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10 Millionen Jahre älter als gedacht
Weltweit ältester fossiler Nachweis für C4-Gräser erbracht
Ein internationales Forschungsteam aus Geolog*innen und Paläontolog*innen mit Senckenberg-Wissenschaftler Dr. Thomas Lehmann hat mit einem Multi-Methoden-Ansatz die Umwelt von frühen Menschenartigen vor etwa 20 Millionen Jahren, zur Zeit des frühen Miozäns, in Kenia und Uganda untersucht. In ihrer heute im renommierten Fachjournal „Science“ erschienenen Studie kommen die Forschenden zu dem Schluss, dass es schon vor etwa 20 Millionen Jahren ausgedehnte Graslandschaften in Afrika gab – 10 Millionen Jahre früher als bislang angenommen. Die Untersuchung des vergangenen Lebensraums ist für die Interpretation der Evolution zahlreicher Säugetierarten, einschließlich der Hominine, entscheidend.
Graslandschaften, beispielsweise Savannen, bedecken etwa 40 Prozent der Landfläche der Erde. Als wichtigste Nutzpflanzen ermöglichen Gräser Landwirtschaft und Viehzucht und sind so unentbehrlich für die Menschheit. In Afrika erstrecken sich durch offenes Grasland mit vereinzelt stehenden Bäumen charakterisierte Ökosysteme über nahezu die Hälfte der Kontinentfläche. „Dominiert werden heutige Savannen von sogenannten C4-Gräsern. Diese sind aufgrund ihres speziellen Stoffwechsels und ihrer effektiven Photosynthese-Methode gut an trocken-heiße Lebensräume mit hoher Sonneneinstrahlung angepasst“, erklärt Dr. Thomas Lehmann vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt und fährt fort: „Man geht davon aus, dass C4-Gräser bereits vor etwa 30 Millionen Jahren entstanden sind – die bis jetzt ältesten fossilen Nachweise aus Afrika wurden dagegen auf nur circa 10 Millionen Jahre datiert.“
Der Forschung war schon länger ein Rätsel, warum zwischen dem ersten Auftreten der C4-Gräser und ihrer erfolgreichen weltweiten Ausbreitung über 20 Millionen Jahre verstrichen. Lehmann hat nun mit einer großen Gruppe internationaler Forschender Fossilienfundstätten in Kenia und Uganda unter die Lupe genommen. Das Team nutzte einen Multi-Methoden-Ansatz und kombinierte Kohlenstoff-Isotopenanalysen der organischen Bodensubstanz, der fossilen Böden und von Pflanzenwachs-Biomarkern mit der Analyse von Phytolithen – mikroskopischen pflanzlichen Silikatkörpern – für eine paläoökologische Rekonstruktion.
„Unser Ergebnis wirft die bisherigen Theorien zur Entstehung der Dominanz von C4-Gräsern über den Haufen: Wir können in unserer neuen Studie zeigen, dass es bereits vor 21 bis 17 Millionen Jahren lokal ausgedehnte C4-Graslandschaften, vergleichbar mit den heutigen Savannen gab“, so der Frankfurter Wissenschaftler und weiter: „Wir gehen von heterogenen Lebensräumen aus, die von Wäldern bis hin zu spärlich bewaldetem Grasland reichen. Unsere Daten verschieben den ältesten Beleg für die von C4-Gras dominierten Lebensräume in Afrika – und weltweit – um mehr als 10 Millionen Jahre in der Erdgeschichte zurück.“
In Ostafrika wird die Ausbreitung von C4-Grasland besonders intensiv untersucht, da sie entscheidend für der Regulierung des globalen Klimas ist und zudem mit wichtigen Anpassungen und der Diversifizierung von Säugetieren in Verbindung gebracht wird. „So wird beispielsweise die Entwicklung hochkroniger Backenzähne bei vielen nicht-verwandten pflanzenfressenden Säugetieren als Anpassung an den Verzehr widerstandsfähiger Gräser interpretiert. Genauso werden die Fortbewegungsart und Extremitäten der großen afrikanischen Huftiere als Anpassung an eine schnelle Bewegung in offenen, waldfreien Lebensräumen, wie den Savannen, verstanden. Auch auf die Interpretation der menschlichen Evolution können unsere Erkenntnisse Auswirkungen haben: Die ‚Wiege der Menschheit‘ war vermutlich von Gräsern umgeben“, schließt Lehmann.