Die wissenschaftlichen Aktivitäten der Sektion bestehen aus zwei Komponenten:
Taxonomie, Systematik und Zoogeographie der Meeres- und Süßwasserfische im Bereich des nord-westlichen Indischen Ozeans (Forschungsbereich 1: Biodiversität, Systematik und Evolution);
Biodiversitätsforschung und umweltrelevante Forschung (Forschungsbereich 2: Biodiversität und Umwelt).
Aktuell in Bearbeitung sind Projekte in der Nordsee und im Atlantik:
BMBF Projekte über die Deutsche Allianz Meeresforschung (DAM) mit dem Titel „Mobile grundberührende Fischerei in marinen Schutzgebieten der Deutschen AWZ der Nordsee (MGF-Nordsee)“.
Litoralfische der Arabischen Meere (Rüppell, Klausewitz, Krupp)
Die Meere der Arabischen Region – das Rote Meer, der Golf von Aden, das Arabische Meer, der Golf von Oman und der Golf – bilden eine zoogeographische Einheit innerhalb des Indischen Ozeans. Ihre Fischfauna umfasst nach dem derzeitigen Kenntnisstand etwa 2000 Arten. Die Forschungsarbeiten der Sektion beinhalten eine Bestandsaufnahme und taxonomische Revision der Litoralfische und eine auf diesen Ergebnissen basierende zoogeographische Analyse. Taxonomie und Systematik auf vergleichend-morphologischer Grundlage bildeten bisher die Basis der Forschungsarbeiten. In Zukunft werden molekulargenetische Methoden hinzukommen.
Der geographische Forschungsschwerpunkt in der Arabischen Region ging mit dem traditionellen Sammlungsschwerpunkt der Sektion einher. Die beiden nahezu abgeschlossenen Seitenarme des nord-westlichen Indischen Ozean, das Rote Meer und der Golf, eigneten sich aufgrund ihrer spezifischen paläogeographischen und hydrographischen Gegebenheiten und der damit verbundenen, graduell nach Norden zunehmenden genetischen Isolation von Fischpopulationen in besonderem Maße für biogeographische und evolutionsbiologische Studien.
Tiefseefische des Roten Meeres und des Golfes von Aden (Klausewitz, Krupp, Rüppell)
Während die hydrographischen Verhältnisse des Golfes von Aden weitgehend mit denjenigen anderer Teile des Indischen Ozeans übereinstimmen und dieses Meeresbecken primäre, kalt-stenotherme Tiefseefische aufweist, bedingen die hydrographischen und ozeanographischen Verhältnisse des Roten Meeres, verbunden mit der Isolation des Tiefenwassers vom angrenzenden Indischen Ozean, eine artenarme, durch einen hohen Anteil nur hier vorkommender Arten (Endemiten) gekennzeichnete Fauna sekundärer Tiefenwasser- und Tiefseefische. Vor diesem Hintergrund wurden, als Grundlage für eine kausale zoogeographische Analyse, die Diversität der Tiefseefische beschrieben, Muster der vertikalen Verbreitung ermittelt und ökologische Gruppen definiert. Diese Arbeiten wurden von W. Klausewitz und Mitarbeitern begonnen und später unter Krupp weitergeführt.
Grundlage der Arbeiten bildete eine taxonomische Revision der Tiefseefische des Untersuchungsgebietes. Für das Rote Meer wurden 157 Arten in 118 Gattungen und 73 Familien nachgewiesen, für den Golf von Aden 340 Arten in 212 Gattungen und 105 Familien.
Die vertikale Verbreitung einer jeden Art wird kartiert und die Fisch-Diversität in einzelnen Tiefenstufen ermittelt. Eine explorative Clusteranalyse unter Hinzuziehen biologischer und ökologischer Daten erlaubte die Definition ökologischer Gruppen und die Ermittlung der vertikalen Zonierung. Der Fischbestand des Roten Meeres nimmt mit zunehmender Tiefe ab. Die Fischdiversität der Tiefsee des Roten Meeres wird von Aalartigen (Anguilliformes) dominiert, darunter eine hohe Anzahl an Endemiten. Nach derzeitigem Kenntnisstand kommen 44 Arten ausschließlich im Roten Meer vor, was einem Endemismus von 28 % entspricht.
Populationsdynamik bei Rifffischen (Krupp)
Neben taxonomischen Studien waren Freilanduntersuchungen an Rifffischen ein wesentlicher Bestandteil der Forschungsaktivitäten der Sektion. Entlang von fest installierten Unterwasser-Transekten (Profilinien) werden Rifffische in einem definierten Areal nach Arten getrennt über längere Zeiträume regelmäßig gezählt. So erhalten wir ein komplexes Bild der Langzeitentwicklung von Fischpopulationen.
Die seit 1991 im Golf regelmäßig durchgeführten Populationsuntersuchungen an Rifffischen waren von besonderem Interesse, da sie die Auswirkungen katastrophaler Ereignisse auf Fischpopulationen dokumentierten. Während der durch den Golfkrieg verursachten Ölpest nur vorübergehende Schädigungen zuzuschreiben waren und sich Fischpopulationen nach etwa zwei Jahren erholt hatten, sind die Auswirkungen der seit 1996 durch erhöhte Meerestemperaturen verursachten Korallenbleiche, des Ausbleichens und anschließenden großflächigen Absterbens von Korallenriffen, weitaus dramatischer. Es kam zu einer deutlichen Abnahme in der Zahl der Fische pro Flächeneinheit ebenso wie zu einer Verschiebung des Artenspektrums, wobei in abgestorbenen Riffgebieten einige obligat korallenassoziierte Fischarten verschwunden sind.
Mit einer zeitlichen Verzögerung von etwa zwei Jahren setzt nach der Korallenbleiche ein Rückgang der Rifffischpopulationen ein. Arten, die eng mit Korallen assoziiert sind, wie der Arabische Rippenfalterfisch (Chaetodon melapterus) sind am stärksten betroffen, während die Bestände des Arabischen Doktorfisches (Acanthurus sohal), ein Algenfresser des Flachwassers, zunehmen.
Taxonomie und Zoogeographie der Süßwasserfische des Vorderen Orients
Der Vordere Orient ist die einzige Zone der Erde, in der drei zoogeographische Regionen, die Paläarktis, die Orientalis und die Afrotropis aufeinandertreffen. So kam es zu einem Austausch von Fischfaunen über ein ständig wechselndes Netz von Flusssystemen. Mit aufkommender Desertifikation wurden die einzelnen Gewässernetze zunehmend voneinander isoliert. Im Vordergrund der Forschungsaktivitäten stehen eine Rekonstruktion dieses Austausches von Fischfaunen zwischen Europa, Asien und Afrika über die Vorderasiatische Landbrücke sowie Speziationsprozesse in diesem Durchgangs- und Rückzugsgebiet infolge zunehmender Fragmentierung von Gewässernetzen. Die Bestandsaufnahme, taxonomische Revision und Kartierung der Süßwasserfische des Vorderen Orients konzentriert sich derzeit auf die Arabische Halbinsel.
Bestimmungsführer für die Fischereibiologie (Krupp)
Aufgrund der horizontalen und vertikalen Ausweitung der Fischereigründe und der Diversifikation im Artenspektrum der Anlandungen sowie einer zunehmenden Gefährdung der marinen Umwelt durch die Fischerei kommt der Taxonomie eine immer bedeutendere Rolle in Fischereiplanung und -management zu. Seit vielen Jahren arbeitet die Sektion Ichthyologie mit dem biotaxonomischen Programm der Welternährungsorganisation (FAO) der Vereinten Nationen bei der Umsetzung von Ergebnissen taxonomischer Grundlagenforschung für die praktischen Belange von Fischerei und marinem Umweltschutz zusammen. Mit dem Gemeinschaftsprojekt „Species Identification Guide for Fishery Purposes, Eastern Central Pacific“ folgten FAO und Senckenberg einer Anfrage der Regierungen der mittelamerikanischen Staaten, die als Grundlage für ihre Fischereiplanung dringend ein Bestimmungswerk benötigten. In einem dreibändigen Katalog von über 1800 Seiten wurden erstmals bebilderte Bestimmungsschlüssel und Beschreibungen aller wirtschaftlich genutzten, nutzbaren oder ökologisch wichtigen Meeresorganismen von Makroalgen bis Meeressäugern vorgelegt. Da aus diesem Raum nur wenige, zumeist unzuverlässige, publizierte Informationen vorlagen, wurde das Werk unter Mitarbeit von über 60 Taxonomen erstellt. Das Manuskript wurde in Mittelamerika auf Vollständigkeit und Zuverlässigkeit der Bestimmungsschlüssel getestet. Diese Feldarbeit diente gleichzeitig dem Training von Fischereibiologen aus der Region, die in den Gebrauch der Bestimmungsschlüssel und in die Sammlung von Fischereidaten auf Artniveau eingewiesen wurden.
Anschließend wurde, wiederum in Zusammenarbeit mit der FAO, ein Bestimmungsführer zur marinen Flora und Fauna des Golfes, herausgegeben. In diesem Werk werden erstmals alle Fischarten erfasst, die bisher aus dem Golf bekannt sind.