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Nach dem Gipfel ist Schluss: Klimawandel bedroht Gebirgs-Schmetterlinge
Verbreitungsgebiet von Gebirgs-Tagfaltern verlagerte sich innerhalb von 60 Jahren 300 Meter bergaufwärts
Ein europäisches Team, unter ihnen Senckenberger Thomas Schmitt, hat die Verbreitung von Gebirgs-Schmetterlingen im österreichischen Bundesland Salzburg untersucht. Die Wissenschaftler zeigen in ihrer heute im Nature-Fachjournal „Scientific Reports“ erschienenen Studie, dass die Gebirgs-Tagfalter in den letzten 60 Jahren im Schnitt um über 300 Meter in die Höhe gewandert sind. In niedrigeren Lagen verschwinden die Schmetterlinge und tauchen bergaufwärts wieder auf – die Forschenden sehen darin eine Reaktion auf die Klimaerwärmung und den Beginn einer grundlegenden Veränderung der Natur.
Heiße und trockene Sommer werden in Mitteleuropa immer häufiger. „Selbst in den vermeintlich kühleren Bergregionen sehen wir die Effekte des globalen Klimawandels“, erklärt Prof. Jan Christian Habel von der Paris-Lodron-Universität Salzburg, Seniorautor der aktuellen Studie, und fährt fort: „Wir haben daher untersucht, wie sich Gebirgs-Tagfalter im Bundesland Salzburg innerhalb der letzten 60 Jahre an diese geänderten Umweltbedingungen angepasst haben.“
Das österreichisch-polnisch-deutsche Team hat hierfür historische Aufzeichnungen von 5836 Tagfalterbeobachtungen aus den Datenbanken des „Hauses der Natur Salzburg“ mit hochauflösenden Klimadaten von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik Salzburg korreliert und so die Verbreitungsgebiete der Tiere im Zeitraum 1960 bis 2019 analysiert. „Unsere Daten zeigen, dass sich die Lebensräume der Schmetterlinge des Salzburger Landes seit mehreren Jahrzenten in höhere Lagen verschieben“, erläutert Erstautor Dr. Dennis Rödder vom Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (Museum Koenig) in Bonn die Ergebnisse. Im Schnitt konnten die Forscher eine Verschiebung der Verbreitung der Gebirgs-Tagfalter um etwa 300 Meter bergaufwärts innerhalb von nur 60 Jahren nachweisen.
„Schmetterlinge reagieren hochsensibel auf Klimaveränderungen und folgen gewissenmaßen ihrer spezifischen ökologischen Nische, in der sie die Umweltbedingungen vorfinden, die sie zum Überleben brauchen“, ergänzt Prof. Thomas Schmitt vom Senckenberg Deutschen Entomologischen Institut in Müncheberg und fährt fort: „Da es in Mitteleuropa wärmer wird, verlagern zahlreiche Arten ihr Verbreitungsgebiet in höhere Lagen. Das kann vor allem für Gebirgsarten zum Problem werden, denn solche vertikalen Verschiebungen sind endlich. Ihr gesamter Lebensraum wird – bedingt durch die Topographie – kleiner und die Frage bleibt, was passiert, wenn die Arten an den Gipfeln angekommen sind?“
Laut der Studie werden zudem auch Interaktionen zwischen Arten gestört oder können nicht mehr stattfinden. Futterpflanzen von Schmetterlingen reagieren beispielsweise langsamer auf klimatische Veränderungen als ihre Konsumenten. „Vereinfacht könnte man sagen, dass die Pflanzen aufgrund ihrer geringeren Mobilität nicht schnell genug mitwandern können. Ein Beispiel hierfür ist der Natterwurz-Perlmutterfalter (Boloria titania), dessen Verbreitungsgebiet sich immer weniger mit dem seiner bevorzugten Futterpflanze, dem Schlangen-Knöterich (Bistorta officinalis) überlappt.“
Alle Autoren bestätigen in ihrer Studie, dass sich die Natur weltweit durch Klimawandel, Landnutzungswandel und Verlust der Artenvielfalt seit mehreren Jahrzehnten grundlegend ändert. „Der stille Gipfelsturm der Schmetterlinge ist ein Fanal, um uns die Brisanz der Klimakrise zu verdeutlichen, der als lauter Weckruf verstanden werden muss. Wir befinden uns mitten in einer grundlegenden, rasant ablaufenden Veränderung der Umwelt. Zu glauben, dass die Effekte des Klimawandels nur in fernen Ländern existenzbedrohend sind, ist falsch und gefährlich!“ so der Appell der Wissenschaftler.