To our foreign readers: we are sorry, but this page is not available in english.
Senckenberg-Themen
Lebensraum in Flammen – Waldbrände bedrohen die weltweite Artenvielfalt
Seit Oktober wüten in Australien Hunderte Buschfeuer. Nach offiziellen Angaben sind bisher fast bis zu zehn Millionen Hektar Land niedergebrannt, was ungefähr einem Viertel der Fläche von Deutschland entspricht. Mensch und Natur sind gleichermaßen von den gewaltigen Bränden betroffen.
Die australische Artenvielfalt ist einzigartig. Die geografische Isolation und geologische Stabilität des Kontinents schaffen eine perfekte ökologische Nische für viele Arten. Diese Arten werden durch die Feuer massiv bedroht, Forscher*innen gehen davon aus, dass in den ausgedehnten Brandgebieten bisher und im weiteren Verlauf der Katastrophe über eine Milliarde Tiere umkommen werden.
Besonders dramatisch ist die Lage beispielsweise auf der Känguru-Insel, auf der bereits die Hälfte der geschätzt 50.000 dort lebenden Koalas den Flammen zum Opfer gefallen sind.Die Internationale Rote Liste der Weltnaturschutzunion IUCN bewertet den Koala seit 2016 als eine gefährdete Tierart – bereits in den nächsten 30 Jahren könnten die Koalas in Ostaustralien in freier Wildbahn ausgestorben sein.
Neben der Australischen Tierwelt sind auch ganze Ökosysteme gefährdet. Diese Ökosysteme sind grundsätzlich gut an Feuer angepasst, da Buschfeuer schon seit vielen Millionen Jahren in Australien auftreten. Die aktuellen Feuer sind in ihrer Hitze und Größenordnung jedoch nicht mit vergangenen Feuern zu vergleichen. In den letzten Jahrhunderten kamen zu den natürlichen Feuern in der Buschfeuersaison (Dezember bis März) das menschengemachte Feuer in warmen Jahreszeiten sowie Feuer verursacht durch einen Temperaturanstieg im Zuge des Klimawandels hinzu. Die Vegetation ist insgesamt trockener und feueranfälliger, was eine schnellere Ausbreitung und größere Hitze der Feuer zur Folge hat. Wissenschaftler*innen sehen vor allem die globale Erwärmung als zentrale Ursache für solche Extreme.
Auch in Südamerika wüten derzeit zahlreiche Waldbrände. Allein in Bolivien sollen bis jetzt über 2,1 Millionen Hektar Land betroffen sein – vor allem in der Region Chiquitania im östlichen Bolivien.
Aktuellen Schätzungen zufolge sind von den dortigen Bränden mindestens 1.600 Tier- und 4.000 Pflanzenarten betroffen; darunter etwa 150 Säugetiere wie Jaguar, Tapir oder großer Ameisenbär sowie 60 bis 90 Froscharten. Dr. Martin Jansen vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum in Frankfurt ergänzt: „Genaue Zahlen fehlen, weil die Region noch wenig erfasst ist und zahlreiche Tier- und Pflanzenarten bislang noch nicht wissenschaftlich beschrieben wurden.“ Somit sind auch bisher unentdeckte Arten noch vor ihrer Entdeckung massiv gefährdet.
Heimisch in Bolivien, ist der Chiquitano-Wald der weltweit besterhaltene tropische Trockenwald. Er beheimatet intakte und gesunde Ökosysteme, vielzählige Arten, wichtige Ökosystemleistungen und eine hohe Anzahl noch bislang unentdeckter Arten. Die Brände begannen nach einer Gesetzesänderungen der bolivianischen Regierung, die das Abholzen und kontrollierte Niederbrennen des Chiquitano-Waldes für die Expandierung der Agrasindustrie legalisierte.
Seit Juli diesen Jahres, sind so bereits 12% des einzigartigen Lebensraumes in den Flammen zerstört worden.
In einem offenen Brief in der Fachzeitschrift„Science” fordert ein internationales Team von Forschern – darunter auch Martin Jansen – die bolivianische Regierung auf, die verbleibenden Wälder nachhaltig zu schützen. Die neuen Gesetze, die die Abholzung und Rodung des wichtigen Lebensraumes erlauben, sollen revidiert und Maßnahmen geschaffen werden, die die noch existierenden Wälder und die essentiellen Ökosystemdienstleistungen, die diese der Menschheit bieten, effektiv schützen.
Publikation
“Fires scorching Bolivia’s Chiquitano forest” – Science 29 Nov 2019: Vol. 366, Issue 6469, pp. 1082 Alfredo Romero-Muñoz, Martin Jansen, Angela M. Nuñez, Marisol Toledo, Roberto Vides Almonacid, Tobias Kuemmerle.
Zunehmende Waldbrände gefährden auch die Artenvielfalt in Europa. Der Klimawandel bringt vielerorts ein deutlich höheres Feuerrisiko mit sich. Baumarten wie Fichten und Weißtannen dürften es daher schwer haben, sich dort zu regenerieren, wo es häufiger und intensiver brennt.
Ihren Platz könnten zunehmend Pionierarten wie Birken, Erlen einnehmen, die von häufigeren Feuern profitieren. Das geht aus einer Studie von Wissenschaftler*innen der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und der Goethe-Universität Frankfurt hervor, die im Fachjournal “European Journal of Forest Research“ erschienen ist.
Das Untersuchungsgebiet der Studie befindet sich im Rila-Gebirge im Südwesten Bulgariens. Aus einem Moor auf rund 2100 m Höhe wurde ein Sediment-Bohrkern gezogen, der die Waldbrandgeschichte an diesem Ort dokumentiert. Seine winzigen Holzkohlepartikel zeigen, wie oft und wie stark es hier in den letzten 12.000 Jahren gebrannt hat. Aus fossilen Pollen schlossen die Wissenschaftler*innen, welche Bäume die Landschaft zu verschiedenen Zeiten dominiert haben und welche Pflanzentypen von Feuern betroffen waren.
Seit 9.000 bis 4.000 vor heute regnete es im Untersuchungsgebiet mehr und die Sommer wurden kühler. Schwache und besonders intensive Brände wechselten sich nun ab; die Pausen zwischen den einzelnen Feuerereignissen wurden länger. Davon profitierten die bedingt feuerfesten Wald-Kiefern, Berg-Kiefern und Balkan-Kiefern sowie Bäume, denen das Feuer besonders zusetzt: Fichten und Weißtannen. Birken und andere Pionierbaumarten gingen zurück.
In den letzten 4.000 Jahren wurden Brände dank kühler Sommer und vergleichsweise hoher Feuchtigkeit noch seltener. Außerdem wurde Wald an der oberen Baumgrenze abgeholzt, um Weideland zu gewinnen – sodass es zudem weniger brennbare Biomasse gab. Heute dominieren bedingt feuerfeste Kiefernarten das Untersuchungsgebiet und Pionierarten nehmen wieder zu. Dieser Trend dürfte sich in Zukunft noch verstärken, da durch den Klimawandel zunehmende Trockenheit und ein höheres Risiko für Waldbrände prognostiziert werden.
Für die Autor*innen liefern die neuen Erkenntnisse Ansätze für den Waldumbau zur Anpassung an die künftig häufiger auftretenden Feuer. Pfeiffer dazu: „Monokulturen aus Fichten brennen besonders gut. Daher sollten bei Aufforstungen mehr feuerfeste Bäume in diesen Wäldern angepflanzt werden, um das Risiko großflächiger Waldbrände zu minimieren und dem neuen Feuerregime gerecht zu werden.“
Studie
Feurdean, A., Tonkov, S., Pfeiffer, M. et al. (2019): Fire frequency and intensity associated with functional traits of dominant forest type in the Balkans during Holocene, European Journal of Forest Research, doi: 10.1007/s10342-019-01223-0