NFM 10-12-2020
Abenteuer Neiße – Leben am Fluss. Die neue Wanderausstellung des Senckenberg-Museums in Görlitz lockt mit sehenswerten Ausstellungsmodulen.

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Neue Wanderausstellung in Görlitz

Abenteuer Neiße

Die neue Wanderausstellung des Senckenberg-Museums in Görlitz lockt mit sehenswerten Ausstellungsmodulen.


Die Ökologie der Neiße und ihre Kulturgeschichte sind Thema einer umfassenden Ausstellung, die das Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz und die Görlitzer Sammlungen für Geschichte und Kultur gemeinsam verantworten. Sie beschreibt in Schlaglichtern Naturphänomene und historische Entwicklungen im Spannungsfeld von Fluss, Land und Stadt am Beispiel der Neiße und der Stadt Görlitz.

Viele Städte liegen an Flüssen, dort verbringen wir unsere Freizeit, die Landwirtschaft sucht ihre Nähe und Flüsse dienen dem Transport von Gütern. Flüsse sind aber auch Lebensräume mit einer besonderen Fauna und Flora.

Die neue Wanderausstellung „Abenteuer Neiße – Leben am Fluss“ stellt den Grenzfluss Neiße in seinen unterschiedlichen Funktionen und Bedeutungen dar – die Entwicklung der Flusslandschaft, der Fluss als Siedlungs-­ und Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen, als Wirtschaftsfaktor und Touristenziel, als Grenze, als Kommunikationsachse, als Kulturraum und Kunstmotiv. Die Themen der Ausstellung stehen für jede Stadt, die an einem größeren Fließgewässer gelegen ist, und haben damit Allgemeingültigkeit.

Der Anfang ist stets die Geologie

Die Basis aller Entwicklungspotenziale einer Landschaft bildet ihre Geologie – die Gesteine, Böden und das Relief der Erdoberfläche, in der sich Ökosysteme entwickeln und auf der sich der Mensch niederlässt. Diese Wechselwirkungen in Abhängigkeit von der Flussdynamik werden in der Ausstellung erklärt. Häufig bilden sich parallel zum Fluss Terrassen als Folge der Verlagerung des Flussbetts. Auenböden mit flussnahen Weiden­-Gebüschen, Weichholz­ und oft auch Hartholzauen entstehen.

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Kaum wiederzuerkennen, wäre nicht die Peterskirche im Bild: Görlitz im ausgehenden Mittelalter. Der virtuelle Neißeflug ermöglicht ganz neue Perspektiven.

Der Mensch verändert die Ökosysteme

Mit der Stadtgründung verändern sich die Lebensräume. Pflanzen und Tiere wandern als Kulturfolger ein. Vögel, die sonst in steilen Felswänden nisten, finden eine neue Heimat an den Fassaden der Häuser. Pflanzen, die Trittbelastungen tolerieren, besiedeln die Ritzen zwischen Pflastersteinen.

Mit der Intensivierung der Landwirtschaft gehen aber auch dramatische Verluste an Biodiversität einher. So verschwinden Pflanzen­ und Tierarten durch Aktivitäten des Menschen. Aber es gibt auch Maßnahmen, die solche Verluste abmildern. So können Landwirte ein sogenanntes Lerchenfenster anlegen, indem sie einen Teil des Getreidefelds ungenutzt lassen. Dadurch erhalten die Vögel wieder eine Chance, in der Kulturlandschaft zu überleben.

Der Fluss als Lebensraum zahlreicher kleiner und großer Tiere wird schwerpunktmäßig betrachtet. Schließlich bildet der Biber ein Beispiel für die Wiedereinwanderung einer Art, die mehr als ein Jahrhundert aus der Region verschwunden war.

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Im Spätfrühling und Frühsommer lassen sich an vielen Flüssen nachmittags und in den Abendstunden die Schwärme tanzender Männchen beobachten. Das einzigartige Ausstellungsmodell von Julia Stoess zeigt die frisch geschlüpfte Eintagsfliege in zwanzigfacher Vergrößerung.

Informationen in vier Sprachen

Die Aufarbeitung der Ausstellungshinhalte erfolgt durch Tafeln mit eingebauten Touchscreens. Sie stellen weiterführende Informationen und zusätzliche Bilder zu den Themen bereit und informieren die Besucher*innen in vier Sprachen – Deutsch, Polnisch, Tschechisch und Englisch. Auch ein mehrsprachiges Audioguidesystem und eine Kinderebene mit einfachen Texten stehen zur Verfügung. Dermoplastiken von Fischotter, Waschbär und Biber sowie Hands-­on-­Modelle von Wasserskorpion und Flohkrebs ziehen die Aufmerksamkeit der Besucher*innen auf sich. Eine besondere Attraktion ist das Modell einer Eintagsfliege – eingefroren in dem Moment, als das erste beflügelte Stadium dieses Tiers, die Subimago, an der Wasseroberfläche aus der Larvenhülle hervorbricht. Das Modell der renommierten Modellbauer*innen Julia Stoess und Esben Horn ist eine besondere präparatorische Herausforderung und ein Kleinod dieser Ausstellung.

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Echte Tierpräparate sowie vergrößerte Modelle zum Anfassen machen die Ausstellung besonders erlebnisreich.

3D-Animation „Neißeflug“

Ein weiterer Höhepunkt der Ausstellung ist eine 3D-­Animation, die einen Flug über die Neiße durch zwei Jahrtausende zeigt. Mit den Zeitschnitten in den Jahren 0, 1560, 1910 und 2020 visualisiert sie die vom Menschen unberührte Auenlandschaft vor 2000 Jahren und die Entwicklung der Stadt mit der zunächst hölzernen Stadtbrücke und der berühmten Peterskirche vom ausgehenden Mittelalter bis heute. Die Besucher*innen erleben, wie sich das Umfeld des Flusses seit seiner Besiedlung durch den Menschen verändert hat.

Die Animation beruht auf zahlreichen historischen Bildern, Dokumenten und Karten, der Rekonstruktion des Landschaftsreliefs mittels GIS­-Daten und einer Drohnenbefliegung. Der Neißeflug entstand im Rahmen des Projekts museum4punkt0.

Dank

Die Ausstellung wurde durch Gelder aus Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) finanziert. Sie sind ein Teilprojekt des Interreg­-Projekts „Abenteuer Neiße. V. Etappe“.

Die Autor*innen

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Jana Bingemer (M. Sc.) hat Technische Biologie sowie Biodiversität und Ökologie studiert. Im Projekt „Abenteuer Neiße – Leben am Fluss“ hat sie als wissenschaftliche Volontärin mitgewirkt. Seit August 2020 ist sie als Museumspädagogin am Senckenberg­Standort in Görlitz tätig.
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Helga Zumkowski-Xylander entwickelt seit 2011 Wanderausstellungen für das SMNG und kuratierte neben dieser Ausstellung u. a. „Die dünne Haut der Erde – Unsere Böden“, für die sie den „Grüter­ Preis für Wissenschaftskommunikation“ erhielt. Aktuell arbeitet die Biologin an einer Ausstellung zum Thema „Grundwasser“.
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Prof. Dr. Willi Xylander ist seit 1995 Institutsdirektor des Senckenberg Museums für Naturkunde Görlitz. Er leitete neben Forschungs-­ und Infrastrukturprojekten auch die Projekte zur Entwicklung neuer digitaler Vermittlungsformate in Naturkundemuseen und von internationalen Wanderausstellungen.