Geschichte der Crustaceen Sektion
Die Crustaceen-Sektion gehört zu den ältesten des Senckenberg. Sie wurde von Eduard Rüppell nach Rückkehr aus Arabien 1828 gegründet und zunächst von ihm geleitet. Er veröffentlichte 1830 seine erste Arbeit zu diesem Taxon an 24 Krebsarten aus dem Roten Meer (Rüppell, 1830). Aber schon davor, in den 1820er Jahren, unternahm Rüppell seine erste Expedition nach Ägypten, und es ist wahrscheinlich, dass er zu dieser Zeit auch bereits Meerestiere sammelte, wofür es jedoch keine Belege gibt. Die erste handschriftliche Aufzeichnung eines in der Senckenberg-Sammlung hinterlegten Krustentiers stammt aus dem Jahr 1826. Es handelt sich dabei um ein von Rüppell im Roten Meer gesammeltes Exemplar der Krabbe Ashtoret lunaris (Forskål, 1775). Aus dem Jahre 1832 stammt ein noch heute erhaltener handschriftlicher Katalog von Adolf Reuss, der die Sektion anschließend im Vernehmen mit E. Rüppell weiterleitete. Nachdem E. Rüppell etwa um 1834 die Crustaceenforschung niedergelegt hatte, wurde die Sektion bis 1878 von anderen Sektionären (z. B. dem Botaniker J. B. G. W. Fresenius) mitverwaltet.
Erst am 26. Mai 1878, mit der Übernahme der Sektion durch Ferdinand Richters [*1849 -✝1914], begann eine Phase eigener wissenschaftlicher Arbeiten. Aus dieser Zeit stammt auch ein weiterer handschriftlicher Katalog der Sammlung (1880) und eine detaillierte Kartei, die bei historischen Recherchen sehr gute Dienste leistet.
Im Jahre 1912 kam als weiterer Mitarbeiter Alexander Sendler [*1878 – ✝1914] in die Sektion. Nach dem Tode von F. Richters am 3. Juli 1914 übernahm er die Leitung der Sektion. Nur drei Monate später fiel auch er im Ersten Weltkrieg [10. Oktober 1914, bei St. Mihiel südl. Verdun]. Mit seinem Tode verwaiste die Sektion erneut und wurde von den Kustoden für Wirbellose Tiere (F. Haas, A. Zilch) mitverwaltet.
Seit 1946 wurde die Crustaceensektion wieder durchgehend wissenschaftlich geleitet, nachdem Richard Bott [*1902–✝1974] aus der Gefangeschaft am Ende des Zweiten Weltkrieges zurückgekehrt war. Er arbeitete fast ausschließlich an Flußkrebsen und Süßwasserkrabben und baute eine große Sammlung mit viel Typenmaterial auf. Auch die Anzahl der Publikationen und Monographien aus der Sektion schnellte in dieser Zeit in die Höhe.
Nach dem Tode Richard Botts am 27. Januar 1974 übernahm Michael Türkay, zunächst als Assistent, dann (ab 1976) als vollamtlicher Angestellter die Crustaceensektion. Michael Türkay (*1948–✝2015), kam als junger Student zu Senckenberg. Von 1974 bis zu seinem Tod arbeitete er an Dekapoden Krebsen aus der Tiefsee und dem Orient, aber auch aus der Nordsee und dem Mittelmeer. Türkay pflegte enge Verbindungen zu „Senckenberg am Meer “ in Wilhelmshaven, wo er jedes Jahr die Sommerfeldkurse der Senckenberg-Schule für junge Museumstechniker durchführte. Seine guten Beziehungen zu japanischen Wissenschaftlern (unter anderem: T. & K. Sakai, K. Matsuzawa) führten zu einer Reihe riesiger Sammlungsspenden japanischer Krebstiere, die wahrscheinlich eine der weltweit größten japanischen Krabbensammlungen außerhalb Japans sind.
Mit Ausweitung der deutschen Meeresforschung gelangte viel Tiefsee-Material in die Sammlung und der Forschungsschwerpunkt verschob sich hin zu den marinen Dekapoden. Weitere Angaben zur Geschichte der Sektion finden sich in Artikeln von M. Türkay in „Natur und Museum“ (Mai-Heft 1981, Seiten 151-157) und Senckenberg-Buch 68 (1992). Michael Türkay verstarb am 9. September 2015 im Alter von 67 Jahren.
Ausgewählte Highlights des letzten und des beginnenden 21. Jahrhunderts sind umfangreiche Monographien über Krebse und Süßwasserkrebse (Bott, 1955; Türkay 1974, 1975) sowie umfangreiche Arbeiten zu Tiefseedekapoden aus dem Roten Meer (Türkay 1986) sowie verschiedene Publikationen zum Langzeitmonitoring der Dogger Bank in der Nordsee (z.B. Türkay 1991, 1992; Türkay & Kröncke 2004; Sonnewald & Türkay 2010, 2012a, b, c).
Seit April 2017 ist Angelika Brandt Kuratorin der Sektion. Die Sammlung erhält damit einen weiteren Schwerpunkt, die Ranzenkrebse (Peracarida) und insbesondere die Asseln (Isopoda). Dadurch erreicht die Crustaceen-Sammlung nun an auch was die Isopoden angeht eine international bedeutsame Größe. Frau Brandt hat bereits vor Antritt ihrer Stelle lange mit dem Senckenberg Forschungsinstitut zusammengearbeitet. Sie war Mitglied der Gründungskommission des Deutschen Zentrums für Marine Biodiversitätsforschung (DZMB ) in Wilhelmshaven und Hamburg als Teil des Senckenberg Forschungsinstituts.
Im Rahmen der Volkszählung der Meeresorganismen hat A. Brandt in den Steuergremien des Antarktis- (CAML — Census of the Diversity of Antarctic Marine Life) und des Tiefsee-Feldprojektes (CeDAMar — Census of Diversity of Abyssal Marine Life) mitgearbeitet. Ihre Arbeit dokumentierte die hohe Biodiversität der Tiefsee-Wirbellosen im Südpolarmeer (z. B. Brandt et al. 2007). Die heutige Forschung Frau Brandts konzentriert sich auf Systematik, Ökologie und Evolution perakarider Krebstiere, insbesondere der Isopoda, aus Tiefsee- und Polarhabitaten. Darüber hinaus arbeitet die Sektion weiterhin im Roten und dem Arabischen Meer sowie in der Nord- und Ostsee.