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Kostbares Wasser im Untergrund
Weltwassertag 2022
Am 22. März 2022 ist Weltwassertag! Das diesjährige Thema “Grundwasser: Das Unsichtbare sichtbar machen” rückt unsere Grundwasserressourcen und die Probleme und Bedrohungen, denen sie ausgesetzt sind, ins Rampenlicht. Wir möchten die Gelegenheit nutzen, um auf ein wichtiges Thema hinzuweisen, das in der Diskussion um die Überförderung von Grundwasser und deren Folgen oft vergessen wird oder eine untergeordnete Rolle spielt: die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt im Untergrund.
Der Weltbiodiversitätsrat IPBES hat in seinem Global Assessment Report 2019 einige Fakten über Gewässer zusammengetragen. Demnach gelangen mehr als 80 Prozent des globalen Abwassers unbehandelt in die Umwelt; 300 bis 400 Millionen Tonnen Schwermetalle, Lösungsmittel, toxische Substanzen und andere Abfälle aus der Industrie werden jedes Jahr in die Gewässer eingeleitet. Als wäre dies nicht schon schlimm genug, sinkt gleichzeitig – und das ist einer der Haupttrends der Studie – die Fähigkeit der Ökosysteme, die Wasserqualität zu regulieren. Senckenberg Forscher*innen beschäftigen sich seit vielen Jahren intensiv mit der Fließgewässerökologie, den Ursachen des Biodiversitätsverlustes in Fließgewässern, der Entwicklung von Lösungsstrategien und der Ableitung geeigneter Renaturierungsmaßnahmen. Hinsichtlich des Weltwassertags 2022, bietet Ihnen diese Themenseite einen Überblick über verschiedene Interviews, Artikel, Pressemitteilungen und Studien, welche sich mit den Herausforderungen der schwindenden Grundwasserressourcen beschäftigt.
Forschungsprojekt zur Artenvielfalt der Western Ghats
In einem gemeinsamen deutsch-indischen Projekt der Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden (Dr. Ralf Britz), der Kerala University of Fisheries and Ocean Studies (Prof. Rajeev Raghavan) in Kochi und der Shiv Nadar University, Delhi (Prof. Neelesh Dahanukar), haben wir uns mit der außergewöhnlichen Fischvielfalt in den Aquiferen der wasserführenden Lateritgesteinen an der Küste der Western Ghats beschäftigt. Das Grundwasser in diesem Gebiet wird nicht nur intensiv für die Landwirtschaft, sondern auch durch Hausbrunnen entnommen, von denen es allein in den südlichen Western Ghats mehr als 6,5 Millionen gibt. Die mit wasserführenden Lateritgesteinen verbundene Fischfauna ist weltweit einzigartig und umfasst uralte Linien, von denen sich einige bis in die Kreidezeit vor dem Auseinanderbrechen des Superkontinents Gondwana zurückverfolgen lassen. Die derzeit bekannten neun Arten aus fünf Familien sind nur wenig erforscht, aber durch den menschlichen Einfluss auf ihren unterirdischen Lebensraum bedroht. Unser Projekt hat das Ziel, diese außergewöhnliche Fauna im Detail zu untersuchen, ihre morphologische und genetische Vielfalt, ihre Verbreitung, ihre Ökologie und ihre Bedrohungen. Mit Hilfe von Citizen-Science-Projekten wollen wir die Öffentlichkeit über die biologischen Schätze unter ihren Füßen informieren und so Konflikte oder Interaktionen zwischen Mensch und Fisch verringern. Wir hoffen, dass all dies dazu beiträgt, diesen weltweit wichtigen Grundwasserlebensraum langfristig zu erhalten, was auch uns Menschen zugute kommt.
Die Breitenbach Studie
Der osthessische Breitenbach gehört zu den am besten untersuchten Fließgewässern der Welt, da es sich hier um ein weitgehend unberührtes Gewässer, welches durch das große Naturschutzgebiet „Breitenbachtal bei Michelsrombach“ fließt, handelt. Seine hohe Wasserqualität hat Wissenschaftler*innen auf den Plan gerufen, die hier seit 1969 regelmäßig – und zwar fast täglich – ihre Untersuchungen durchführen. Sie interessierten sich besonders für Wasserinsekten, maßgeblich Eintags-, Stein- und Köcherfliegen. Darüber hinaus erhoben sie weitere Parameter wie etwa Wassertemperatur und Abflussmenge. Es ist ein absoluter Ausnahmefall in der Wissenschaft, Daten mit solcher Detailgenauigkeit über einen so langen Zeitraum zu sammeln. Diese umfangreichen Daten wurden kürzlich von Wissenschaftler*innen am Senckenberg-Standort Gelnhausen analysiert und führten zu erstaunlichen Erkenntnissen über mögliche Änderungen der Insektenfauna. Klimaveränderungen können beispielsweise vielerlei Effekte auslösen – wodurch Arten, die mit wärmeren Temperaturen besser zurechtkommen, profitieren, andere jedoch beeinträchtigt werden. Die obige Abbildung zeigt stark schwankende Wassertemperaturen, die jedoch innerhalb von 42 Jahren von 7,3 auf 9,2 Grad Celsius anstiegen. Dies entspricht einer Veränderung von 1,9 Grad Celsius über den gesamten Zeitraum beziehungsweise einem durchschnittlichen jährlichen Anstieg von 0,044 Grad Celsius. Mit den Temperaturen änderte sich nicht nur das jahreszeitliche Auftreten der Wasserinsekten, denn es zeigte sich auch ein Abfall der Anzahl der Wasserinsektenindividuen um 81,6 Prozent oder 1,94 Prozent pro Jahr. Der Klimawandel hat demnach bereits zu deutlichen Veränderungen in der Wasserinsektenfauna geführt und ist nicht nur ein Problem der Zukunft, sondern bereits Realität. Besonders in den letzten Jahren ist durch Studien wie die langjährige Breitenbach Studie, aber auch eine Reihe weiterer, die hohe Bedeutung einer systemischen Langzweitforschung, wie sie bei Senckenberg betrieben wird, deutlich geworden.
Flüsse ohne Wasser
Flüsse sind die Lebensadern unserer Landschaften. Als Teil des Wasserkreislaufs der Erde sind sie bedeutender Lebensraum, Transportweg, Energielieferant, Wirtschaftsfaktor, Naturerlebnis und Sehnsuchtsort. Fließgewässer zählen zu den dynamischsten und vielfältigsten Lebensräumen weltweit, vergleichbar mit Korallenriffen und tropischen Regenwäldern. Doch ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten aus Fließgewässern sind gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits für immer verschwunden. Warum Flüsse und ihre Artenvielfalt so wichtig für uns Menschen sind, wie sich die Trockenheit auf die Trinkwasserqualität und den globalen Kohlenstoffhaushalt auswirkt, warum die Binnengewässer zu den am stärksten gefährdeten Lebensräumen weltweit zählen und welche Schritte zu deren Schutz erforderlich sind, erläuterte Prof. Dr. Klement Tockner, Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, im Digital Talk „Flüsse ohne Wasser“ des Förderverein Senckenberg am 27.5.2021.
92% aller Flüsse und Seen in Deutschland sind in einem beklagenswerten Zustand.
35 % gelten als „erheblich verändert“ und 15 Prozent gar als „künstlich“.
Der chemische Zustand gilt in ganz Deutschland als „nicht gut“.
Spezialausgabe Online-Magazin zum Thema Flüsse
Unser Wissenschaftsmagazin Natur • Forschung • Museum (NFM) erscheint viermal jährlich, mit spannenden Artikeln aus der modernen Naturforschung. Es sind Geschichten aus dem Alltag der Forscher*innen, über ihre Erkenntnisse – und wie sie zu ihnen kamen. Darüber hinaus informiert NFM über Aktivitäten/Veranstaltungen aus den Senckenberg-Forschungsinstituten und Naturmuseen. Diese neueste Spezialausgabe des Online-Magazins gilt der Frage: Wie steht es um die Flüsse auf unserer Erde? Sie präsentiert aktuelle Forschung zu Themen wie die der Renaturierung von Flüssen, sowie dem Sterben der Wasserinsekten ausgehend von dem langjährigen Monitoring Projekt der Breitenbach-Studie und der neuen Wanderausstellung des Senckenberg-Museums in Görlitz zum „Abenteuer Neiße“.
Dauerausstellung Flüsse
Das Naturmuseum Frankfurt zeigt mit der Unterstützung der Mainova AG die Dauerausstellung „Flüsse“. Am Beispiel der Nidda werden der Zusammenhang zwischen Geologie und Wasser, die Artenvielfalt am Fluss und der Wasserkreislauf der Region anschaulich erklärt. Hierfür wurden außergewöhnliche, multimediale Exponate konzipiert. Im abgebildeten begehbaren Wassertropfen schrumpfen Besucher*innen auf die Größe eines Sandkornes und betreten eine Lebenswelt, die sonst nur unter dem Mikroskop zu sehen ist. Winzige Organismen in Überlebensgröße schwimmen hier umher – zart, manchmal durchscheinend und von überraschender Formenvielfalt und Ästhetik. An weiteren Mitmachstationen gibt es erstaunliche Fakten über die Geologie des Wassers und die Tier- und Pflanzenwelt an der Nidda zu entdecken. So sind unter anderem der seltene Eisvogel und der scheue Mink – eine aus Amerika eingewanderte Nerz-Art – in der Ausstellung aus der Nähe zu sehen. Zudem untersucht die Ausstellung die Bedeutung einzelner Einflussfaktoren für die Artengemeinschaften der Gewässer. Die Forschung ermöglicht Hinweise darauf, welche Maßnahmen zukünftig zu einer effektiven Verbesserung unserer Flüsse beitragen können.
Senckenberg Podcast „Erdfrequenz“
„Erdfrequenz“, der neue Podcast der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, informiert über unser System Erde in all seinen Facetten: Von den Tiefen der Meere bis in den Himalaya, von der Zeit der Dinosaurier bis zu Modellierungen für die Zukunft, von heimischen Wölfen und exotischen Spinnen, vom Verlust der Arten und dem globalen Klimawandel. Monatlich informieren Forscher*innen aus unterschiedlichen Disziplinen unterhaltsam, aber dennoch mit thematischer Tiefe von abenteuerlichen Expeditionen und erläutern anschaulichen mit welchen Instrumenten und Methoden sie zu ihren Forschungsergebnissen kommen. In der ersten Folge spricht Prof. Dr. Klement Tockner, Gewässerökologe und Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, über die Forschung im Anthropozän, dem Zeitalter des Menschen. Das Zeitalter des Menschen bedeutet momentan wenig Gutes für unseren Planeten: Der Klimawandel macht sich immer mehr bemerkbar, die Artenvielfalt ist zunehmend bedroht. Diese Phänomene könnten in der Zukunft erschreckende Konsequenzen haben. In ähnlicher Weise widmet sich Dr. Andrea Sundermann, Sektionsleiterin Flussökosystemmanagement, in der neuesten Podcast-Folge der Frage: Gibt es noch Hoffnung für die Flüsse? Wie können wir Flüsse mit Renaturierungen wieder gesünder machen? Warum sind selbst die kleinsten Lebewesen in Gewässern ungemein wichtig für den natürlichen Kreislauf und wie kann jede Person dazu beitragen, dass weniger Schadstoffe in den Flüssen landen? Hören Sie beide Folgen des Senckenberg Podcasts direkt hier oder überall wo es Podcasts gibt.
Folge 1: Forschung im Anthropozän mit Prof. Dr. Klement Tockner
Folge 7: Gibt es noch Hoffnung für die Flüsse? mit Dr. Andrea Sundermann
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