Die chilenische Stachelschnecke
Concholepas concholepas wurde zum „Internationalen Weichtier des  Jahres 2023“ gewählt. Während sie als Delikatesse gehandelt wird, sind ihre genomischen Informationen für die pharmazeutische Forschung interessant.

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A Star is born - die chilenische Stachelschnecke

Sie ist eine große, fleischfressende Meeresschnecke mit einem robusten Gehäuse – und das „Internationale Weichtier des Jahres 2023“! Die chilenische Stachelschnecke Concholepas concholepas erhielt bei der öffentlichen Online-Abstimmung die meisten Stimmen. Zuvor hatte sie sich gemeinsam mit vier weiteren Weichtier-Arten als Finalistin des internationalen Wettbewerbs durchgesetzt. Dieser ging in diesem Jahr in seine dritte Runde, nachdem er 2020 von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, dem LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG) und der internationalen Gesellschaft für Molluskenforschung (Unitas Malacologica) initiiert wurde, um die enorme Artenvielfalt der Weichtiere bekannter zu machen und für ihren Schutz zu sensibilisieren. 
Sowohl die große Bedeutung in ihren Heimatregionen Chile und Peru als auch ihre besonderen Eigenschaften machen die chilenische Stachelschnecke in diesem Jahr zum Publikumsliebling – mit rund 42 Prozent der Stimmen zog sie an einer weiteren Meeresschnecke, einer Tiefsee-Auster und zwei Nacktschnecken-Arten vorbei.
 
Concholepas concholepas zählt zu den Felsenschnecken und ist im südöstlichen Pazifik zu finden; ausgewachsene Exemplare können eine Schalenlänge von etwa 15 Zentimetern erreichen. Als Fleischfresser nimmt sie die Rolle einer Schlüsselart ein, die das Vorkommen anderer Arten kontrolliert. In ihrer Heimat als „Loco“ (ein Lehnwort des Mapuche-Volkes in Chile) bekannt, kommt der Schnecke mit dem großen Fuß und ihrem widerstandsfähigen Gehäuse eine große kulturelle, soziale, wirtschaftliche, evolutionäre und ökologische Bedeutung zu. Doch ihre Bestände sind aufgrund von starker Überfischung gefährdet, denn die sogenannte „chilenische Abalone“, die äußerlich der Meeresschnecke Seeohr („Abalone“) ähnelt, wird weltweit als Delikatesse gehandelt. Auch verschmutze Küstengebiete bedrohen die Art. 
Concholepas concholepas wurde von Prof. Antonio Baeza für den Titel „Internationales Weichtier des Jahres 2023“ nominiert. Er forscht am Fachbereich Biowissenschaften der Clemson University in South Carolina, USA, zu Artenvielfalt, Evolution und Erhaltung mariner Organismen. Als Gewinner-Art des Wettbewerbs erhält die Meeresschnecke eine vollständige Sequenzierung ihres Genoms durch das LOEWE-Zentrum TBG. „Mit der Stachelschnecke Concholepas concholepas wurde ein Weichtier ausgewählt, dessen Erforschung in mehrfacher Hinsicht interessant ist. Zum einen muss sich die Art an widrige Umstände wie Ausbeutung und Meeresverschmutzung anpassen. Darüber hinaus zeigt ein Bestandteil ihres Blutes, der Sauerstofftransporter Hämocyanin, eine immuntherapeutische Wirkung gegen einige Krebsarten“, erklärt Jurymitglied Dr. Carola Greve, Laborleiterin am LOEWE-Zentrum TBG. „Die genomische Analyse kann also nicht nur dazu beitragen, Anpassungsstrategien und verschiedene Populationen in dem großen Verbreitungsgebiet zu erforschen, sondern kann auch zur Entdeckung von neuen Molekülen mit pharmazeutischer Bedeutung führen.“ 
Obwohl die Weichtiere nach den Gliederfüßern den zweitgrößten Tierstamm bilden, wurde bisher nur von wenigen Mollusken-Arten das Genom vollständig sequenziert. Entsprechend wenig ist über die genomischen Grundlagen für die Vielfalt der Arten, deren Anpassungsfähigkeiten oder die von ihnen produzierten Naturstoffe bekannt.

Nach dem Aufruf an Wissenschaftler*innen und Laien, interessante Weichtiere zu nominieren, wählte die Wettbewerbsjury aus den eingegangenen Vorschlägen unter Berücksichtigung fachlicher Aspekte fünf Arten aus. Anschließend konnten alle Interessierten vom 1. bis zum 19. März 2023 online ihre Stimme für eine der fünf Finalisten-Arten abgeben.

Von den insgesamt 4.309 eingegangenen Stimmen aus aller Welt erhielt die chilenische Stachelschnecke mit großem Vorsprung die meisten – sie wurde 1.798-mal gewählt. Ihr folgt auf dem zweiten Platz die Gepunktete Papierblasenschnecke Micromelo undatus mit 970 Stimmen. Die Riesentiefseeauster Neopycnodonte zibrowii erhielt 745 Stimmen, die dickhörnige Nacktschnecke Hermissenda crassicornis 485 Stimmen. Das einzige an Land lebende Weichtier unter den nominierten Arten, der Tigerschnegel Limax maximus, wurde 311-mal gewählt. 
„Wir freuen uns sehr, dass sich wieder so viele Interessierte aus der ganzen Welt an dem Wettbewerb beteiligt haben. Unser herzlicher Dank gilt denjenigen Forscher*innen und Weichtier-Liebhaber*innen, die so besondere Arten nominiert haben“, betont Prof. Julia Sigwart, Sektionsleiterin der Abteilung Malakologie am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, und fährt fort: „Gemeinsam kommen wir damit unserem Ziel näher, die enorme Artenvielfalt der Weichtiere zu zeigen und in der Öffentlichkeit Begeisterung für diese häufig unterschätzten Organismen zu wecken, die vielfach bedeutsame Aufgaben in ihren jeweiligen Ökosystemen übernehmen. Daher wollen wir auch vermitteln, wie wichtig ihr Schutz ist.“

Die Mitglieder der Wettbewerbsjury waren beim „Internationalen Weichtier des Jahres 2023“ neben Dr. Julia Sigwart und Dr. Carola Greve erneut Dr. Tilman Schell, Bioinformatiker des LOEWE-Zentrums TBG, und Prof. Dr. Yasunori Kano, Mitglied der internationalen Gesellschaft für Molluskenforschung (Unitas Malacologica). 
 
Hier gibt es Informationen zu allen fünf Finalisten-Arten beim Wettbewerb „Internationales Weichtier des Jahres 2023“.
 
Nominierungen für das “Internationale Weichtier des Jahres 2024” sind ab sofort möglich.