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Vorhersagbare Partnerwechsel bei Flechten

Zu zweit ist man manchmal stärker. So ist es auch bei Flechten, die als Lebensgemeinschaft aus Pilz und Alge oder Cyanobakterium fast alle Winkel der Erde besiedeln. Ob in der arktischen Tundra oder der Sahara – Flechten sind weltweit präsent. Viele Arten dieser Partnerschaft können dabei große klimatische Unterschiede überbrücken. Möglich macht das ein faszinierender Mechanismus: Je nach Klima wird der Symbiosepartner (zum Beispiel die Alge) gewechselt. Forscher*innen des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums haben nun herausgefunden, unter welchen Bedingungen ein Partner gehen muss und durch einen anderen ersetzt wird.

Ein Team um den Evolutionsbiologen Dr. Gregor Rolshausen hat sich dazu die Grünalgengattung Trebouxia näher angeschaut, die als Lebenspartner unter Flechtenpilzen äußerst beliebt ist, auch bei den Arten Umbilicaria pustulata und Umbilicaria phae. Diese Flechten wachsen in Europa und Nordamerika in Höhenlagen von 100 bis 2.700 Metern und tauschen auf dem Weg vom Tal zum Gipfel die Trebouxia-Partner aus.

„Man kann sich das vorstellen wie beim Wechsel von Sommer- auf Winterreifen. Am Fuß des Berges ist es relativ warm, also lebt der Flechtenpilz mit einer wärmeliebenden Trebouxia-Alge zusammen, weil für diese dort das Klima optimal ist. Mit zunehmender Höhe wird es kühler, und um weiterhin die Produktivität der Gemeinschaft zu erhalten, wird es Zeit, auf kältetolerante Algen umzusteigen“, erklärt Rolshausen und fährt fort: „Überraschenderweise findet dieser Partnertausch an den von uns untersuchten Bergen immer unter den gleichen klimatischen Bedingungen statt. Wo eine Trebouxia-Art in den Umbilicaria-Flechten am Berg durch eine andere ersetzt wird, herrscht in etwa das Klima, das wir vom Übergang von der mediterranen zur kühlgemäßigten Klimazone kennen.“

Konkret heißt das: Die Trebouxia-Algenarten in den Umbilicaria-Flechten wechseln sich dort ab, wo die mittlere Jahrestemperatur bei 12 Grad liegt und es im kältesten Viertel durchschnittlich 5 Grad kalt ist. Der Austausch geschieht eher abrupt in einer Zone, in der sich Verbreitungsräume der wärmeliebenden und der kältetoleranten Algen überlappen. Diese Austauschzone erstreckt sich über circa 150 bis 200 Höhenmeter und liegt je nach lokalem Klimaprofil an jedem Berg auf unterschiedlicher Höhe.

Trebouxia-Algen kommen weltweit in mehr als der Hälfte der Flechtenarten vor. Laut den Autor*innen der Studie liegt daher die Vermutung nahe, dass es auch bei anderen Flechten solche klar umrissenen Wechselzonen mit bestimmten klimatischen Bedingungen gibt. Der Partnertausch bei Flechten wäre demnach erstmals vorhersagbar.

Zudem gelten Flechten als das klassische Beispiel einer Symbiose, die in der Natur häufig ökologische Schlüsselfunktionen einnehmen. „Flechten tragen als Pionierarten zu Nährstoffkreisläufen und zur Bodenbildung bei, vor allem in höheren Breiten. Ob sie klimatische Veränderungen durch Partnerwechsel bewältigen können, hängt davon ab, wie beide mögliche Partner auf die klimatischen Veränderungen reagieren und ob die Austauschzone weiter bestehen bleibt. Das gilt auch für andere Symbiosen. Unsere Forschung trägt dazu bei, besser vorherzusagen, ob Symbiosen ihre wichtigen ökologischen Funktionen weiterhin wahrnehmen können“, so Rolshausen abschließend.