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Schmetterlinge: Sterben in Wellen
Daten-Auswertung von 1920 bis heute zeigt zwei große Aussterbeereignisse von Tagfaltern
Ein Wissenschaftsteam aus Österreich, Polen und Deutschland, unter ihnen Senckenberger Prof. Dr. Thomas Schmitt, hat den Artenrückgang von Tagfaltern im österreichischen Bundesland Salzburg untersucht. In ihrer im Fachjournal „Science of Total Environment“ erschienenen Studie zeigen die Forscher anhand von knapp 60.000 Beobachtungspunkten und 168 Tagfalter- und Widderchenarten, dass der bisherige Rückgang der Schmetterlingsvielfalt in mindestens zwei Stufen erfolgte. Als Ursachen beider Aussterbewellen führt das Team Landschaftsveränderungen und Intensivierung der Landwirtschaft an. Sie zeigen zudem, dass die Naturschutzmaßnahmen ab Mitte der 1990er Jahre zu einem Aussterbeende von gefährdeten Arten führen.
Den Hochmoor-Gelbling (Colias palaeno) findet man seit 1920 nur noch in ungestörten Hochmoorgebieten Salzburgs, seit 1960 wird in dem österreichischen Bundesland auch das Rotbraune Wiesenvögelchen (Coenonympha glycerion) immer seltener. Die beiden Tagfalter und 166 weitere Arten sind Gegenstand einer großangelegten Studie zum Rückgang von Schmetterlingsarten mit 59.870 Beobachtungspunkten auf einer Fläche von über 7.000 Quadratkilometern. „Als Basis für unsere Arbeit haben wir Daten und Aufzeichnungen vom Haus der Natur Salzburg herangezogen, die bis in das Jahr 1920 zurück reichen. Sie zeigen, dass bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts zahlreiche Arten in ihren Beständen rückläufig waren. Ein zweites großes Aussterbeereignis fand dann in den 1960er-Jahren statt“, erläutert Prof. Dr. Thomas Schmitt vom Senckenberg Deutschen Entomologische Institut in Müncheberg und von der Universität Potsdam und fährt fort: „Dabei reagiert jede Art unterschiedlich auf die Veränderungen unserer Umwelt – somit gibt es für jede Art spezifische Faktoren, die zu einem Erlöschen lokaler Populationen und letztendlich zum kompletten Verschwinden der Art führen.“
Laut der Studie betraf die erste Welle des Artensterbens vor allem Schmetterlinge, die in sensiblen Ökosystemen wie Mooren lebten. „Solche Lebensräume wurden schon Ende des 19. Jahrhunderts, in der Zeit des intensivsten Bevölkerungswachstums in Europa, durch die starke Ausweitung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung zerstört. In diesem Zeitraum wurden beispielsweise viele Moore und Feuchtwiesen entwässert, aber auch ehemaliges trockenes Ödland in die Bewirtschaftung überführt – die Folge ist eine bis heute andauernde Abnahme von Arten, wie Colias palaeno, die auf diese Ökosysteme spezialisiert sind“, erklärt Erstautor Prof. Jan Habel von der Universität Salzburg.
Ab Mitte des letzten Jahrhunderts führte insbesondere die Reduktion der Lebensraumqualität zu einem Verlust der Schmetterlingsvielfalt. Vor allem für die 1960er Jahre konnte das Forschungsteam vermehrt Rückgänge nachweisen, so beispielsweise für Schmetterlinge der artenreichen mageren Wiesen des Tieflandes. „Verantwortlich scheint hier die zu diesem Zeitpunkt einsetzende Industrialisierung der Landwirtschaft mit intensiven Einsätzen von Pflanzenschutzmitteln und künstlichen Düngemitteln zu sein. Hierdurch verschwanden viele naturnahe Elemente der Kulturlandschaft wie blütenreiche, magere Talwiesen mit ihrer hohen Artenvielfalt. Dieser Trend ist bis heute ungebrochen negativ“, ergänzt Schmitt. Die Auswertungen des Teams zeigen zudem, dass ab 1980 die Schmetterlingsvielfalt in montanen und alpinen Gebieten rückläufig ist und dass die Zerstörung natürlicher und naturnaher Landschaften auch in den Gebirgslagen angekommen ist.
Da Schmetterlinge eine Vielzahl von Lebensräumen besiedeln und ihre Populationstrends mit vielen anderen Insektengruppen übereinstimmen, sei diese Gruppe von Organismen ideal geeignet, um allgemeine Trends in der biologischen Vielfalt aufzuzeigen. Das Untersuchungsgebiet eigne sich durch seine Ökosystemvielfalt außerdem sehr gut für die Übertragbarkeit auf andere europäische Regionen, so die Forscher in ihrer Veröffentlichung.
Als Erfolg der Naturschutzmaßnahmen werten die Entomologen, dass die auf der Roten Liste als gefährdet gelisteten Arten seit der Mitte der 1990er Jahre nicht weiter abnehmen. „Auch das Aussterben der auf Feuchtgebiete spezialisierten Arten wurde, aufgrund der dort ausgewiesenen Schutzgebiete, gebremst – die Vielfalt verharrt allerdings seither auf niedrigem Niveau“, fügt Habel hinzu. „Dieser Schutz und die durchgeführten Pflegemaßnahmen sind folglich nicht umsonst“ resümiert Schmitt und gibt abschließend zu bedenken: „Allerdings werden die Arten der Vorwarnliste, also solche, bei denen zukünftig eine Gefährdung zu befürchten ist, immer noch weniger. Es bleibt also noch viel zu tun, um die ursprüngliche Artenvielfalt unserer Kulturlandschaften zu bewahren und zu fördern!“