Europas Feuerprobe: Waldbrandgefahr steigt weiter an
Zukünftig sind auch bisher wenig gefährdete Regionen von stark zunehmendem „Brandwetter“ betroffen
Ein Team aus Forschenden vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt (SBiK-F) und von Partnerorganisationen des gemeinsamen EU-Projektes „FirEUrisk“ hat die Entwicklung der Waldbrandgefahr in Europa in den kommenden Jahrzehnten untersucht und besorgniserregende Trends festgestellt. Ihre im wissenschaftlichen Fachjournal „Environmental Research Letters“ veröffentlichte Studie unter Leitung von Senckenberg-Wissenschaftler Prof. Dr. Thomas Hickler zeigt anhand hochauflösender Klimamodelle, dass die Brandgefahr in ganz Europa deutlich steigen wird. Je stärker die Erwärmung des Klimas ausfällt, desto dramatischer entwickelt sich das „Brandwetter“, so die Wissenschaftler*innen. Auch in bisher mäßig gefährdeten Gebieten in Mitteleuropa und sich rasch erwärmenden Gebirgsregionen werde es zunehmend zu gefährlichen Wetterbedingungen kommen – die Forschenden betonen deshalb die zunehmende Wichtigkeit von Präventions- und Kontrollmaßnahmen.
In den letzten zehn Jahren war das Klima in Europa heißer und trockener als jemals zuvor seit der Wetteraufzeichnung durch den Menschen – und damit die Feuergefahr so hoch wie nie. 2017 verbrannte auf dem europäischen Kontinent fast eine Million Hektar Land. In der schon immer stark von Waldbränden betroffenen Mittelmeerregion brachen besonders viele Feuer aus, und auch Gebiete, die bisher nicht als brandgefährdet galten, wie etwa Großbritannien, waren von Bränden betroffen. Wie sich das Risiko und die Häufigkeit solcher Brandereignisse angesichts des weiter voranschreitenden Klimawandels in Europa voraussichtlich entwickeln werden, hat ein europäisches Forschungsteam auf der Grundlage verschiedener hochauflösender Klimamodelldaten untersucht. „Unsere Daten zeigen, dass sich dieser gefährliche Trend in den nächsten Jahrzehnten fortsetzen und die Waldbrandgefahr in ganz Europa weiter zunehmen wird – und das sogar bei einer starken Verringerung der Treibhausgasemissionen“, erklärt Jessica Hetzer, Erstautorin der Studie, vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt (SBiK-F) und fährt fort: „Selbst in dem von uns berechneten Szenario mit dem geringsten CO2-Anstieg steigt die mittlere sommerliche wetterbedingte Waldbrandgefahr in Europa bis 2050 um 24 Prozent gegenüber dem historischen Mittelwert an. Bei hohen Treibhausgasemissionen wird dieser Anstieg deutlich drastischer ausfallen. Gleichzeitig sind immer mehr Regionen betroffen.“
Um die Intensität von sogenanntem „Brandwetter“ – also das Zusammenkommen von Risikofaktoren wie hohen Temperaturen, niedriger Luftfeuchtigkeit, geringen Niederschlägen zusammen mit oftmals starkem Wind – zu messen, nutzten die Forschenden unter anderem den kanadischen Fire Weather Index (FWI) und berechneten verschiedene Szenarien für den Zeitraum bis 2080. „In den bereits feuergefährdeten Regionen Südeuropas – Ländern wie Griechenland, Zypern, Spanien, Portugal, Kroatien und der Türkei – werden die Bedingungen noch extremer werden“, sagt der Leiter der Studie Prof. Dr. Thomas Hickler (SBiK-F) und weiter: „Für die Ökosysteme und Gesellschaften dieser Länder ist das regelmäßige extreme Brandwetter eine große Herausforderung. Gleichzeitig werden auch bisher wenig betroffene Gebiete in Mitteleuropa, Teile Nordeuropas und besonders die sich schnell erwärmenden Gebirgsregionen von schweren Bränden bedroht werden. Bei stark steigenden CO2-Werten könnte das Brandwetter in den deutschen Mittelgebirgen, den Karpaten, den Vogesen und dem Massif Central gebietsweise um bis zu 60 Prozent zunehmen.“
Die steigende Häufigkeit des Brandwetters in Bergregionen birgt dabei weitere Risiken: „Die Feuergefahr wird auch durch Faktoren wie die Geländebeschaffenheit und die Entflammbarkeit der Vegetation beeinflusst“, erklärt Senckenberg-Forscher Dr. Matthew Forrest und fährt fort: „Eine komplexe Topografie und steile Hänge können die Brandgefahr erheblich erhöhen: In schwer zugänglichen und durch geringe Bewirtschaftung verbuschten Gebieten kann sich das Feuer einerseits schneller ausbreiten – gleichzeitig ist die Brandbekämpfung in unwegsamen Gelände schwieriger. In diesen Regionen gehen die Vegetation und bewohnte Gebiete zudem oft ineinander über. So entsteht ein erhebliches Risiko für Brände in Siedlungen und durch starke Rauchbelastung.“
Die Forschenden betonen deshalb die zunehmende Wichtigkeit von Frühwarnsystemen, Brandüberwachung und -bekämpfung, auch in bisher wenig betroffenen Regionen. Eine frühzeitige Berücksichtigung der zunehmenden Gefahrenlage könne ein Schlüssel sein, um künftige Katastrophen abzuwenden, bevor diese eintreten, heißt es in der Studie. Hetzer hierzu: „In Zentraleuropa hat das Management von Waldbränden bisher nur geringe Priorität. Dadurch sind die Gemeinden teilweise nicht ausreichend auf längere Perioden mit hoher Feuergefahr vorbereitet. Hier brauchen wir dringend und kurzfristig ‚feuerbewusste‘ Entscheidungen bei der Stadtplanung, Forstwirtschaft und Landbewirtschaftung – um sowohl den Wald als auch seine angrenzenden Gemeinden zu schützen.“ Hickler fasst zusammen: „Ein extremeres Brandwetter muss keineswegs bedeuten, dass es auch mehr brennt. Zumindest in einem gewissen Maß können wir uns daran anpassen. Wann dieses überschritten ist, ist jedoch schwer vorherzusagen.“
Publikation: Jessica Hetzer et al 2024 Environ. Res. Lett. 19 084017. https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/ad5b09