Hintergrund
Seit 2006 werden in der Außenstelle Gelnhausen des Forschungsinstituts Senckenberg mitochondrialen Haaranalysen zur Unterscheidung von Wild- und Hauskatzen durchgeführt. Seit Ende 2008 werden neben den mitochondrialen Markern auch Mikrosatelliten zur Analyse von Lockstockproben verwendet. Bisherige Highlights des Projekts sind Erstnachweise von Wildkatzen in zahlreichen Regionen Deutschlands, z. B. der als „kleine Sensation“ gefeierte Erstnachweis der Wildkatze im einzigen hessischen Nationalpark, dem NP Kellerwald, im Jahr 2007. Ebenfalls spektakulär ist der genetische Nachweis der Wildkatze im Nationalpark Thayatal in Österreich. Für das „Rettungsnetz Wildkatze“ des BUND konnte 2009 eine erste detaillierte Übersicht über die deutsche Wildkatzenpopulation anhand von Lockstockproben gewonnen werden. Aktuelle Projekte sind unter anderem das „Projekt Wildkatzensprung“ des BUND sowie die Untersuchung der Barrierewirkung von Autobahnen und Flüssen auf Wildkatzen.
Kathrin und Annika forschen im Rahmen ihrer Promotionsprojekte an der Wildkatze. Susanne und Dino führen Laboranalysen durch, kümmern sich um die Probenverwaltung und unterstützen die methodische Weiterentwicklung.
Die Wildkatze
Die Europäische Wildkatze (Felis s. silvestris) gilt als Leitart für die Artengemeinschaft unzerschnittener, strukturreicher Laub- und Mischwälder. Durch die intensive Bejagung bis ins 19. Jahrhundert, sowie die aktuell fortschreitende Lebensraumzerschneidung, gilt sie als stark gefährdet. Neben der Isolation von Wildkatzenvorkommen, die zu einer genetischen Verarmung führen kann, stellt die Introgression von Hauskatzenallelen bei Wildkatzen eine ernstzunehmende Gefahr für das langfristige Überleben in den heimischen Wäldern dar.
Aufgrund der extrem scheuen Lebensweise der Wildkatze konnte diese bis vor wenigen Jahren nur durch Lebendfang, sowie durch Totfunde sicher nachgewiesen werden. Bei Lebendfängen, sowie Sichtbeobachtungen, ist eine Unterscheidung von Wild- und Hauskatzen durch drei Merkmale möglich: klar abgegrenzte schwarze Ringe am Schwanz, 4-5 schwarze Streifen im Nacken, sowie schwarze Streifen auf der Schulter (Krüger, M. et al. 2009). Bei Totfunden liefern morphometrische Merkmale, wie Schädelindex und Darmlänge, eine sichere Unterscheidung.
Weitere interessante Informationen auch in der ZGF Zeitschrift „Gorilla“. HIER
Krüger, M., Hertwig ST, Jetschke G, Fischer MS (2009) Evaluation of anatomical characters and the question of hybridization with domestic cats in the wildcat population of Thuringia, Germany. Journal of Zoological Systematics and Evolutionary Research 47:268-282.
Die Lockstockmethode
Bei bisherigen genetischen Studien zur Wildkatze in Deutschland, wie etwa Hybridisierungsraten und Populationsstrukturberechnungen, wurden ausschließlich Totfunde und Museumspräparate verwendet und es konnten bis dato nur sehr wenige Wildkatzenvorkommen genetisch charakterisiert werden. Durch die nicht-invasive Lockstockmethode kann mit Hilfe von Haarfallen genügend genetisches Probenmaterial von Wildkatzen im Freiland gesammelt werden, ohne das die Wildkatzen einer direkten Beeinträchtigung unterliegen. Die Lockstockmethode, als Lieferant von Haarproben für spätere genetische Untersuchungen, hat sich mittlerweile in zahlreichen Untersuchungen als sehr effektiv erwiesen. Lockstöcke sind einfache Holzpflöcke, die mit Baldrian als Lockmittel eingesprüht werden. Der Baldrian veranlasst die Tiere, sich an den Pflöcken zu reiben, wodurch Haare an den Pflöcken zurück bleiben. Die Haare werden nach dem Absammeln genetisch analysiert, wobei eine Unterscheidung zwischen Haus- und Wildkatzen, sowie eine Individualisierung möglich ist. Klicken Sie hier, um Kathrins YouTube-Clip mit Anweisungen zur Lockstockmethode zu sehen.
Haarproben und die Genetik
Grundsätzlich ist bei Haaren zu beachten, dass Feuchtigkeit, Temperaturwechsel und Sonnenlicht zu einem Abbau der DNA führen. Daher ist die Anzahl an trocken gelagerten Haaren mit Haarwurzel für den Erfolg der genetischen Analyse entscheidend. In den Haarwurzeln ist die Menge an DNA-Molekülen um ein tausendfaches höher als im restlichen Haar. Im Gegenlicht erscheinen Haarwurzeln als durchsichtige Verdickung. Daher dürfen Haare von einem Stück Fell niemals mit einer Schere abgeschnitten werden. Auch sollten Haare niemals auf Klebeflächen fixiert werden, da dies die späteren Analysen sehr stark beeinträchtigt. Das Fixieren der Haare auf Klebestreifen etc. ist nur in Ausnahmefällen nützlich (z.B. wenn man Flächen auf Haar- und Gewebereste absucht, etwa bei forensischen Untersuchungen). Da die Haarwurzel die meiste DNA beinhaltet, kann bei weniger als 5 Haaren mit Wurzel kein genetischer Fingerabdruck erstellt werden. Dennoch kann eine Unterscheidung in Haus- bzw. Wildkatze mittels eines mitochondrialen Markers erfolgen. Bei >5 Haaren mit Wurzel reicht meist die Anzahl an DNA-Molekülen aus und es können 14 Mikrosatellitengenorte untersucht werden. Anhand dieser Untersuchung wird ein genetischer Fingerabdruck erstellt, mit dem u.a. eine Artbestimmung sowie eine Unterscheidung der Individuen erfolgen kann.
Genetik – die Untersuchung der mitochondrialen DNA
Die Untersuchung der mitochondrialen DNA (mtDNA) bieten den Vorteil, dass aufgrund der hohen Kopienanzahl in jeder Zelle schon in kleinen Probenmengen genug DNA für eine Analyse vorhanden ist. Jedoch wird die mtDNA rein maternal vererbt, daher kann bei der späteren Interpretation der Daten nur die Zugehörigkeit des Individuums zur mütterlichen Erblinie festgestellt werden.
Genetik – Mikrosatellitenanalyse
Enthält eine Haarprobe mehr als fünf Haare mit Wurzeln, so kann eine Analyse der nukleären DNA mittels Mikrosatelliten durchgeführt werden. Hierbei werden 14 Genorte, sowie ein Geschlechtsmarker in insgesamt vier Ansätzen je dreimal vervielfältigt und die Fragmentlänge jedes einzelnen Genortes bestimmt. Im Anschluss werden die drei Replikate miteinander verglichen und der Konsensusgenotyp gebildet. Mit dem daraus entstehenden genetischen Fingerabdruck kann der Datensatz auf identische Individuen untersucht werden. Anhand der Fragmentlängen können die Proben mit dem vorliegenden Referenzdatensatz verglichen werden, um Aussagen über die Art- und Populationszugehörigkeit, sowie mögliche Hybridisierungsereignisse zu treffen.
Projekte
In diesen Projekten kooperieren wir mit unterschiedlichen Projektpartnern und Auftraggebern:
- Wildkatzenmonitoring in Deutschland und angrenzenden Regionen (zahlreiche Auftraggeber)
- Der Wildkatzensprung (BUND)
- Monitoring der Wildkatze im Nationalpark Kellerwald-Edersee (Nationalpark Kellerwald-Edersee, Institut für Tierökologie und Naturbildung)
- Untersuchung der Populationsstruktur und Barrierewirkung bei der Wildkatze im Rheingau-Taunus-Gebiet (Hessen Forst FENA)
- Regionale Populationsstruktur und Rekonstruktion der Wiederbesiedlung von Wildkatzenlebensräumen in der Rhön (RhönNatur e.V., Biosphärenreservat Rhön)
Möglichkeiten zur wissenschaftlichen Kooperation
Wir bieten genetische Untersuchungen von Haarproben, zur Identifizierung und Individualisierung von Wildkatzen an. Nähere Informationen finden sie hier.