondern auch für marine Ablagerungen eine wichtige Rolle. In der Lance-Formation zeigen uns vor allem verschiedene Vertreter der Gattungen Aquilapollenites und Proteacidites sowie die Art Wodehouseia spinata, dass diese Sedimente während der späten Kreidezeit, dem sogenannten Maastrichtium vor 66–70 Millionen Jahren, abgelagert wurden (Farabee & Canright 1986; Nichols 2002).

Literatur

  • Farabee, M. J., Canright, J. E. (1986): Stratigraphic palynology of the lower part of the Lance Formation (Maestrichtian) of Wyoming. Palaeontographica Abteilung B 199: 1–89.
  • Nichols, D. J. (2002): Palynology and palynostratigraphy of the Hell Creek Formation in North Dakota: A microfossil record of plants at the end of Cretaceous time. – In: Hartman, J. H., Johnson, K. R., and Nichols, D. J., (Hrsg.): The Hell Creek Formation and the Cretaceous-Tertiary boundary in the northern Great Plains: An integrated continental record of the end of the Cretaceous: Boulder, Colorado, Geological Society of America Special Paper 361: 393–456.

Die Vegetation

Man darf sich diese Ebenen jetzt aber nicht als nackte Geröllwüsten vorstellen, die von einem Netz von Flüssen durchzogen waren. Die Landschaft zwischen den Flussläufen, die immer wieder ihren Lauf veränderten, war bedeckt von einem dichten, subtropisch anmutenden Laubwald. An einzelnen Standorten gab es aber auch größere Bestände von Nadelbäumen. Neben eher trockeneren Standorten, die es in vergleichbaren Landschaften vor allem auf Hügeln gibt, kommen auch sehr feuchte, sumpfige Standorte, zum Beispiel im Bereich von Altarmen der Flüsse in Frage. Hier gab es größere Bestände laubabwerfender Nadelbäume der Gattung Metasequoia, deren einziger heute noch lebender Vertreter, bekannt als „Chinesisches Rotholz“ oder „Urweltmammutbaum“, in freier Natur nur noch in wenigen Gegenden Chinas vorkommt. Interessanterweise war dieser laubwerfende Nadelbaum fossil schon lange bekannt, bevor er erst 1941 in unzugänglichen Bergregionen der chinesischen Provinzen Hubei und Sichuan entdeckt wurde. Während der Kreidezeit war diese Gattung jedoch auf weiten Teilen der Nordhalbkugel verbreitet.

Wir wissen, wie die Vegetation aussah, da man aus den Sedimenten der Lance-Formation zahlreiche Funde fossiler Blätter und Nadelbaumreste, aber auch fossiler Pollen und Sporen kennt. Solche Blattreste fand man auch in jenem Sandstein, der die Senckenberg-Dinosauriermumie ausfüllte. Ursprünglich als Mageninhalt interpretierte, winzige Reste von Blättern und Holz, so zeigten eine neuere Studie (Uhl, in Druck), wurden wohl erst nach dem Tod durch Wasser in den Körperhohlraum der Mumie eingeschwemmt (siehe folgender Exkurs). Alle diese Funde fossiler Pflanzenreste, zusammen mit gleichartigen Funden aus der zur gleichen Zeit abgelagerten Hell-Creek-Formation in den benachbarten US-Bundesstaaten South Dakota, North Dakota und Montana, ermöglichen es uns, die Vegetation zur Ablagerungszeit der Lance-Formation relativ gut zu rekonstruieren.

Exkurs: Ein Mageninhalt vom Edmontosaurus, der wohl keiner ist

Im Jahr 1921 beschrieb der Frankfurter Paläobotaniker Richard Kräusel auf der Jahrestagung der Paläontologischen Gesellschaft im Senckenberg-Museum den vermeintlichen Mageninhalt unserer Edmontosauriermumie (Kräusel 1922). Sein Vortrag setzte eine lebhafte Diskussion in Gang, ob es sich bei dem fraglichen Material wirklich um den Mageninhalt gehandelt haben könnte. Auch Fritz Drevermann, damals Leiter der paläontologischen Abteilung bei Senckenberg, unterstützte Kräusels These und lieferte zusätzliche Informationen, darunter weitere Pflanzenfunde in der Sandsteinausfüllung der Körperhöhle (Drevermann 1922) – vor allem die genaue Lage des Materials im Beckenbereich des Sauriers führte er als Hauptargument an.

Die Vorträge und Diskussionsbeiträge der Tagung wurden schließlich in der Paläontologischen Zeitschrift veröffentlicht. Seitdem gelten die Ergebnisse Kräusels zur Nahrung von Edmontosauriern, ja sogar der Entenschnabeldinosaurier im Allgemeinen, quasi als „Fakt“ (z.B. Ostrom 1964; Krassilov 1981) – Drevermanns vermeintlich unterstützende Informationen fanden über 100 Jahre in der Fachwelt keinerlei Beachtung.

Es ist ein Glücksfall, dass Senckenberg weiteres Material bewahrt hat: Präparate von Pflanzenresten aus dem vermeintlichen Mageninhalt sowie zahlreiche Knochen und Gesteinsreste mit Blatt- und Hautabdrücken, die vor mehr als 100 Jahren während der Präparation der Mumie anfielen. 2019 untersuchten wir diese im Vorfeld des Edmontosaurus-Projekts. Unsere Ergebnisse lassen uns daran zweifeln, dass es sich bei den Resten um Mageninhalt handelt (Uhl, 2020). Zum einen ist es höchst unwahrscheinlich, dass dieser in der Körperhöhle als einziger Rest der ehemaligen organischen Substanz überdauert haben soll. Dagegen spricht auch seine Fundposition (s. Beitrag auf S. 84) auf einem nach vorne gerichteten Fortsatz der Beckenknochen, der sich in der Fundlage der Mumie eher im oberen Bereich des Körpers befand. Wir schließen daraus, dass die Pflanzenreste erst lange nach dem Tod des Sauriers durch Wasser in die Körperhöhle gespült wurden.

Literatur

  • Drevermann, F. (1922): Diskussion zu den Vorträgen R. Kräusel und F. Versluys. – Paläont. Z. 4: 91.
  • Krassilov, V.A. (1981): Changes of Mesozoic vegetation and the extinction of dinosaurs. – Palaeogeogr., Palaeoclim., Palaeoecol. 34: 207–224.
  • Kräusel, R. (1922): Die Nahrung von Trachodon. – Paläont. Z. 4: 80.
  • Ostrom, J.H. (1964): A reconsideration of the paleoecology of hadrosaurian dinosaurs. – Am. J. Sci. 262: 975–997.
  • Uhl, D. (2020): A reappraisal of the “stomach” contents of the Edmonto­ saurus annectens mummy at the Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt/Main (Germany). – Z. Dt. Ges. Geowiss., 171 (1), 71–85

Derzeit analysieren wir Pollen und Sporen aus den Ablagerungen im Umfeld der Dinosaurierfundstätte in Wyoming, die aufgrund der massenhaften Knochenfunde „Bonebed“ genannt wird. Von dort stammen auch die 30 Tonnen schweren Gesteinsblöcke, die jetzt im Außenbereich des Naturmuseums in Frankfurt aufgestellt worden sind. Von April bis Oktober 2020 werden die darin enthaltenen Fossilien vor den Augen der Museumsbesucher herauspräpariert

Erste Ergebnisse der palynologischen Untersuchungen zeigen, dass in den untersuchten Sedimenten die Pollen tropischer Pflanzen dominieren und es nur wenige Pflanzen gab, die auf gemäßigte Klimabedingungen hinweisen.

 

In den Sedimenten der Lance-Formation findet man zudem ab und zu auch kleinere Bernsteinbrocken oder -tropfen. Dieser Bernstein stammt von einem bislang unbekannten Nadelbaum, wahrscheinlich aus der Verwandtschaft der heute nur noch auf der Südhalbkugel vorkommenden Familie der Araukarien. Leider konnten bislang noch keine größeren Bernsteinbrocken gefunden werden, die vergleichbar mit anderen Bernsteinvorkommen aus der Kreidezeit, auch Insekten und andere kleine Tiere als Einschlüsse enthalten.

 

Exkurs: Von welcher Pflanze stammt der Bernstein?

Die Herkunft vieler Bernsteinvorkommen aus der Kreidezeit ist noch nicht vollständig geklärt. Grundsätzlich existieren zwei Herangehensweisen: Die paläobotanische Methode legt die Annahme zugrunde, dass die häufigsten zusammen mit Bernstein vorkommenden Blätter und Hölzer von den ursprünglichen Bernsteinbäumen stammen. Alternativ können wir die chemische Zusammensetzung betrachten. Dieser Forschungsansatz unterstellt, dass der Bernstein von jenem modernen beziehungsweise fossilen Baum stammt, dessen Harz in seinem Chemismus dem des Bernsteins am ähnlichsten ist.

Erste chemische Studien an Bernsteinen aus der Lance-Formation zeigten, dass sie wahrscheinlich aus der Familie der Araukariengewächse stammen, deren Vertreter heute nur noch auf der Südhalbkugel zu finden sind, in der Kreidezeit aber weltweit vertreten waren. Allerdings lässt sich der Bernstein bisher keiner rezenten Gattung zweifelsfrei zuordnen.

Mit unseren Untersuchungen des Bernsteins aus der Lance-Formation stehen wir noch ganz am Anfang. Um genauere Aussagen über die Ursprungspflanzen treffen zu können, müssen wir weitere Proben aus anderen Vorkommen vor allem auch chemisch untersuchen.

Literatur

McCoy, V. E., Peñalver, E., Solórzano Kraemer, M. M., Delclòs, X. and Boom, A. (2018): The volatile and semi-volatile composition of Cretaceous amber, and comparison to modern resin. – Palaeontological Virtual Congress, 1.–15. Dezember 2018.

Durch Funde fossiler Holzkohle, unter anderem aus den Sandsteinen, die unsere Edmontosauriermumie umgeben, wissen wir auch, dass es in diesen Wäldern wiederholt zu Waldbränden gekommen ist. In der Kreidezeit – bei deutlich höheren Temperaturen und höherem Sauerstoffgehalt der Luft waren solche Brände weltweit sehr häufig. Wir wissen das aus eigenen Forschungen auf verschiedenen Kontinenten. In der Lance-Formation sind sie allerdings bisher noch nie untersucht worden – hier gibt es also einen Forschungsbedarf, dem wir uns natürlich gerne annehmen.

Exkurs: Wie beeinflussten Waldbrände Edmonds Umwelt ?

Geochemische Modellierungen deuten drauf hin, dass der Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre während der späten Kreidezeit deutlich höher lag als heute (Brown et al. 2012). Da das Vorhandensein von Sauerstoff eine der Grundvoraussetzungen für Brände ist, kann man davon ausgehen, dass es zu dieser Zeit, auch im Hinblick auf global deutlich wärmeres Klima, häufiger brannte als heutzutage. Tatsächlich ist fossile Holzkohle in kreidezeitlichen Ablagerungen sehr häufig zu finden (Brown et al. 2012), so auch in den von Flüssen abgelagerten Sedimenten der Lance-Formation in Wyoming (Carpenter 1971 u. Uhl 2020) und in der zeitgleich abgelagerten Hell-Creek-Formation in den benachbarten Bundesstaaten South und North Dakota (z. B. Vajda et al. 2013). Im Rahmen unserer ersten eigenen Untersuchungen aus der Lance-Formation fand sich fossile Holzkohle in den Sedimenten des Edmontosaurus-Bonebeds wie auch in jenem Sandstein, der unsere Edmontosauriermumie umgab (Uhl, im Druck). Weiterführende Untersuchungen sollen nun klären, welche Pflanzen den Flammen zum Opfer fielen und in welchen Ökosystemen es wie häufig gebrannt hat.

Literatur

  • Brown, S. A. E., Scott, A. C., Glasspool, I. J., Collinson, M. E. (2012): Cretaceous wildfires and their impact on the Earth system. – Cret. Research 36: 162–190.
  • Carpenter, K. (1987): Paleoecological significance of droughts during the Late Cretaceous of the Western Interior. – in: Currie, P. J., Koster, E. H. (Hrsg.): Fourth Symposium on Mesozoic Terrestrial Ecosystems, Drumheller, August 10–14, 1987. – Occ. Paper Tyrrell Mus. Palaeont. 3: 42–47.
  • Uhl, D. (2020): A reappraisal of the ‘stomach’ contents of the Edmontosaurus annectens mummy at the Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt/Main. – Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften, 171(1), 71–85.
  • Vajda, V., Lyson, T.R., Bercovici, A., Doman, J. & Pearson, D.A. (2013): A snapshot into the terrestrial ecosystem of an exceptionally well-preserved dinosaur (Hadrosauridae) from the upper Cretaceous of North Dakota, USA. – Cret. Res. 46: 114–122.

Die Tierwelt

In der kreidezeitlichen Landschaft der Lance-Formation lebten neben Edmontosauriern unzählige weitere Tiere. Am bekanntesten sind wohl der Dreihorndinosaurier Triceratops horridus (das Wappentier unseres Museums in Frankfurt) und der Raubdinosaurier Tyrannosaurus rex. Daneben gab es aber auch unzählige Schildkröten, Krokodile, kleine Säugetiere und Fische deren fossile Überreste in manchen Schichten der Lance-Formation wie etwa dem Edmontosaurus-Bonebed, sehr häufig sind. Daher gehen wir davon aus, dass die Edmontosaurier in riesigen Herden über weite Strecken entlang der Flussläufe und der Meeresküste durch diese Landschaft zogen. Auskunft über ihr Wanderverhalten liefern uns unter anderem Studien an stabilen Isotopen (vor allem Kohlenstoff und Sauerstoff) aus den Knochen und Zähnen dieser Dinosaurier (Stanton Thomas & Carlson 2004).

NFM 150 Methner
Katharina Methner im Isotopenlabor der Goethe-Universität Frankfurt.
NFM Bilder Band 150 Heft 4-6 2020
Fischschuppen aus dem Edmontosaurus-Bonebed.
NFM Bilder Band 150 Heft 4-6 2020
Hautknochen (Osteoderm) eines Krokodils aus dem Edmontosaurus-Bonebed.

Was sagen uns Isotope über Edmonds Umwelt?

Isotopengeochemische Untersuchungen von Knochen und Zähnen zeigen uns aber auch, dass Edmontosaurier sich von Pflanzen ernährt haben (Bocherens et al. 1988 u. Stanton Thomas & Carlson 2004).

Aber nicht nur Reste der Tiere selbst enthalten Isotope, die uns Aufschluss über die Paläoumwelt geben können. Auch Gesteine können wir auf diese Weise untersuchen. Vor allem Kalkkonkretionen (CaCO3) spiegeln das Klima der Zeit wider, in der sie entstanden sind. Die Bildung dieser Bodenkarbonate ist an eine ausgeprägte Saisonalität der Niederschläge gebunden. Allein ihre Anwesenheit in geologischen Profilen zeigt uns, dass es Niederschläge und Trockenphasen in jahreszeitlichem Wechsel gegeben haben muss. Auch in den Kalkkonkretionen selbst stecken jede Menge Informationen über das Klima – und mithilfe von Isotopenanalysen entlocken wir sie ihnen (siehe Exkurs)!

 

Exkurs: Was sagen uns Isotope über das damalige Klima?

Im Zuge der Vorarbeiten zur Bergung des Edmontosaurus-Bonebeds in Wyoming besuchten wir verschiedene Grabungsstellen in den westlichen USA. Eine davon: die Blackleaf Creek Ranch von Burkhard Pohl nahe Bynum, Montana. Hier konnten wir in den Sedimenten der Two-Medicine-Formation eine Reihe von Paläoböden identifizieren und beproben (s. Abb. unten). Die Lokalität ist etwa 10 bis 12 Millionen Jahre älter als die Lance-Formation und berühmt für ihren Reichtum an fossil überlieferten Dinosauriern.

Unsere Bodenproben untersuchten wir dann im Gemeinschaftslabor der Goethe-Universität und des SBiK-F. Die hier gewonnenen Daten deuten wie bereits andere Studien auf ein warmes, semiarides Klima hin (Burgener et al. 2019; Foreman et al. 2011).

Wir ermitteln die Bildungstemperaturen der pedogenen Karbonate über das Verhältnis der in ihnen eingebauten unterschiedlich schweren Sauerstoff- und Kohlenstoffisotope (16O, 17O, 18O, 13C und 12C). Daraus berechnen wir einen Index, den sogenannten ∆47-Wert. Die ermittelten ∆47-Werte zeigten uns eine Bildungstemperatur von 30°C an und spiegeln in etwa die Sommertemperaturen wider (Burgener et al. 2019). Mithilfe der Bildungstemperaturen und der neu gewonnenen δ18O-Werte der pedogenen Karbonate können wir anschließend die Sauerstoffisotopie des Bodenwassers bestimmen, aus dem diese Karbonate ausgefällt wurden. Diese ist ein gängiger Indikator für die lokalen Niederschläge. Wir ermitteln δ18O-Werte von ca. –7‰ für den spätkreidezeitlichen Niederschlag. Das entspricht dem der heutigen küstennahen Niederschläge in Kalifornien und ist deutlich höher als die aktuellen Werte im kontinentalen Montana oder Wyoming (mit ca. –15‰ bis –18‰ (Dutton et al. 2005). Auch die δ13C-Werte von –5‰ bis –8‰ deuten auf mäßig produktive Böden hin, die durch permanente oder saisonale Trockenheit geprägt wurden.

Literatur

  • Burgener, L., Hyland, E., Huntington, K. W., Kelson, J. R., Sewall, J. O. (2019): Revisiting the equable climate problem during the Late Cretaceous greenhouse using paleosol carbonate clumped isotope temperatures from the Campanian of the Western Interior Basin, USA. – Palaeogeogr. Palaeoclimatol. Palaeoecol. 516: 244–267. https://doi.org/10.1016/j.pa laeo.2018.12.004.
  • Dutton, A., Wilkinson, B. H., Welker, J. M., Bowen, G. J., Lohmann, K. C. (2005). Spatial distribution and seasonal variation in 18O/16O of modern precipitation and river water across the conterminous USA. – Hydrol. Process. 19: 4121–4146. https://doi.org/10.1002/ hyp.5876.
  • Prinzen, R. (2019): Analyse stabiler Isotope (δ18O, δ13C) an pedogenen Karbonaten der Two Medicine Formation (MT, USA). Bsc. thesis, Goethe University.
  • Foreman, B. Z., Fricke, H. C., Lohmann, K. C., Rogers, R. R. (2011): Reconstructing paleocatchments by integrating stable isotope records, sedimentology, and taphonomy: A late cretaceous case study (Montana, United States). – Palaios 26: 545–554. https://doi.org/10.2110/palo.2010.p10-133r.

Auch hier untersuchen wir die Verhältnisse der Sauerstoff- und Kohlenstoffisotope. Letztere geben Aufschluss über die Vegetation und die Produktivität von Böden, die Sauerstoffisotopie über Verteilung und Menge der Niederschläge.

Leider lebte Edmond an Stränden des „Western Interior Seaways“ im heutigen Wyoming, dessen warm-feuchtes Klima nahe dem Meeresspiegel die Bildung von Karbonaten verhindert. Unsere Isotopenanalysen an Bodenkarbonaten stammen daher hauptsächlich aus dem Westen des Untersuchungsgebiets und aus dem kreidezeitlichen Hochland. Die hier gewonnenen Isotopendaten lassen auf ein warmes, semiarides Klima mit Jahresmitteltemperaturen von circa 16 Grad Celsius und Temperaturschwankungen von circa 21–27 Grad Celsius im Jahr schließen (Burgener et al. 2019; Foreman et al. 2011).

Wir sind mit unseren Untersuchungen zur Isotopengeochemie aber längst noch nicht fertig. Hier liegt noch großes Potenzial für weitere Forschungen am Material aus dem Edmontosaurus-Bonebed, die in den nächsten Monaten auf dem Plan stehen.

Literatur

Bocherens, H., Fizet, M., Cuif, J.-P., Jaeger, J. J., Michard, J.-G. & Mariotti, A. (1988): Premieres mesures d’abondances isotopiques naturelles en 13C et en 15N de la matière organique fossile de Dinosaure. Application à l’etude du régime alimentaire du genre Anatosaurus (Ornithischia, Hadrosauridae). – C. R. Acad. Sci. Paris 306: 1521–1525.

Burgener, L., Hyland, E., Huntington, K. W., Kelson, J. R., Sewall, J. O. (2019). Revisiting the equable climate problem during the Late Cretaceous greenhouse using paleosol carbonate clumped isotope temperatures from the Campanian of the Western Interior Basin, USA. – Palaeogeogr. Palaeoclimatol. Palaeoecol. 516, 244–267. https://doi.org/10.1016/j.palaeo.2018.12.004

Dutton, A., Wilkinson, B. H., Welker, J. M., Bowen, G. J., Lohmann, K. C. (2005): Spatial distribution and seasonal variation in 18O/16O of modern precipitation and river water across the conterminous USA. – Hydrol. Process. 19, 4121–4146. https://doi.org/10.1002/hyp.5876

Fiebig, J., Bajnai, D., Löffler, N., Methner, K., Krsnik, E., Mulch, A., Hofmann, S., 2019. Combined high-precision ∆48 and ∆47 analysis of carbonates. – Chem. Geol. 522, 186–191. https://doi.org/10.1016/j.chemgeo.2019.05.019

Foreman, B.Z., Fricke, H.C., Lohmann, K.C., Rogers, R.R., 2011. Reconstructing paleocatchments by integrating stable isotope records, sedimentology, and taphonomy: A late cretaceous case study (Montana, United States). – Palaios 26, 545–554. https://doi.org/10.2110/palo.2010.p10-133r

Owocki, K., Kremer, B., Cotte, M., Bocherens, H., 2020. Diet preferences and climate inferred from Oxygen and Carbon isotopes of tooth enamel of Tarbosaurus baatar (Nemegt Formation, Mongolia). – Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology 537: 109190.

Stanton Thomas, K.J., Carlson, S.J., 2004. Microscale δ18O and δ13C isotopic analysis of an ontogenetic series of the hadrosaurid dinosaur Edmontosaurus: implications for physiology and ecology. – Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology 206: 257–287.

Die Autoren

Prof. Dr. Dieter Uhl leitet seit 2013 die Abteilung Paläontologie und Historische Geologie am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt. Sein wissenschaftliches Interesse gilt Paläoklima- und Paläoumweltrekonstruktionen mithilfe fossiler Pflanzen. Ein Schwerpunkt liegt auf Vegetationsbrände im Jungpaläozoikum und Mesozoikum.
Prof. Dr. Hervé Bocherens ist seit 2008 Professor für Biogeologie an der Universität Tübingen und seit 2017 Stellvertretender Direktor von HEP Tübingen. Ein Schwerpunkt seiner Forschung ist die Rekonstruktion von Habitat und Ernährung ausgestorbener Vertebraten, wie etwa Neandertaler, Höhlenbären und Dinosaurier, mithilfe stabiler Isotope in fossilen Knochen und Zähnen.
Prof. Dr. Haytham El Atfy ist gegenwärtig als Forschungsstipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung an der Eberhard Karls Universität Tübingen im Team von Prof. Dr. Madelaine Böhme tätig. Er ist außerdem Associate Professor für Angewandte Mikropaläontologie und Palynologie an der naturwissenschaftlichen Fakultät der Mansoura-Universität in Ägypten.
Dr. Katharina Methner promovierte 2016 am SBiK-F und war bis 2019 weiter bei Senckenberg Frankfurt tätig. Zurzeit ist sie Feodor Lynen-Stipendiatin der Alexander von Humboldt-Stiftung an der Stanford University, USA. Ihr vornehmliches Forschungsinteresse gilt Klima- und Topografierekonstruktionen in den westlichen USA mit Fokus auf erdgeschichtlichen Warmphasen.
Prof. Dr. Andreas Mulch ist Direktor des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseums Frankfurt sowie seit 2010 Professor an der Frankfurter Goethe-Universität und dem SBiK-F. Zusammen mit Prof. Dr. Jens Fiebig leitet er das Isotopenlabor von Goethe-Universität und SBiK-F. In seinen Forschungen widmet er sich vor allem der Rekonstruktion von Niederschlagsmustern und Topografie.
Dr. Mónica M. Solórzano Kraemer arbeitet seit vielen Jahren über Fossilien in Bernstein. Sie ist wissenschaftliche Kuratorin der Sammlungen Bernstein sowie Fossile Insekten und Spinnen am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt. Zuvor war sie Postdoc an den Universitäten Rennes und Bonn, wo sie ihre Dissertation über die Insekteneinschlüsse des mexikanischen Bernsteins verfasste.
Philipe Havlik arbeitet seit 2002 an der Schnittstelle zwischen Forschung und Öffentlichkeit. Er entwirft und betreut Ausstellungen am Senckenberg Naturmuseum Frankfurt. Dabei legt der Wirbeltierpaläontologe Schwerpunkte auf Themen, die die erdgeschichtliche Vergangenheit erlebbar machen. In diesem Zusammenhang leitet er auch das Edmontosaurus-Projekt.