Über den Tod hinaus – Entdeckung und Präparation eines Fossils aus der Grube Messel
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Über den Tod hinaus – Entdeckung und Präparation eines Fossils aus der Grube Messel
Bruno Behr berichtet über die Fundsituation und Präparation eines außergewöhnlichen Fundes in der Grube Messel.
Über die Jahre hört man sich sehr gut ein und erkennt gleich, ob es sich bei so einem Ausspruch um einen der vielen „Standardfunde“ handelt oder doch etwas anderes zum zweiten Mal ans Tageslicht zurückgekehrt ist.
So auch in diesem Fall.
Alarmiert stand ich gleich auf, um der Sache auf den Grund zu gehen, als mir auch schon eben jener mit einem stolzen Grinsen, den Fund entgegenhielt (Abb. 1).
Tja, da war wohl (fast) alles dran.
Selbst ein hervorragend erhaltener Hautschatten war deutlich zu erkennen (Abb. 2).
Doch wo ein „Vorne“ da auch in der Regel ein „Hinten“!
Nur, wo war es?
Wie man sehen kann, wurde das Fossil beim Abbau geteilt. So etwas passiert beim Grobabbau immer wieder und die Suche nach der zweiten Hälfte konnte beginnen. Durch den Abbau in Blöcken konnte man sehr leicht nachvollziehen, wo genau die Ölschieferplatten abgebaut wurden. Trotzdem war die Suche nach dem Anschlussstück, das im anstehenden Gestein zu finden sein musste, mühsam.
Unter Beobachtung des neugierigen Teams, ausgerüstet mit viel Hoffnung, einer feinen Zahnbürste, Pinsel, Lupe und einer Sprühflasche machte ich mich auf die Suche nach einem sehr alten Hinterteil.
Entlang der Abbaukante buckelte ich mich mühevoll kniend durch die feinen Ablagerungen um einen kleinen dünnen Knochen, noch dazu im Querschnitt, zu finden. Obwohl nur ein bestimmter Abbaubereich abzusuchen war, kam mir die Suche nach dem Anschlussstück vor, als würde ich eine Nadel im Heuhaufen aufspüren müssen. Aber aufgeben stand nicht zur Diskussion und am Ende hat sich Beharrlichkeit und scheinbar unendliche Geduld doch noch ausgezahlt!
Ich fand die entscheidende Stelle (Abb. 3), sehr zur großen Freude des gesamten Teams, und die Blockbergung der vermissten zweiten Hälfte konnte ohne größeren Aufwand erfolgreich zum Abschluß gebracht werden.
Der Reiz, gleich am nächsten Morgen mit der Präparation zu beginnen war sehr hoch, aber die wurde auf die Zeit nach der Grabungssaison verschoben. Hingegen mussten meine französischen Grabungshelfer nicht länger auf die Erklärung warten, was sie denn da nun gefunden hatten.
Es handelte sich bei unserem Fossilfund um ein Macrocranion (Igelverwandten), das schon mit zahlreichen Skeletten in der senckenbergischen Messel-Sammlung vertreten ist. Aber auch dieser ergänzende Neufund ist ein wissenschaftlicher Schatz der nicht weniger bedeutsam ist. Wer weiß, mit welchen Erkenntnissen er das bestehende Wissen erweitern kann / wird?
Aber um an dieses Wissen zu gelangen, musste erst die mitunter aufwendige und sich über Wochen erstreckende Präparation erfolgen.
Präparation
Um eine genauere Vorstellung der tatsächlichen Größe des Tieres zu bekommen, setzte ich die beiden Platten unter Laborbedingungen zusammen (Abb. 4).
Im Streiflicht waren auf der Anschlußplatte deutlich die verräterischen Aufwölbungen des Beckens und der Hinterbeine zu erkennen, sowie der leicht gebogene knotig anmutende Verlauf des Schwanzes.
Falls dort die Erhaltung des Skelettes auch so gut war wie sie auf der bereits aufgespaltenen Seite zu erkennen war – vielleicht auch mit einem umlaufenden Hautschatten –, dann würde das zu erzielende Ergebnis sicher sehr gut aussehen.
Die anschließende, mit einem Binokular sich über mehrere Tage und unter Benutzung einer reichlichen Auswahl unterschiedlicher Nadeln hinziehende Präparation, entlockte dem Gestein nach und nach immer mehr Details.
Unter anderem die beiden Vorderläufe, das Becken mit den Hinterläufen und den langen vollständigen Schwanz, die im Bild gut zu erkennen sind (Abb. 5).
Nach dem Freilegen auf Ölschiefer begann das aufwendige Einebnen, damit das Fossil im Muttergestein auf einer Ebene lag.
Dazu wurde an den Stellen, wo der Ölschiefer etwas dicker war, das Material erst mit einem Skalpell „grob“ abgetragen (Abb. 6).
Ist die finale Fläche erreicht, werden letzte Unebenheiten mit einem Schwämmchen „beigeschliffen“ (Abb. 7).
Jetzt ist ein wichtiger Moment gekommen: es ist das letzte Mal, dass man Zugriff auf die freigelegte Körperhälfte hat. In enger Zusammenarbeit mit den Forschern werden noch Strecken vermessen und Fotos gemacht, und manchmal auch diverse Proben genommen. Das gilt übrigens für alle Fossilien mit dieser Art Erhaltung.
Diese Proben können, bedingt durch das Aufspalten, lose Zähne, Knochen aber auch Magen-Darminhaltsproben sein. Jeder Eingriff wird mit einer Übersichts – oder Detailaufnahme dokumentiert und sofern bei Säugern oder Amphibien vorhanden, der Verlauf des Hautschattens oder bei Vögeln die Federerhaltung. Denn es gibt keine Garantie, ob sich dieser auch auf den neuen Kunstharzträger überträgt.
Falls nicht, wäre der Nachweis wenigstens auf einem Foto festgehalten.
Das Eingießen
Das Fossil ist nun bereit um auf Kunstharz umgebettet zu werden.
Nachdem mit Ton Fehlstellen an der Ölschieferplatte angeglichen und sauber beigespachtelt wurden, werden noch schmale Wände aus Ton gesetzt (Abb. 8).
In dieser so entstandenen Form wird nun das gut durchmischte Kunstharz in mehreren dünnen Schichten aufgegossen (Abb. 9).
Entformen und weiteres Freilegen
Ist die letzte Schicht ausgehärtet, wird der Rahmen entfernt, das Stück entformt, und das Freilegen der anderen Seite kann beginnen.
Dafür löste ich zunächst das das Fossil umgebende, nicht mehr benötigte Gestein ab und begann dann vorsichtig mit der langwierigen Prozedur des endgültigen Freilegens (Abb. 10).
Auch hier, genau wie vorher, von „grob“ zu „fein“ (Abb. 11).
Finale
Ich denke, das erreichte Resultat spricht für sich und kann sich durchaus sehen lassen.
Es bereichert nun die bestehende Senckenberg Messel-Sammlung nicht nur um ein wissenschaftlich interessantes, sondern auch um ein optisch sehr gefälliges neues Präparat (Abb. 12; 13).
Und so dürfte das Tierchen ausgesehen haben, als es noch lebte (Abb. 14).
Autor
Bruno Behr
Bruno Behr ist seit 1993 Präparator im Messel-Team bei Senckenberg und seit 1997 Grabungsstellenleiter in der Grube Messel. Seine Spezialität ist die Transfer-Präparation von Wirbeltierfossilien aus Ölschiefer auf Epoxidharz. Neben Messel schlägt sein Herz für die Fotografie.