Kalmar
Der Leuchtkalmar Watasenia scintillans aus dem Nordwest­ pazifik kommt bis 600 m Wassertiefe vor.

Die Museumsmacher im Hintergrund


Sie arbeiten ganz im Stillen hinter den Kulissen und fertigen Exponate, die das Herz des Publikums höherschlagen lassen. Was wäre ein Naturkundemuseum ohne Präparate und Modelle – und ohne seine Präparator*innen?

Bis zur Eröffnung der Ausstellungsbereiche Tiefsee und Meeresforschung dauert es noch, aber die Vorbereitungen laufen weiter auf Hochtouren. Im letzten Heft nahmen wir Sie mit auf eine Führung durch die neuen Räumlichkeiten, damals noch in der Bauphase. Begleiten Sie uns dieses Mal in das Reich der Präparator*innen – Senckenberg verfügt nämlich über eine eigene Präparationswerkstatt, in der viele der beeindruckenden Ausstellungsstücke entstehen.

Das Unsichtbare sichtbar machen!

Das haben sich die Präparator*innen Udo Becker, Anna Frenkel und Miriam Fuhrich zum Ziel gesetzt. „Getreu der Senckenberg-Ausstellungsphilosophie sind die Räume Tiefsee und Meeresforschung ‚vom Objekt ausgehend‘ konzipiert worden“, so Projektleiter Dr. Thorolf Müller. „Zum einen gibt es beeindruckende Originalpräparate, meist in Alkohol konservierte Organismen, die während Schiffsexpeditionen aus den Tiefen der Ozeane heraufgeholt und zur Aufbewahrung in Glasgefäße überführt wurden. Doch die wahren Publikumsmagneten – das zeigt unsere Erfahrung immer wieder – sind die lebensechten Präparate und Modelle aus der Hand unserer Präparatorinnen und Präparatoren.“ Einige davon stellen wir nun vor.

Schwarzangler
Stand der Dinge bei der Präparation des Anglerfisches Ceratias holboelli. Die charakteristi­sche Angel kommt ganz zum Schluss.

Biolumineszenz – es werde Licht!

Das Medium Licht wird in der Tiefseeausstellung möglichst sparsam eingesetzt. Es soll die Besucher*innen leiten, ihnen Orientierung im Raum bieten, sie aber auch anziehen – wie das bei den Lebewesen in der Tiefsee der Fall ist. In der ewigen Finsternis unterhalb von 1000 Metern Wassertiefe nutzen viele Organismen Licht als Werkzeug, meist selbst erzeugtes. Neue Erkenntnisse zeigen, dass 80 bis 90 Prozent aller vagilen und ein geringerer Anteil der sessilen Tiefseeorganismen Leuchtorgane besitzen. Dem Thema Biolumineszenz haben wir ein eigenes Kabinett gewidmet, in dem sich die Tiere per Knopfdruck einschalten lassen. Zu sehen gibt es zum Beispiel das Modell der Alarmqualle mit ihrem blaulichtartigen Leuchteinsatz, grün blitzende Schlangensterne, die kalt-blau strahlende Angel des Fußballfisches und das pulsierende Leuchten der Seelilie.

Die Weibchen sind 10 bis 20 Mal größer als die Männchen

Neu mit an Bord ist Miriam Fuhrich. Direkt nach ihrer Ausbildung an der Senckenberg-Schule kam sie als Technische Assistentin ins Team. Es sind die vielen Facetten der Präparation, die sie begeistern. „Eigentlich gibt es immer wieder Neues zu tun. Zu unseren Aufgaben zählt beispielsweise die Betreuung der Sammlungen sowie die Restaurierung und Erhaltung historischer Präparate.“ Auch über ihren Anglerfisch gerät sie ins Schwärmen. „Tiefsee-Anglerfische zeigen einen extremen Sexualdimorphismus. Die Männchen erreichen oft gerade einmal 5 bis 10 Prozent der Größe des Weibchens – das Zwergmännchen meines Modells misst zum Beispiel 8 Zentimeter, das Weibchen 58 Zentimeter.“ Ihm fehlt aktuell noch die charakteristische „Angel“, der ein „Leuchtköder“ anhängt. Das Männchen ist an der Bauchseite des Weibchens fest verwachsen und teilt sich sowohl die Haut als auch den Blutkreislauf mit diesem.

Wie der Fisch aussehen muss, weiß sie aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Es gibt keine Lebendaufnahme, nur Zeichnungen und Fotos frisch gefangener Tiere. Eine Geduldsprobe erwartet sie noch beim Finish der Körperoberfläche, die mit feinen Stacheln besetzt ist. Bis das Exponat fertig ist, wird sie wohl insgesamt drei Monate daran gearbeitet haben.

Rippenqualle
Die Seestachelbeere Pleurobrachia pileus gehört zu den Rippenquallen. Was man hier nicht sehen kann: Die Tentakel des Modells sind 25–30 cm lang.

Fingerspitzengefühl, Erfindungsgeist und viel Geduld

Angefangen hat alles mit einem Taucher – eine umfunktionierte Schaufensterpuppe, den Anna Frenkel vorbereitet hat. Sie modellierte ein richtiges Gesicht, Hände, steckte den fertigen Körper in einen Neoprenanzug und Flossen, und nun wartet er darauf, endlich den Museumsbesucher*innen entgegenpaddeln zu können.

Derzeit arbeitet sie an einer Seestachelbeere in Originalgröße mit relativ kleinem durchsichtigen kugeligen Körper von rund drei Zentimetern Durchmesser, filigranen 20 bis 30 Zentimeter langen Tentakeln, die in natura mitunter mehr als doppelt so lang ausfallen können und mit denen sie Plankton aus dem Wasser fischt. „Sie sind komplett durch- sichtig, sehen aus wie aus wie Glas, farbloses Glas. Einzig die Längsrippen des Körpers sind bunt, regenbogenfarben und haben eine ‚holografische Oberfläche‘. Mit dieser Glaskugel hatte ich ziemlich zu kämpfen“, sagt die Präparatorin. „Zunächst hatte ich die Negativform komplett ausgegossen, doch wenn man hindurchsah, erschien alles vergrößert. Deshalb versuchte ich es mit einem Hohlguss. Ich trug sparsam Harz in die Form, drehte ununterbrochen, bis es endlich ausgehärtet war. Das dauerte je nach Material zwischen vier und sieben Stunden, aber es hat schließlich geklappt.“ Doch bevor sie die Hohlform für den Korpus schloss, war das Innenleben des Tieres, ebenfalls zuvor aus Harz gefertigt, einzusetzen – quasi alles aus einem Guss.

Glaskopffisch
Macropinna microstoma. „Große Flossen – kleiner Mund“. Ausgewachsene Exemplare dieses Glaskopffisches erreichen bis 16 cm Länge.

Nach Fakten fischen – ein Film bringt Licht ins Dunkel

Wissenschaftlich exakt und naturgetreu, das ist die Devise von Udo Becker, der seit 1985 als Zoologischer Präparator bei Senckenberg arbeitet und sich den Glaskopffisch Macropinna microstoma vorgenommen hat. Mit dem Tier hat es Folgendes auf sich: „Bekannt ist die Art in der Wissenschaft schon seit 1939, als Wilbert McLeod Chapman ihre Larven beschrieb. Ausgewachsene Exemplare hat man erst vor zehn Jahren entdeckt und gefilmt. Große Überraschung: Das Tier trägt eine ‚Glashaube‘, die sich über seine grünlichen zylinderförmigen Augen wölbt. Barrel eyes! Die sind etwas Besonderes. Der Fisch kann sie rotieren lassen und auf das ausrichten, was ihn gerade interessiert – oder worauf er Appetit hat. Das nur eineinhalb Minuten lange Filmchen ist unglaublich faszinierend“, schwärmt der Präparator. Daraus hat er die wesentlichen Informationen zum Aussehen des Tieres gewonnen, obwohl die unter Glashaube liegenden halbtranspenten, transluzenten Partien nur schwierig zu erfassen waren – was ebenso für die Beschuppung gilt. Fünf Monate Nettoarbeitszeit inklusive Recherchen stecken im Modell. Dazu Udo Becker: „Die Stücke sind eben Unikate, keine Serienfertigung.“ Und worauf solle man zuerst schauen? „Auf die Haube und was darunterliegt. Wo ist die Nase, wo sind die Augen? Viele werden die Nasenöffnungen zunächst für die Augen halten.“

An der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit

Es ist ein Traumberuf, da sind sich die drei Präparator*innen einig. Für ein naturkundliches Museum mit umfangreichen wissenschaftlichen Sammlungen und mit direkter Anbindung an die Forschung tätig zu sein, mit den eigenen Händen zu arbeiten, Präparate für Ausstellungen herzustellen, die viele Tausend Menschen sehen werden – das ist schon etwas Besonderes!

Der Autor

Thorsten Wenzel studierte Forstwissenschaften an der Universität Freiburg. Im Anschluss ging er in die Forschung und widmete sich der Monetarisierung von Ökosystemleistungen des Waldes. 2004 kam er zu Senckenberg und wurde 2007 als Wissenschaftsredakteur mit der Leitung des Senckenberg-Magazins betraut. Seit 2010 ist er im Stab Kommunikation tätig und hier für die populärwissenschaftlichen Publikationen verantwortlich.