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Bernsteinwald, Ringelnatter und Urpferd

Preisverleihungen der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Am Dienstag verlieh die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung zwei Preise an Wissenschaftler*innen für besonders gelungene Veröffentlichungen bzw. Dissertationen.
Der Wolfgang-Strutz-Promotionspreis ehrt herausragende Leistungen des wissenschaftlichen Nachwuchses und geht in diesem Jahr an zwei Preisträgerinnen. Den Hanns-Christian-Schroeder-Hohenwarth-Preis erhalten die Forschenden, die 2017 einen besonders interessanten populärwissenschaftlichen Beitrag im Senckenberg-Wissenschaftsmagazin „Natur.Forschung.Museum“ verfasst haben.

Bei der feierlichen Verleihung im Festsaal des Jügelhauses konnten sich Dr. Eva-Maria Sadowski, die an der Georg-August-Universität Göttingen promovierte und seit März 2019 Paläobotanikerin am Museum für Naturkunde Berlin ist, sowie Dr. Carolin Kindler für ihre Dissertation an der Universität Leipzig über den Wolfgang-Strutz-Promotionspreis freuen. Die Wahl für den Hanns-Christian-Schroeder-Hohenwarth-Preis fiel auf Jens Lorenz Franzen († 21.11.2018), Krister Smith und Jörg Habersetzer für ihren populärwissenschaftlichen Beitrag „Krokodil gegen Urpferd“, erschienen im Senckenberg-Wissenschaftsmagazin „Natur.Forschung.Museum“.

Dr. Eva-Maria Sadowski vom Museum für Naturkunde Berlin hat in ihrer Dissertation an der Georg-August-Universität Göttingen die in Bernstein konservierte Pflanzenwelt in der Region der Ostsee bzw. des Baltikums untersucht – der größten Bernstein-Lagerstätte weltweit. Ihre Ergebnisse zeigen, dass die Landschaft und das Ökosystem vor etwa 34 bis 38 Millionen Jahren vermutlich ganz anders ausgesehen haben als bisher angenommen. Entscheidende Daten lieferten unter anderem die Einschlüsse von insgesamt zehn Koniferen-Gattungen, von denen neun erstmals in diesem Gebiet entdeckt wurden. Der Baltische Bernsteinwald war demnach kein geschlossener subtropischer Urwald, sondern landschaftlich und pflanzlich sehr unterschiedlich strukturiert. Die Vegetation war geprägt von Küstensümpfen, Auwäldern, Mooren und Koniferen-Mischwäldern. Diese Ergebnisse haben auch Einfluss auf die Rekonstruktion des Lebensraumes vieler Tierarten aus dem Baltischen Bernstein und ihrer ökologischen Nischen.

Dr. Carolin Kindler hat für ihre Promotion an der Universität Leipzig in Kooperation mit den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden mehr als 1700 Ringelnattern genetisch untersucht. Die Schlangen zählen zu den häufigsten und am weitesten verbreiteten in Deutschland und Europa – dennoch war relativ wenig über die Genetik dieser ungiftigen Reptilien bekannt. Kindler hat drei Gebiete untersucht, in denen sich verschiedene genetische Linien der Ringelnatter treffen: die Pyrenäen, das Rheingebiet und eine bisher unbekannte Kontaktzone, die sich von Mitteleuropa bis zum Südbalkan erstreckt. Solche Kontaktzonen gelten als „Freilandlabore“, weil sich dort Hybridisierung und Artbildung untersuchen lassen. Die Ergebnisse der Untersuchung offenbarten Unterschiede zwischen der Genetik und der bisherigen taxonomischen Einteilung der Tiere. So handelt es sich sowohl bei der bisher als Unterart aufgefassten Rotaugenringelnatter Natrix astreptophora im Untersuchungsgebiet der Iberischen Halbinsel (Pyrenäen) als auch bei der Barren-Ringelnatter Natrix helvetica westlich des Rheingebietes um eine eigene Art. Damit hat sich die Anzahl der Schlangenarten in Deutschland auf sieben erhöht. Hingegen müssen die östlichen Ringelnattern Natrix natrix der dritten untersuchten Kontaktzone von Mitteleuropa bis zum Südbalkan weiterhin als eine Art betrachtet werden.

Dr. Jens Lorenz Franzen († 21.11.2018), Dr. Krister Smith und Dr. Jörg Habersetzer gehen in ihrem Artikel „Krokodil gegen Urpferd“ mit kriminalistischem Spürsinn dem Tod eines Urpferdchens vor 48 Millionen Jahren am Messel-See nach. Schritt für Schritt rekonstruieren die Autoren, wie die Urpferdstute vermutlich in spätvulkanischen Giftgasen das Bewusstsein verlor und von einem Krokodil an den Unterschenkeln unter Wasser gezogen wurde. Die Suche nach Indizien zur Lösung des dramatischen Todesfalls, der sich vor Millionen von Jahren abspielte, fesselte auch die knapp 7.000 Mitglieder und Abonnent*innen des Senckenberg-Wissenschaftsmagazins: Sie wählten bei einer Umfrage den Beitrag als Siegerartikel aus.

Der Hanns-Christian-Schroeder-Hohenwarth-Preis wurde 2001 von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung zu Ehren des langjährigen Präsidenten und Ehrenpräsidenten Dr. Hanns Christian Schroeder-Hohenwarth eingeführt. Der Sieger-Artikel des mit 1.500 Euro dotierten Preises wird jährlich durch eine Umfrage unter den Mitgliedern der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung ermittelt. Der Wolfgang-Strutz-Promotionspreis wird für hervorragende Dissertationen aus den Bereichen Biologie, Paläonto- logie oder Geologie vergeben, die einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der Bio- bzw. Geodiversität, ihrer Entstehung und ihres Wandels geleistet haben. Voraussetzung ist, dass die Arbeiten auf der Basis senckenbergischen Sammlungsmaterials oder an beziehungsweise in Kooperation mit einem der Senckenberg-Institute entstanden sind. Der Promotionspreis ist mit 10.000 Euro dotiert.