Amazonas

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Fluss-Unterbrechung

Wasserkraftdämme schaden der Biodiversität und tragen wenig zum Klimaschutz bei

Ein internationales Forscher*innen-Team, unter ihnen Senckenberg-Generaldirektor Klement Tockner, hat die weltweite Beeinträchtigung von Flüssen durch geplante Staudämme dokumentiert. Sie kommen zu dem Schluss, dass Fließgewässer von insgesamt mehr als 260.000 Kilometern Länge durch zukünftige Staudämme nicht mehr frei fließen könnten – mit massiven Auswirkungen auf die einzigartige biologische Vielfalt und die vielfältigen Leistungen dieser Gewässer. Gleichzeitig zeigen die Wissenschaftler*innen, dass die geplanten Staudämme weniger als zwei Prozent der erneuerbaren Energie erzeugen, die bis 2050 nötig wäre, um den globalen Temperaturanstieg unter 1,5 Grad Celsius zu halten. Die Studie erscheint im Fachjournal „Global Sustainability“.

Staudämme und Stauseen tragen maßgeblich dazu bei, dass Bäche und Flüsse nicht mehr frei fließen dürfen – mit dem Ziel der Energiegewinnung oder der Regulierung des Flusslaufes. „In unserer neuen Studie zeigen wir, dass weltweit Flüsse mit einer Gesamtlänge von 260.000 Kilometern durch den Bau von neuen Wasserkraftwerken beeinträchtigt würden – das entspricht in etwa der Länge einer sechsfachen Erdumrundung. Diese Flüsse würden in Folge der Staudämme ihren Status als ‚frei fließend‘ verlieren“, erklärt Gewässerökologe Prof. Dr. Klement Tockner.

Auch die weltweit größten Flüsse wie der Amazonas oder der Kongo gehören zu denen, die durch den Ausbau der Wasserkraft unterbrochen und gefährdet würden. Das Forscher*innen-Team plädiert – auch im Hinblick auf die Weltnaturschutzkonferenz im Oktober diesen Jahres – daher an die Entscheidungsträger*innen, eine sorgfältige Abwägung zwischen einem weiteren Ausbau der Wasserkraft und der Erhaltung von intakten Gewässern zu treffen.
„Wir können es uns nicht leisten, die Bedeutung von Flüssen, den Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt getrennt zu betrachten“, sagt Michele Thieme, Hauptautorin der Studie vom World Wildlife Fund (WWF) und fährt fort: „Flüsse sind zentral, um Wildtiere und intakte Ökosysteme zu bewahren – insbesondere in einem sich erwärmenden Klima. Ihre Fähigkeit vielfältiges Leben zu erhalten wird aber in vielen Teilen der Welt durch Staudämme bedroht. Die überzeugendsten politischen Lösungen werden diejenigen sein, die den Bedarf an erneuerbarer Energie mit den vielfältigen Vorteilen intakter Süßwasserökosysteme in Einklang bringen.“

Die Forscher*innen zeigen, dass alle geplanten Staudämme zusammen weniger als zwei Prozent der erneuerbaren Energie erzeugen würden, die bis 2050 benötigt wird, um den globalen Temperaturanstieg unter 1,5 Grad Celsius zu halten. „Ein verschwindend kleiner Beitrag, wenn man ihn mit den potenziell verheerenden Folgen für die derzeit verbleibenden, frei fließenden Flüsse sowie die Menschen und Arten, die von diesen abhängen, vergleicht“, warnt Tockner und ergänzt: „Wasserkraft ist zwar eine erneuerbare, aber keine klimaneutrale oder gar umweltschonende Energiequelle.“

In ihrer Studie erarbeitete das internationale Team wissensbasierte, politisch-relevante Lösungen, um sowohl die Klima- und Energieziele zu erreichen, als auch die Erhaltung frei fließender Flüsse und deren Nutzen für Mensch und Natur zu sichern. Dabei schlagen sie vier Strategien vor, die in der Studie jeweils mit Beispielen unterfüttert werden: Erstens eine Vermeidung der Fragmentierung von Flüssen durch einen offiziellen Schutzstatus oder durch die Entwicklung alternativer Energieerzeugung, beispielsweise durch Wind und Sonne. Zweitens empfehlen sie die Minimierung der Auswirkungen von Wasserkraftanlagen auf die Flüsse durch eine gezielte Auswahl von Standorten mit möglichst geringen Auswirkungen auf Mensch und Natur. Als Drittes schlagen die Forschenden die Renaturierung der Flüsse durch einen Rückbau von Staudämmen vor und viertens plädieren sie für einen Ausgleich der negativen Auswirkungen von Staudämmen. Wenn ein Fluss durch einen Damm beeinträchtigt wird, soll dafür ein anderes Fließgewässer geschützt werden, um sicherzustellen, dass ähnliche ökologische Werte und Leistungen in einer Region erhalten bleiben.

„Wir müssen verhindern, dass Gewässer die größten Verlierer des Pariser Abkommens werden. Erneuerbare Energie kann nicht mit umweltfreundlicher und klimaneutraler Energie gleichgesetzt werden. Klima- und Biodiversitätsschutz dürfen nicht isoliert betrachtet werden; beide Herausforderungen müssen gemeinsam bewältigt werden, weil sonst klimaschonende Maßnahmen massive, umweltschädigende Folgen haben können“, schließt Tockner.