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Durch den Monsun: Savannenentstehung
Indische Savannen entstanden nicht durch menschliche Aktivität
Senckenberg-Wissenschaftler*innen zeigen in ihrer im Nature-Fachjournal „Scientific Reports“ erschienenen Studie, dass die indischen Savannen natürlichen Ursprungs sind. Bislang war man davon ausgegangen, dass diese landschaftsprägende Vegetationsformation durch menschliche Aktivität entstanden ist. Anhand von Seeablagerungen zeigt das internationale Team, dass sich die Savannen der indischen Halbinsel vor etwa 5000 Jahren durch eine Abschwächung des Monsuns entwickelten. In Folge dessen habe sich anschließend die Landwirtschaft in dieser Region etabliert.
Savannen verbindet man meist mit dem afrikanischen Kontinent, doch die – durch eine geschlossene Decke aus Gräsern sowie vereinzelte Bäume charakterisierte – Landschaftsform erstreckt sich auch über weite Teile der Indischen Halbinsel. „Bislang wurde angenommen, dass die heutigen Savannen Indiens durch den Beginn des Ackerbaus und der Viehhaltung vor etwa 4000 Jahren entstanden sind und die eigentliche natürliche Vegetationsform – geschlossene, laubwerfende Wälder – durch die menschliche Aktivität verdrängt wurde“, erklärt Erstautor der Studie Dr. Nils Riedel von der Senckenberg Forschungsstation für Quartärpaläontologie in Weimar und fährt fort: „Unsere Ergebnisse zeigen dagegen, dass im südlichen Indien natürliche Savannen eine weite Verbreitung haben!“
Riedel hat mit Sektionsleiterin Dr. Martina Stebich und einem internationalen Team im Rahmen des DFG-Forschungsprojeks „HIMPAC“ Ablagerungen des Lonar-Kratersees in der indischen Region Maharashtra untersucht. Auf Basis der zeitlich hochauflösenden Untersuchung fossiler Pollen und stabiler Kohlenstoffisotope aus Blattwachsen von Pflanzen sowie umfassender radiometrischer Datierungen konnten die Forschenden erstmals nachweisen, dass nach Ende der letzten Eiszeit bis etwa 6000 Jahre vor heute geschlossene laubwerfende Feuchtwälder in der Region vorherrschten. Danach gewannen zunehmend Savannenformationen an Raum. „Unsere Analysen zeigen, dass die Entstehung der Savannen im Untersuchungsgebiet bereits vor der Neolithisierung, also der Einführung von Viehhaltung und Ackerbau, beginnt. Die menschliche Aktivität kann demnach nicht der Auslöser für die Landschaftsveränderung gewesen sein“, erläutert Stebich.
Wie aus Studien an Tropfsteinen und Meeressedimenten bereits bekannt ist, zeigen auch die Untersuchungen der Lonar-Sedimente, dass im Zuge großräumiger klimatischer Veränderungen ab etwa 6000 Jahren vor heute die Intensität des Indischen Sommermonsuns abnahm. Laut der Studie führte die damit einhergehende Abnahme der Niederschlagsmengen zu einer Veränderung der Vegetation: immergrüne Bäume wurden verdrängt, während sich trockenresistentere laubwerfende Gehölze stärker ausbreiteten.
„Für den Wechsel zu einer Savannenlandschaft war demnach das Klima und nicht der Mensch verantwortlich – umgekehrt hatte die Ausbreitung der Savannen aber einen starken Einfluss auf die Neolithisierung“, fügt Riedel hinzu. Anhand der räumlichen Verbreitung von über 800 Fundstellen der Jungsteinzeit, konnte das Team nachweisen, dass die räumliche Ausdehnung der neolithischen Siedlungsgebiete erst etwa 500 bis 1000 Jahre nach der Ausbreitung der Savannen einsetzte. Stebich hierzu: „Nach unseren Erkenntnissen erforderten die sich verändernden Klimabedingungen und Vegetationsverhältnisse eine umfassende Anpassung der Landnutzungsstrategien der steinzeitlichen Bewohner*innen der Region. Zur Aufrechterhaltung der Lebensgrundlage im Zuge sich ändernder Umweltbedingungen wurden Viehhaltung und Ackerbau eingeführt“.
Ein zunächst überraschendes Ergebnis der neuen Studie ist, dass die Feuerintensität mit der Ausbreitung der Savannen scheinbar nicht zugenommen hat. Ein Maß für die Feuerintensität liefert die Menge an Holzkohlepartikeln in Seesedimenten, die am Lonar im Zuge der Savannenausbreitung keine Zunahme erfahren. „Hierin zeigt sich eine funktionale Besonderheit der tropischen Vegetation in Indien im Vergleich etwa mit afrikanischen Savannen und den angrenzenden Trockenwäldern: die oft sehr großblättrigen Bäume in Indiens Trockenwälder produzieren saisonal deutlich höhere Mengen an brennbarer Biomasse als die Bäume und Gräser der Savannenvegetation, wodurch die hohen Holzkohlewerte vor der Savannenzeit erklärt werden können“, so Riedel.
Die neue Studie ist laut den Autor*innen auch von großem Interesse für den aktuellen und künftigen Umwelt- und Landschaftsschutz: Da zukünftig deutlich steigende Niederschlagsmengen auf der Indischen Halbinsel als Folge der Klimaerwärmung erwartet werden, ist eine Ausbreitung der Waldvegetation auf Kosten der heute natürlicherweise vorkommenden Savannen zu erwarten. „Die würde erneut eine Anpassung der Landnutzung erfordern. Zudem wären Veränderungen im Bestand der heute im Bereich der Savannen vorkommenden, teilweise stark gefährdeten Großsäugetierarten, möglich“, fasst Stebich zusammen.