Eisbären

Genome erzählen die Geschichte der Braun- und Eisbären


Eis­ und Braunbären sind die größten Landraubtiere unserer Zeit und faszinieren den Menschen durch ihre Kraft und Eleganz. Ihre große Ähnlichkeit zueinander lässt auch Laien erkennen, dass diese Bären nahe miteinander verwandt sind.

 

Braunbären

Während der Braunbär jedoch ein Generalist ist, der temperate Klima Zonen bevorzugt und von Fisch, Hasen, Kadavern, Beeren und Wurzeln lebt, hat sich der Eisbär nicht nur an die unwirtliche Arktis anpassen können, sondern diese auch zu seinem bevorzugten Lebensraum gemacht. Außer Robben und kleineren Walen gibt es für ihn dort nicht viel zu fressen, und entsprechend spezialisiert ist seine Speisekarte.  

Eine spannende Frage ist: „Wie und wann hat sich der Eisbär in der Evolution von seinem Vetter entfernt und angepasst?“ in jüngster Zeit fragen sich zudem viele: „Wird der Eisbär den Klima Wandel überleben?“

Die Geschichte des Eisbären ist nur schlecht durch Fossilien dokumentiert. Eisbären verbringen einen Großteil ihres Lebens auf dem arktischen Eis. Ihre Gebeine verschwinden in den Tiefen des Meers. in den 1960er Jahren konnte Björn Kurtén, ein finnisch-schwedischer Paläontologe, anhand morphometrischer Betrachtungen die Aufspaltung von Eis- und Braunbären nur grob auf 1 Million Jahre abschätzen. genetische Studien wurden daher ungeduldig erwartet, um die Verwandtschaft und Aufspaltungszeit genauer berechnen zu können. 

In den 1990er Jahren beruhten die ersten genetischen Studien zur Evolution der Bären auf Analysen von DANN-­Sequenzen des mitochondrialen Genoms (mtDNA). Lebewesen mit Zellkernen (Tiere, Pflanzen, Pilze) haben neben den Zellkernen noch ein kleines zusätzliches Genom in den Mitochondrien – Zell Organellen, die als Kraftwerke der Zellen bekannt sind. Deren Erbmaterial ist in zahlreichen Kopien vorhanden und einfach zu isolieren, wodurch die mtDNA in den 1990er Jahren zum Molekül der Wahl für Evolutions­studien wurde. 

Die stammesgeschichtliche Analyse von Teilen der mtDNA ergab eine große Überraschung, denn sie ließ vermuten, dass die Eisbären keine eigene Art sind. Vielmehr waren nach diesen Daten ihre nächsten Verwandten eine gruppe von Braunbären, die heute auf den Abc Inseln, einer Inselgruppe vor der Küste Alaskas, leben. Die genetische Datierung ergab außerdem ein unerwartet junges alter von ca. 100.000  ­ 150.000 Jahren für die Trennung von Eis- und Braunbären. 

Wir setzten es uns 2010 zur Aufgabe, die Anpassung an extreme Klimabedingungen zu studieren, und wählten das ungleiche Paar von Braun-­ und Eisbären als Objekt für genetische Studien. Die scheinbar rasche Anpassung des Eisbären an seinen extremen Lebensraum in nur 150.000 Jahren versprach spannende Ergebnisse. Die ultimative genetische Analyse ist der Vergleich von gesamten Genomen und deren drei Milliarden Bausteinen, da das Genom die gesamte Erbinformation und Evolutionsgeschichte eines Organismus codiert. Ein Genom vom Eisbären wurde 2011 sequenziert, aber niemand interessierte sich zu diesem Zeitpunkt für den Vergleich mit dem Braunbären. In der Epoche der Genom Analysen war es selbst für unsere kleine gruppe (mit Dr. Frank Hailer, Dr. Björn Hallström, Verena Kutschera und Vikas Kumar) in Zusammenarbeit mit bgi (China) und bioforsk (Norwegen) möglich, im selben Jahr das gesamte Genom des Braunbären zu entschlüsseln. Dies war das erste deutsche Genom Projekt eines wildlebenden Säugetieres. Der Vergleich der ca. 24.000 Gene soll in den nächsten Jahren zeigen, welche Gene der Bären für ihre Anpassungen an den Lebensraum wichtig sind. 

Eisbär

Eis- und Braunbären sind zwei verschiedene Arten 

Unsere ersten Analysen anhand von wenigen Genen bargen eine große Überraschung: Die DNA von Eis- und Braunbären unterschied sich an mehr Stellen, als es eine 150.000 Jahre lange Evolution erwarten ließ. Wir sequenzierten daher weitere Genorte für insgesamt 45 Bären, um dem unerwarteten Ergebnis genauer nachzugehen. Die Analyse ergab eine kleine Sensation: Eis- und Braunbären sind eindeutig zwei verschiedene Arten, die sich schon vor 600.000 Jahren trennten. Dieses Ergebnis überraschte selbst die Fachwelt und wurde im April 2012 zur – Titelstory des renommierten Wissenschaftsjournals SCIENCE. 

Die unterschiedlichen Ergebnisse der genomischen DNA und mtDNA Analysen lassen sich durch Hybridisierung von Braun­ und Eisbär in der eem­Warmzeit vor ca. 125.000 Jahren erklären. Zu diesem Zeitpunkt kreuzten sich Braunbär Weibchen und Eisbär Männchen und vermachten die mütterlicherseits vererbte mtDNA ihren Nachkommen, wodurch Braunbär mtDNA in die heutige Eisbär Population gelangte. Gerade dieses eingekreuzte Genmaterial wurde in mtDNA Studien untersucht und verfälschte die früheren Studien zur Evolution der Bären. Eis- und Braunbären hybridisieren auch heute noch und haben fertile nachkommen. Es wird vermutet, dass die zunehmend späte Vereisung Eisbären zwingt, länger an Land zu bleiben, womit sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, auf paarungswillige Braunbären zu treffen. Diese Mischnachkommen (Hybride) sind als prizzly bears (polar bear/grizzly) oder auch grolars (grizzly/polar bear) bekannt.  

Braunbären

Wir fanden durch den Vergleich der Genome von braun­ und Eisbären bisher ca. 150 Gene, die Zeichen von Anpassung (positiver Selektion) zeigen. Wir untersuchen nun, welche Funktion diese Gene und welche Verbreitung sie in Bären haben, um mehr über die Erblichkeit von Anpassungen zu lernen. Andere Forschungspartner (örebro universitätskrankenhaus, Schweden) sind an Bärengenen interessiert, die das Überwintern ermöglichen. Während der Überwinterung liegen Braunbären über viele Monate nahezu regungslos in Höhlen. Trotzdem zeigen Bären keine Zeichen von Muskel­ oder Knochenschwund, während Raumfahrer und bettlägerige nach schon 2 Wochen einen deutlichen Verlust an Muskelmasse und knochendichte zeigen. Bären können sich zudem bis zu 50 % ihres Gewichts an körperfett anfressen und haben cholesterinwerte, die beim Menschen gesundheitlich höchst bedenklich wären. Trotzdem zeigen Bären selbst in hohem Alter keine Arterienverkalkung (Arteriosklerose). Dies macht den Vergleich von Bären Genomen zu einem interessanten Forschungsfeld für Medizin und Raumfahrt.  

Nach unseren Berechnungen trennten sich Braun­ und Eisbär vermutlich im Cromer­ interglazial, einer Zwischeneiszeit vor 800 ­ 480.000 Jahren. Der Eisbär hätte dann drei warme interglaziale überstanden. Allerdings ging dies auf Kosten der genetischen Variabilität, die geringer ist als die des Braunbären. Aufgrund schrumpfender arktischer Lebensräume ging vermutlich in jedem interglazial die Zahl der Eisbären und damit die Menge an genetischer Variation zurück. Solche genetischen Flaschenhälse gefährden eine Art, weil geringere genetische Variabilität auch eine geringere Anpassungsfähigkeit an Veränderungen der Umwelt (Temperatur, Nahrung, Parasiten) bedeutet. Für das Überleben des Eisbären kommen heute die Anreicherung von Umweltgiften, die Jagd sowie der durch menschliche Nutzung der Arktis zusätzlich verkleinerte Lebensraum erschwerend hinzu.  

Autor

Mitarbeiterfoto
Prof. Dr. Axel Janke
kam 2010 von der Universität Lund (Schweden) an das BiK­F und die Goethe­Universität (Frankfurt). Als Genetiker ist er an der Evolution von Wirbeltieren, insbesondere der von Säugetieren, interessiert. Im Jahr 1994 veröffentlichte er die erste phylogenetische Analyse vollständiger mitochondrialer Genome, um die Evolution der Säugetiere zu verstehen. Zur gleichen Fragestellung veröffentlichte er 2007 zusammen mit Björn Hallström die erste phylogenomische Studie, in der 3000 orthologe Gene von 13 Genomen analysiert wurden. Heute studieren er und sein Team um Frank Hailer die Genetik der arktischen Anpassung. Die Analyse genomischer Sequenzen zeigte, dass Eisbären eine alte und separate Bärenlinie sind.

CV

I am interested in the evolution of vertebrates in general, including marsupials, birds, almost every placental mammalian order, lizards, snakes, crocodiles and fishes. Besides reconstructing and dating their evolutionary tree, placing the events into larger contexts of e.g. biogeography, plate tectonics and climate is exciting. The increasing amount of genomic data show that evolution may not be a bifurcating process, but seeing it as a network will enhance our understanding of evolution. Currently – as of January 2017 – I am interested and working on the following topics for which PhD, master or project students are welcome:
Giraffe Research  
Mammalian phylogenomics (see D2.3)
Arctic adaptation (see D2.4)
Genomics and speciation (see D2.3)
Genomics and climate (environmental) change (see D2.4)
The basic divergences of crocodiles
The evolution of marsupials
Click here for more information about the topics.

External links

Publications, Citations, h- and i10-index
Who is Who in Phylogenetic Networks

LOEWE Centre for Translational Biodiversity Genomics

Selected recent publications

Bruno Lopes da Silva Ferrette, Raphael TF Coimbra, Sven Winter, Menno J De Jong, Samuel Mackey Williams, Rui Coelho, Daniela Rosa, Matheus Marcos Rotundo, Freddy Arocha, Bruno Leite Mourato, Fernando Fernandes Mendonça, Axel Janke (2023) Seascape genomics and mitogenomic phylogeography of the sailfish (Istiophorus platypterus) . Genome Biology and Evolution 

Menno J de Jong, Aidin Niamir, Magnus Wolf, Andrew C Kitchener, Nicolas Lecomte, Ivan V Seryodkin, Steven R Fain, Snorre B Hagen, Urmas Saarma, Axel Janke (2023) Range-wide whole-genome resequencing of the brown bear reveals drivers of intraspecies divergence. Communications Biology 6 (1), 153 

Magnus Wolf, Menno De Jong, Sverrir Daníel Halldórsson, Úlfur Árnason, Axel Janke (2022) Genomic Impact of Whaling in North Atlantic Fin Whales. Molecular biology and evolution 39 (5) 

Raphael TF Coimbra, Sven Winter, Vikas Kumar, Klaus-Peter Koepfli, Rebecca M Gooley, Pavel Dobrynin, Julian Fennessy, Axel Janke (2021) Whole-genome analysis of giraffe supports four distinct species. Current Biology

Stefan Prost, Sven Winter, Jordi De Raad, Raphael TF Coimbra, Magnus Wolf, Maria A Nilsson, Malte Petersen, Deepak K Gupta, Tilman Schell, Fritjof Lammers, Axel Janke (2020) Education in the genomics era: Generating high-quality genome assemblies in university courses. Gigascience

Arnason,  U., Lammers, F., Kumar, V., Nilsson, M.A. Janke A (2018) Whole-genome sequencing of the blue whale and other rorquals finds signatures for introgressive gene flow. Science Advances

Kumar, V., Lammers, F., Bidon, T., Pfenninger, M., Kolter, L., Nilsson, M.A. and Janke, A. (2017) The 
evolutionary history of bears is characterized by gene flow across species. Scientific Reports 

Fennessy, J., Bidon, T., Reuss, F., Kumar, V., Elkan, P., Nilsson, M.A., Vamberger, M., Fritz, U. and Janke, A. (2016) Multi-locus analyses reveal four giraffe species instead of one. Current Biology

Bidon, T., Schreck, N., Hailer, F., Nilsson, M.A., Janke A (2015) Genome-wide search identifies 1.9 megabases from the polar bear Y chromosome for evolutionary analyses. Genome Biol Evol

Gallus, S., Hallström, B.M., Kumar, V., Janke, A., Ning, Z., Murchison, E.M., Yang, F., Fu, B., Bertelsen, M.F., Schumann, G.G., Nilsson, M.A. (2015) Evolutionary histories of transposable elements in the genome of the largest living marsupial carnivore, the Tasmanian devil. Mol Biol Evol (early access)

Kutschera, V. E., Bidon, T., Hailer, F., Rodi, J. L., Fain, S. R., Janke, A. (2014) Bears in a forest of gene trees: Phylogenetic inference is complicated by incomplete lineage sorting and gene flow. Molecular Biology and Evolution, MBE2014/06/05/molbev.msu186

Bapteste, E., van Iersel, L., Janke, A., Kelchner, S., Kelk, S., McInerney, J. O., Morrison, D. A., Nakhleh, L., Steel, M., Stougie, L., Whitfield, J. (2013) Networks: expanding evolutionary thinking. Trends in Genetics 29:439-441. doi: 10.1016/j.tig.2013.05.007.

Arnason,  U., Lammers, F., Kumar, V., Nilsson, M.A. Janke A (2018): Whole-genome sequencing of the blue whale and other rorquals finds signatures for introgressive gene flow. Science Advances.