Rhodolithenbank vor Spitzbergen

Senckenberg am Meer

Meeresforschung

Wilhelmshaven

Moin und willkommen!

Die Abteilung Meeresforschung in Wilhelmshaven vernetzt mit ihren vier Fachgebieten (Aktuopaläontologie, Meeresbiologie, Marine Sedimentologie, Meeresgeologie) geologische und biologische Fragestellungen in den küstennahen Wattenmeeren und auf dem offenen Schelf. Der räumliche Forschungsschwerpunkt liegt naturgemäß in der Nordsee. Über internationale Verbundprojekte ist die Meeresforschung auch an der geo-biologischen Erforschung der Kontinentalränder und Seeberge im Nordatlantik und im Mittelmeer aktiv beteiligt.

Darüber hinaus erforschen wir die Küstenentwicklung in der Nordsee seit dem Ende der letzten Eiszeit und sind somit in der aktuellen Thematik der Meeresspiegelentwicklung und dem Küstenschutz ein wichtiger Kooperationspartner im Nordwest-Verbund Meeresforschung. Vor dem Hintergrund einer Nordsee im Wandel durch Meeresspiegelanstieg, Temperaturerhöhung, dem Einwandern neuer Arten sowie der verstärkten wirtschaftlichen Nutzung (Windparks, Tourismus, Rohstoffe, Schiffsverkehr, etc.) ist die Meeresforschung zunehmend in Projekten von sozio-ökonomischer Relevanz eingebunden, die sich an der Flora-Fauna-Habitat Richtlinie (FFH) sowie der Vogelschutzrichtlinie (VRL) in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftzone (AWZ) orientieren. Dazu besitzt die Senckenberg Meeresforschung in Wilhelmshaven viele mehrere Jahrzehnte zurückreichende biologische Langzeitserien, die den Wandel in der Nordsee nachhaltig belegen. Mit dem Forschungskutter „Senckenberg“ und seinen wattfähigen Arbeitsbooten ist die Abteilung Meeresforschung nahezu täglich „vor Ort“ zu finden.

Europa vor 160 Millionen Jahren 
Meeressaurier
Im zweiten Teil der Reihe „Senckenberg forscht“ nehmen wir Euch mit nach Wilhelmshaven zu Senckenberg am Meer! Hier erfahrt Ihr viel über unsere Meeresforschung, Tiefsee-Bergbau und warum man Lebensräume erst verstehen muss, bevor man sie nachhaltig nutzen kann!
Die Tiefsee ist der größte Lebensraum der Erde – etwa 50 Prozent der gesamten Erdoberfläche liegen unterhalb von 1000 Metern Tiefe im Ozean. Trotz der extremen Lebensbedingungen ist die Tiefsee Heimat für Organismen, die sich auf vielfältige Weise angepasst haben: vom Riesenkalmar über den Pelikanaal bis hin zu blaugrün leuchtenden Schlangensternen und der „Alarmqualle“. Magisch, unheimlich und faszinierend ist dieses unbekannte Universum.
Vortrag von Dr. Gritta Veit-Köhler (Senckenberg am Meer, Wilhelmshaven) Von neuen eisfreien Regionen in der Arktis zu den Seegraswiesen Floridas, von der antarktischen Tiefsee zum Wattenmeer: Unzählige Arten von Fadenwürmern und Ruderfußkrebsen tummeln sich in Sand und Schlick. Sie gehören zur Meiofauna, Tieren, die kleiner als 1 Millimeter sind. Manche Arten haben Verbreitungsgebiete, die sich über ganze Ozeane erstrecken, andere kommen nur lokal vor. Die Vielfalt zwischen den Sandkörnern zu beschreiben ist die Arbeit von Taxonomen, ihre Funktion für das System Meeresboden untersucht die Ökologie. Aktuelle Ergebnisse aus der Forschung, etwas Chemie, 3D-Bilder und kurze Filme nehmen die Zuhörer mit auf eine Reise in die mikroskopische Welt der Meiofauna. Die Meeresbiologin Gritta Veit-Köhler leitet das Fachgebiet „Ökologische Biodiversitätsforschung“ am Deutschen Zentrum für Marine Biodiversitätsforschung (Senckenberg Wilhelmshaven). Gemeinsam mit ihren Student*innen erforscht sie die Meiofauna in Polargebieten, in der Tiefsee und in strandnahen Lebensräumen, wie im Watt auf Sylt oder in Seegraswiesen an der Golfküste Floridas.
Schiffsabfälle wurden früher über die Reling direkt ins Meer entsorgt. Die Seeleute sprachen salopp vom „blauen Regal“, das den Müll aufnahm. Auch wenn diese Form der Abfallbeseitigung inzwischen verpönt ist, nimmt die Verschmutzung der Meere weiterhin zu. Erschreckend sind etwa die Bilder riesiger Müllstrudel, die großflächig im Meer treiben, oder von Plastikmüll, der zahllosen Meeresbewohnern zum Verhängnis wird und inzwischen selbst in den entlegensten Meeresgebieten von Arktis und Antarktis sowie in 11 Kilometern Tiefe im Marianengraben gefunden wird. Der Vortrag führt dies eindringlich vor Augen, belässt es jedoch nicht bei apokalyptischen Gedanken, sondern zeigt auch konstruktive Wege auf, wie wir das „blaue Regal“ abschaffen und stattdessen einen „Blue Ocean“ pflegen können. André Freiwald ist Paläontologe und Meeresgeologe, leitet die Abteilung Meeresforschung von Senckenberg am Meer in Wilhelmshaven und hat die Professur Meeresgeologie an der Universität Bremen inne. Auf seinen Expeditionen, bei denen er mit Unterwasserrobotern den Meeresboden untersucht, findet er überall Zeugnisse der weltweiten Verschmutzung.
Vortrag von Prof. Dr. Helmut Hillebrand. Der Mensch verändert die marinen Ökosysteme und ihre Artenzusammensetzung grundlegend. Diese spielen aber eine wichtige Rolle für verschiedene Funktionen, von denen auch der Mensch direkt abhängt. Viele dieser komplexen Zusammenhänge sind dabei noch lange nicht vollends erforscht. Auch die Entscheidung, was wir im Ozean nutzen und erhalten wollen, ist schwierig, denn das bisherige Wissen basiert weitgehend auf Landökosystemen und ist nicht ohne weiteres auf die marinen Gebiete übertragbar. Fest steht jedoch, dass wirksame Konzepte zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der Meere nur entwickelt werden können, wenn naturwissenschaftliche Grundlagenforschung mit sozialwissenschaftlicher Ursachenforschung und naturschutzrelevanter Konzeptentwicklung verbunden wird. Planktologe Prof. Dr. Helmut Hillebrand erforscht seit vielen Jahren die biologische Vielfalt der Meere. Er ist Gründungsdirektor des Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität (HIFMB) und ist in seinem Fachgebiet einer der meistzitierten Wissenschaftler der Welt.  
Vortrag von Dr. Sven Petersen (Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel) Der weltweite Rohstoffbedarf wird auch in den nächsten Dekaden weiter ansteigen, eine mögliche Quelle für die zukünftige Rohstoffversorgung liegt in den Tiefen der Ozeane. Zu den Rohstoffen, die aus der Tiefsee gefördert werden sollen, zählen Manganknollen, Kobaltkrusten und Massivsulfide. Häufig werden diese als „nachwachsende“ Rohstoffe bezeichnet, was allerdings irreführend ist, da ihre Entstehung mehrere Jahrtausende oder sogar Jahrmillionen dauert. Der mögliche Tiefseebergbau hätte erhebliche Auswirkungen auf die ozeanischen Lebensräume und Lebensgemeinschaften – lässt sich dies rechtfertigen, und ist ein Abbau überhaupt geologisch sinnvoll, ökonomisch lohnend oder technisch machbar? Um welche Mengen und Kosten geht es, und wer entscheidet überhaupt, was hier erlaubt ist? Geologe Sven Petersen (Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel) erforscht u.a. die Entstehung und Entwicklung mariner Rohstoffe sowie das Potential der Rohstoffgewinnung aus dem Meer. Er ist skeptisch, ob sich die ökologischen Folgen des Tiefseebergbaus rechtfertigen lassen, zumal wirtschaftlicher Erfolg und ausreichende Erträge der geplanten Vorhaben alles andere als sicher sind.
Die ansteigenden Wassertemperaturen und die Ozeanversauerung haben drastische Folgen für die marinen Ökosysteme, die vielerorts durch die intensive Nutzung ohnehin stark beansprucht sind. Dabei wirkt sich der Klimawandel in den Meeren regional unterschiedlich aus, und birgt so in einigen Zonen neben Risiken auch neue Nutzungsmöglichkeiten. Genaue Vorhersagen der Auswirkungen sind aufgrund der Komplexität des Klimageschehens zwar schwierig. Jedoch lassen Modellierungen und Bestandserhebungen inzwischen zumindest Szenarien absehen, wie sich dies auf die Fischbestände und damit auf die Fischerei auswirken kann. Anhand aktueller Forschungsergebnisse erläutert die Wissenschaftlerin, wie die klimabedingte Erwärmung ökologische Prozesse steuert und damit auf die Verbreitung und Bestandsgrößen verschiedener Fischarten in der Nordsee und in polaren Meereszonen wirkt. Ihr Vortrag zeigt damit auch auf, dass ein zukunftsfähiges Fischereimanagement die Klimafolgen berücksichtigen muss, damit sich die Nutzung der Meeresressourcen nachhaltig gestalten lässt. Die Biologin Anne Sell (Thünen-Institut für Seefischerei, Bremerhaven) erforscht schon seit vielen Jahren die Vielfalt der Meeresbewohner und ihrer Wechselwirkungen untereinander. Den Fokus richtet sie dabei auf stark genutzte Lebensräume wie die Nordsee. Ihr besonderes Augenmerk liegt auf Fischen, die etwas über den Klimawandel verraten. Dafür ist sie selbst regelmäßig auf Forschungsschiffen auf den Meeren unterwegs. Der Vortrag ist Teil der Reihe „ Unser blauer Planet? Fragile Meereswelten und ihre Erforschung“, die wir in Kooperation mit dem GEOMAR – Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel veranstalten. Die Vorträge finden um 19.15 Uhr statt.
Die Auswirkungen des Tiefseebergbaus auf die Ökosysteme auf dem Meeresboden und in der Wassersäule sind noch weitgehend unbekannt. Aber gibt es in der Tiefsee überhaupt Leben, das nachhaltig beeinträchtigt werden könnte? Tatsächlich existiert dort eine einzigartige Lebewelt, die extrem empfindlich auf Störungen reagiert. Erste Forschungsergebnisse zeigen, dass die Folgen von Tiefseebergbau gravierend sein können, die Lebenswelt betroffener Meeresregionen wird sich voraussichtlich in Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden nicht regenerieren. Wie werden die ökologischen Folgen des industriellen Rohstoffabbaus in der Tiefsee überhaupt erforscht, und wie fließen die Ergebnisse in die Erstellung von Umweltstandards und Grenzwerte ein? Warum darf es uns nicht egal sein, ob weite Teile der Tiefsee veröden? Wie lässt sich dies angesichts des globalen Rohstoffhungers verhindern, welche Schutzmöglichkeiten gibt es? Der Chemiker Matthias Haeckel hat bereits an 19 Forschungsexpeditionen zu See teilgenommen, u.a. als Expeditionsleiter mit dem Forschungsschiff „Sonne“ in der rohstoffreichen Clarion Clipperton Zone westlich von Mexiko. Auch wirkt er an einem Langzeitexperiment im Ostpazifik mit, bei dem vor ca. 30 Jahren der Abbau von Manganknollen simuliert wurde. Er plädiert dafür, durch ein geändertes Konsumverhalten riskante Wege wie Tiefseebergbau besser zu vermeiden.
Die Küstenforschung sieht sich besonders in den Tropen mit sehr dynamischen gesellschaftlichen Entwicklungen konfrontiert. Auf der einen Seite stehen schnelle gesellschaftliche Veränderungen, auf der anderen Seite sind die Anrainer tropischer Küstenregionen von den Dienstleistungen der Ökosysteme dieser Küsten besonders abhängig. Gleichzeitig reagieren diese Ökosysteme sehr empfindlich auf Umweltveränderungen. Um eine nachhaltige Nutzung tropischer Küstenökosysteme zu erreichen, ist jedoch nicht nur ein systemisches Verständnis der Sozio-Ökologie vonnöten; eine partnerschaftliche und langfristige Ausrichtung der Forschung, ergänzt durch Wissensaustausch vor Ort, ist unerlässlich, um Wissenschaft wirksam zu machen. Die Geologin Hildegard Westphal erforscht als Leiterin der Forschungsgruppe „Geoökologie und Karbonatsedimentologie“ die Auswirkungen von Meeresspiegelschwankungen auf Küsten und die biogene Sedimentbildung in tropischen Flachmeeren. Sie lehrt zudem als Professorin für Geologie der Tropen an der Universität Bremen.
Ozeane und Kryosphäre umfassen den größten Teil der Erdoberfläche und tragen wesentlich dazu bei, dass dieser Planet bewohnbar ist – z.B. durch die Rückstrahlung von Sonnenlicht gegen eine Überhitzung der Erde, das Aufnehmen von CO2, aber auch die Beherbergung einer unbekannten Vielfalt von Leben, die weit über die Artenvielfalt an Land hinausgeht. Polar- und Tiefseeökosysteme sind jedoch aufgrund ihrer Entfernung von Land und ihren aus unserem menschlichen Standpunkt „extremen“ physikalischen Bedingungen schwer zugänglich und schwer zu erforschen. Das Wissen über die Entwicklung, Verbreitung, Dynamik und Funktionsweise von Polar- und Ozeansystemen ist deshalb noch immer zu gering. Jedoch sehen wir den menschlichen Fußabdruck inzwischen in den fernsten Regionen der Erde, von den Auswirkungen des Klimawandels bis zur Verschmutzung und destruktiven Nutzung von Ressourcen in Meer und Kryosphäre.
Im Rahmen des Umbauprojekts „Neues Museum“ eröffnete das Senckenberg Naturmuseum Frankfurt Anfang September die neuen Themenräume „Meeresforschung“ und „Tiefsee“. Die Tiefsee ist der größte Lebensraum der Erde und beherbergt zahllose faszinierende Organismen, die sich auf vielfältigste Weisen an die extremen Lebensbedingungen angepasst haben. Unser Tiefseeforscher Torben Riehl wird hiervon Spannendes berichten. Wie diese wunderbare Welt erforscht wird und welchen Organismen man in der Tiefsee begegnen kann, veranschaulichen die Themenräume „Tiefsee“ und „Meeresforschung“. Hier kann man mit einem Tauchroboter virtuell bis in elf Kilometer Tiefe abtauchen und erfährt, welche Gerätschaften zur Erkundung der Meere und zum Bergen von Organismen verwendet werden. Über die Entstehung der Ausstellungen berichten die Ausstellungsmacher Thorolf Müller und Maximilian Bugert. Der Making-of-Abend zeigt, wie Ausstellungen entstehen – wie die Inhalte ausgewählt werden, wie die Exponate zum Leben erweckt werden und was dabei alles passieren kann. Dr. Torben Riehl, Dr. Thorolf Müller, Maximilian Bugert.