Messung der Bodentemperatur
Bodenforschung: hier wird die Bodentemperatur gemessen

Boden und Biodiversität

Forderungen an die Politik


Ergebnisse aus der Konferenz „Mit Alexander von Humboldt den Boden neu entdecken. Boden und Biodiversität – alles hängt mit allem zusammen“ am 5. Dezember 2019 im Bundespresseamt Berlin. (1)

Leistungsträger Bodenorganismen

Ein gesunder Boden filtert Wasser für unser Trinkwasser, schützt uns vor Hochwasser, stellt Nährstoffe bereit und lässt Nahrungsmittel wachsen. Dies Alles und noch mehr kann er nur vollbringen, weil gute Geister unter unseren Füßen wie die Räder eines Uhrwerks zusammenarbeiten. Zu ihnen gehören Bakterien, Pilze, winzige Insekten, Ameisen, Regenwürmer, Maulwürfe und viele mehr. Ein Teelöffel Boden enthält mehr Organismen, als Menschen auf der Erde leben. (2)

Die unzähligen Kleinstlebewesen zerkleinern und recyceln Laub und andere abgestorbene Pflanzenteile wie Laub und Wurzeln. Ein wichtiges Produkt dieses Prozesses ist Humus, der wichtigste Anteil fruchtbaren Bodens. Humus enthält Nährstoffe, speichert Wasser und stabilisiert das Bodengefüge. Der Boden speichert auch Kohlenstoff im Humus und senkt dadurch den Anteil des klimarelevanten Treibhausgases Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre. Der Schutz der Bodenbiodiversität ist gleichzeitig Klimaschutz.

Bakterien und Pilze setzen Nährstoffe aus organischen Rückständen frei; Regenwürmer und andere Bodentiere beschleunigen diesen Vorgang. Regenwürmer bilden stabile Verbindungen zwischen den organischen und den anorganischen Bestandteilen des Bodens. Der Boden wird ausreichend belüftet, und Regenwasser kann schneller versickern. Mikroorganismen können in vielen Fällen organische Schadstoffe abbauen und so die Gefährdung für den Menschen und andere Lebewesen herabsetzen. Je diverser eine Bodengemeinschaft ist, desto widerstandsfähiger reagiert der Boden auf die Folgen intensiver Landnutzung und die Folgen des Klimawandels wie extreme Trockenheit.

Der Boden ist ein lebendiger, großartiger, unverzichtbarer, aber auch sensibler Lebensraum für Organismen. Er funktioniert nur, wenn die Zusammensetzung der Arten intakt ist.

Bodendiversität schafft Biodiversität

Die Leistungen des Bodens und seiner Organismen sind für die Land- und Forstwirtschaft und damit für unsere Ernährung, unser Wohlbefinden sowie aus wirtschaftlichen Gründen existenziell. Die Zu- sammensetzung der im Boden lebenden Organismen ist sehr unterschiedlich und hängt von zahlreichen natürlichen Faktoren wie dem Gehalt an Sand, Ton und Humus ab, aber auch von der Art der Landnutzung und der Bewirtschaftung der Böden. So verringert die Umwandlung von Grünland in Ackerland die im Boden gespeicherte Menge an organischem Kohlenstoff sehr stark. Bewirtschaftungsweisen wie das Abräumen der Ernterückstände von Äckern verhindern, dass das für die Bodenfruchtbarkeit wichtige organische Material durch natürliche Prozesse aufbereitet und Nährstoffe nachgeliefert werden. (3)

Der Boden ist auch für die Biodiversität „oberhalb der Grasnarbe“ sehr wichtig. So fördern Bodenorganismen das Pflanzenwachstum, auf dem die Nahrungspyramiden aller Landlebensräume beruhen. Außerdem leben viele Insekten, die als Bestäuber unserer Nutzpflanzen unverzichtbar sind, zeitweise im Boden.

Eine nachhaltige Bodennutzung fördert und bewahrt die Bodenbiodiversität und erhält auch die für Menschen existenziellen Funktionen des Bodens.

Verlust der Biodiversität im Boden

Die Vielfalt des Bodenlebens wird vor allem durch die intensive Landwirtschaft beeinträchtigt, wie sie auf 45 Prozent der europäischen Böden mit den wenigen Ausnahmen der Biolandwirtschaft stattfindet. (4) Häufige Befahrung mit schwerstem Gerät presst die Poren und Hohlräume im Boden zusammen und zerstört den Lebensraum kleiner Bodentiere. In der Folge entstehen Staunässe und Sauerstoffmangel, die zu einer Abnahme der Bodenbiodiversität führen. Auch vereinfachte Fruchtfolgen verschlechtern die Lebensbedingungen vieler Bodenorganismen. Und der intensive Einsatz von Pestiziden tötet sie häufig ab.

Die großflächige Versiegelung unserer Böden durch Asphalt und Beton im Zuge zunehmender Urbanisierung und die ungebremste Flächenneuinanspruchnahme ersticken mehr und mehr das Bodenleben. So sind in Deutschland etwa 46 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsflächen versiegelt, das heißt bebaut, betoniert, asphaltiert, gepflastert oder anderweitig befestigt. (5) Der Zuwachs der Siedlungs- und Verkehrsfläche vollzog sich zu Lasten der landwirtschaftlich genutzten Fläche.
Dieser Raubbau entzieht uns und unseren Kindern die Grundlage für eine nachhaltige produktive Land- und Forstwirtschaft.

Vier Schritte für mehr Vielfalt im und auf dem Boden Forderungen an die Politik

1. Die Politik unterstützt gemeinsames Handeln von Boden- und Naturschutz mit Land- und Forst- wirtschaft sowie Wasserwirtschaft (6)

Bisherige Ansätze und laufende politische Prozesse, wie das Aktionsprogramm Insektenschutz, die Ackerbaustrategie, die Pestizidreduktionstrategie, die Zukunftskommission Landwirtschaft, die Zukunftsstrategie ökologischer Landbau sowie die naturschutzgerechte Ausgestaltung der künftigen gemeinsamen Agrarpolitik, müssen aufeinander abgestimmt werden. Vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Landnutzung gilt es, die unterschiedlichen Belange des Boden-, Gewässer- und Naturschutzes sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Der bislang vernachlässigte Schutz der Bodenbiodiversität und die Förderung der Ökosystemleistungen des Bodens insgesamt müssen jedoch stärker als bisher in den Fokus rücken. Die langfristige Erhaltung des Bodenlebens und der Bodenfruchtbarkeit muss Vorrang vor kurzfristigen Produktivitätssteigerungen haben. 

Hierzu fordern wir geeignete Agrarumweltmaßnahmen, die die Biodiversität im Boden und somit den Boden als Lebensgrundlage auch für den Menschen verbessern. Im Einzelnen:

  • Eine standortangepasste Bodenbewirtschaftung, die auf Fruchtfolgevielfalt, ganzjährige Bo- denbedeckung, Verzicht auf Pestizideinsatz, Vorrang für organischer Düngung und Zunahme von Ökolandbau basiert. Die Grundsätze der guten landwirtschaftlichen Praxis müssen so angepasst werden, dass sie einen ausreichenden Schutz der Umwelt speziell der Bodenbiodiversität gewährleisten.
  • Ein Verbot des Grünlandumbruchs und die Förderung der Rückumwandlung von Acker- in Dauergrünland an geeigneten Standorten. Dauergrünland schützt den Boden als eine der wichtigsten Produktionsgrundlagen der Landwirtschaft, bietet je nach Nutzung zahlreichen Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum und ist neben Mooren und Feuchtstandorten der wichtigste Kohlenstoffspeicher.
  • Erhalt verbliebener und Förderungen neuer ökologischer Vorrangflächen unter der Prämisse der ökologischen Vielfalt auf mindestens zehn Prozent der Fläche sowie die gezielte Entwicklung des ökologischen Landbaus durch attraktive Fördermaßnahmen. Diese Maßnahmen begünstigen den Artenreichtum in der Agrarlandschaft und bewahren angrenzende Gewässer und das Trinkwasser vor einem gefährlich hohen Eintrag an Nährstoffen, Pestiziden und Arzneimitteln. (7)
  • In der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU eine Abkehr von der Prämie pro Hektar hin zu einer Lenkungsprämie mit dem Ziel, die Bewirtschaftung an der Bewahrung der Lebensgrundlagen auszurichten und dabei Natur- und Umweltschutzbelange zu berücksichtigen. Dazu gehört auch die Schaffung dauerhafter Gehölzstrukturen in ausgeräumten Agrarlandschaften sowie die Erhöhung des Waldanteils in waldarmen Regionen.

2. Die EU berücksichtigt in ihrer Bodenschutzstrategie und in einer bodenschützenden EU- Agrarpolitik die Sustainable Development Goals (SDG) der UN

Die Zerstörung des Bodens durch Siedlung und Verkehr sowie durch intensive Landwirtschaft vernichtet die Biodiversität und deren Funktionen. Auf Insektenarten oder bestimmte Standorte wie Moore abzielende politische Programme sind unzureichend. Es bedarf vielmehr eines Umdenkens für an Nachhaltigkeit und Funktionalität orientierter Schutzziele und -strategien, vor allem in der Landwirtschaft. Der Bodenschutz muss auch Ziel der EU-Agrarpolitik in der neuen Förderperiode, sowie des New Green Deals und der Farm-to-Fork-Strategie sein. Eine nationale und eine europäische Bodenschutzstrategie mit konkreten Zielsetzungen, Maßnahmen und Förderprogrammen sind in einem ersten Schritt nötig, so wie es auch die Mission „Soil health and food“ der Europäischen Kommission fordert. Langfristig muss die Diskussion um eine EU-Bodenrahmenrichtline wieder aufgenommen werden.

3. Die Politik entwickelt ein stärkeres Bewusstsein für den Wert des Bodens als sensiblen und unverzichtbaren Lebensraum und als begrenzte Ressource. Und PolitikerInnen engagieren sich für den Boden in der Öffentlichkeit. Das politische Handeln zum Schutz des Bodens kann nur erfolgreich sein, wenn alle Akteure ihren Beitrag leisten. Politische Maßnahmen müssen daher um Maßnahmen der Bildung, Kommunikation und Partizipation ergänzt werden. Diese sollten die Perspektiven unterschiedlicher Gruppen zusammenbringen, den Teilnehmenden eine informierte Meinungsbildung ermöglichen und möglichst konkrete Handlungsperspektiven eröffnen. (8)

4. Es gibt Referenzdaten für einen guten ökologischen Bodenzustand. Die Vielfalt und Verletzlichkeit des Bodenlebens sind bisher nur unvollständig bekannt. Weitgehend unerforscht ist, wie viele Arten durch eine Fehlnutzung der Böden vom Aussterben bedroht oder gefährdet sind. Bestehende Monitoring-Programme müssen hierzu dringend um bodenbiologische Erfassungen erweitert, stärker miteinander vernetzt und mit Blick auf die Funktionen der Bodenorganismen ausgewertet werden

Unterzeichner

Kommission Bodenschutz beim Umweltbundesamt (KBU)

Bundesamt für Naturschutz
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
Bundesverband Boden e.V.
Deutsche Bodenkundliche Gesellschaft
Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz
WWF Deutschland
Zukunftsstiftung Landwirtschaft

Fußnoten

1 https://www.umweltbundesamt.de/boden-biodiversitaet-alles-haengt-allem-zusammen

2 http://www.der-boden-lebt.nrw.de/; https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/c54ece8e-1e4d-11e6-ba9a- 01aa75ed71a1

3 Die Fabrik des Lebens: Weshalb die biologische Vielfalt in unseren Böden so wichtig ist, Europäische Union 2010

4 https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/landwirtschaft/landwirtschaft_bodenatlas_2015.pdf

5 https://www.umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/boden/bodenversiegelung

6 https://polit-x.de/documents/1773006/bund/bundestag/drucksachen/antwort-2019-04-16-auf-die-kleine-anfrage-drucksache-198206- biodiversitat-im-boden

(7) Positionspapier der Kommission Bodenschutz beim UBA (KBU), Böden als Wasserspeicher – Erhöhung und Sicherung der Infiltrationsleistung von Böden…, Umweltbundesamt 2026, https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/377/publikationen/kbu_erhohung_und_sicherung_der_infiltr_ationsleistun g_von_boden_juli_2016.pdf

(8) UBA-Leitfaden Boden eine Sprache geben – 10 Thesen für die Kommunikation von Bodenthemen, Für alle, die aktiv im Bodenschutz tätig sind, Umweltbundesamt 2018, https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/boden-eine-sprache-geben-10-thesen-fuer-die