Entomologie III Steffen Pauls

Entomologie III

Forschung

Forschungsschwerpunkte

 

 

Evolution und Diversität von Wasserinsekten

Integrative Taxonomie und CollectOMICS

In unserer Arbeitsgruppe kombinieren wir eine Vielzahl an Methoden, um die enorme Diversität von Wasserinsekten und insbesondere von Köcherfliegen zu identifizieren und zu beschreiben. Hier kommen Morphologie, optische Methoden, Molekulargenetik, DNA-Analysen zusammen, um den Prozess der Identifizierung und Differenzierung von Einheiten biologischer Vielfalt zu beschleunigen und zu erleichtern. Die Grundlage bildet ein individuenbezogenes Hochdurchsatzverfahren zur integrative Taxonomie und innovative Bildgebungstechnologien, mit Potenzial zur Automatisierung. Besonders wichtig ist uns hierbei nicht nur taxonomische, sondern auch funktionelle Informationen aus dem Reichtum der Insektensammlungen von Museen zu gewinnen.

Beispiele für Forschungsprojekte :

Molekulare Systematik und Evolution von Merkmalen und Nischen aquatischer Insekten

Die Evolution von Merkmalen ist für die Diversifizierung von Arten und deren Anpassung an sich ändernde Umweltbedingungen von wesentlicher Bedeutung. Entsprechend erforschen wir mit phylogenetischen und genomischen Methoden die Evolution ökologisch relevanter Merkmale, die es Wasserinsekten erlauben sich ökologisch zu diversifizieren. So versuchen wir die heutige Arten- und ökologische Vielfalt besser zu verstehen.

Beispiele für Forschungsprojekte:

Biodiversitätsgenomik

Molekulare Vielfalt und Populationsgenetik unter sich ändernder Umweltbedingungen

Phänotypische Variationen und Veränderungen dieser Variationen in Populationen bilden die Grundlage der Evolution. Mittels Populationsgenetik und genomischer Methoden bewerten wir anhand von Zeitreihendaten die Populationsdynamik von Arten und Lebensgemeinschaften. So möchten wir verstehen wie historische und fortwährende Umweltveränderungen Veränderungen in der genetischen und phänotypischen Variation bewirken.

Beispiele für Forschungsprojekte:

  • Einfluss forstwirtschaftlicher Praktiken auf die genetische Vielfalt und Artenvielfalt (Naturwaldreservate Hessen)
  • Auswirkungen des Klimawandels auf die genetische Vielfalt und Dynamik der Lebensgemeinschaften in Hochgebirgsbächen (ERANET-LAC GLOBIOS)

Translationale Biodiversitätsgenomik 

Fokus des LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik ist es, genomische Informationen einer breiten Organismenvielfalt zu gewinnen um genomischen Grundlagen der Diversifizierung besser zu verstehen und Ressourcen für Grundlagenforschung, sowie angewandte Forschung zur Verfügung zu stellen. In meiner Arbeitsgruppe, verwenden wir genomische und transkriptomische Methoden, um die genomische Basis von Köcherfliegenseide zu erforschen.

Evolution von Köcherfliegenseide

Köcherfliegen (Trichoptera), oft als “Unterwasserarchitekten” bezeichnet, haben eine einzigartige Fähigkeit: Sie können Seide unter Wasser spinnen. Köcherfliegen nutzen ihre Seide, um vielfältige Strukturen wie schützende Köcher, Wohnröhren, Fangnetze und Puppengehäuse mit selektiver Ionen-Semipermeabilität zu bauen. Die Seide wirkt wie ein doppelseitiges, wasserdichtes Klebeband. Sie hat eine enorme Zugkraft, härtet unter Wasser aus, bleibt aber trotzdem elastisch. Diese Eigenschaften machen die Seide als Konstruktionsmaterial oder für biomedizinische Anwendungen hochinteressant. Dieses Projekt zielt zunächst darauf ab, mittels vergleichender Genomik, die genomischen Grundlagen der Evolution von Genen und Genfamilien, die Seideneigenschaften bei Trichoptera und anderen Süßwasserarthropoden kodieren, zu erforschen. Das Verständnis der molekularen Mechanismen der Seidenproduktion ist nicht nur zur Erforschung molekularer Anpassungen, die für die Diversifizierung in aquatischen Lebensräumen verantwortlich sind wichtig, sondern wird auch die Grundlage für zukünftige biomedizinische und biotechnologische Anwendungen schaffen.

Citizen Science und Mitmachprojekte

Insekten-Portal

Mit dem Projekt und dazugehörigen Portal „Insekten Hessen“ wird das im Jahr der Biodiversität 2010 in Sachsen gestartete Projekt „Insekten Sachsen“ nun auch in Hessen ausgeweitet. Das Projekt widmet sich der Erforschung der heimischen Insekten, dem Vermitteln von Wissen und dem gemeinsamen schließen von Wissenslücken. Dieses Mitmachprojekt richtet sich an alle Interessierten, egal auf welchem Wissensstand, die sich ganz nach ihren Fähigkeiten in die Erforschung der Insekten einbringen können. Alle eingehenden Meldungen werden auf ihre Richtigkeit geprüft, bevor diese für die öffentliche Seite freigegeben werden.

Partielle Mahd zur Förderung von Wieseninsekten

Offenlandschaften wie Wiesen und Weiden zählen zu den artenreichsten heimischen Lebensräumen. Viele der blütenbesuchenden Insekten finden hier Nahrung und geeignete Strukturen für ihre Fortpflanzung und Entwicklung. Diese Lebensräume werden nicht nur immer seltener, sondern auch blütenärmer. Ein Grund ist häufiges Mähen, in dessen Folge schnitt-empfindliche Kräuter verschwinden. Zusätzlich können durch moderne Maschinen ganze Landschaften gemäht und damit den meisten Insekten auf einen Schlag ihre Lebensgrundlage entzogen werden. Durch Umstellung auf eine versetzte (Teil-) Mahd bleibt ein durchgehendes Nahrungsangebot erhalten und Wieseninsekten können sich in diesen Bereichen entwickeln. Das Mitmachprojekt „Insektenwiesen“ informiert über das Dilemma der Mahd und unterstützt die Teilnehmer*innen bei der Schaffung insektenfreundlicher Lebensräume. Das Projekt ist eine Weiterführung des in Sachsen laufenden „Schmetterlingswiesen“-Projektes.

Urbane Ökologie

Einfluss von Lebensstilen auf Insekten

Obwohl Landnutzung und damit auch Urbanisierung zu den Hauptgründen des Arten- und Insektenrückgangs zählen, scheinen mittlerweile einige Arten in Städten geeignete Bedingung vor zu finden. Während es bereits viele Bemühungen gibt die Bedürfnisse vor allem von blütenbesuchenden Insekten mit Bepflanzungen und dem Bereitstellen von Nistgelegenheiten zu adressieren, so sind die Dynamiken der Gemeinschaften und die Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichen Habitatelemente bisher wenig untersucht. In dem von der BMBF-Initiative FEDA geförderten transdisziplinären Projekt SLinBio untersuchen wir wie sich Alltagspraktiken wie Gärtnern, die Nutzung städtischer Grünflächen und der Straßenverkehr auf die Vielfalt der Insekten auswirken. 

Gallen & Mikroökosysteme (J.-P. Kopelke)

Taxonomie der gallenerzeugenden Blattwespen der Gattungen Euura, Phyllocolpa und Pontania (Tenthredinidae: Nematinae) auf Salix spp. und ihrer Parasitoide (J.-P. Kopelke)

Einen Forschungsschwerpunkt in der Entomologie III bilden seit 1981 die vielfältigen Untersuchungen der auf Weiden ( Salix spp.) gallenbildenden Blattwespenarten der Gattungen Pontania Euura und Phyllocolpa. Dabei ist die genaue Klärung der sehr problematischen taxonomischen Verhältnisse der Arten eine unverzichtbare Grundlage für weiterführende Studien. Es zeigte sich, daß dies nur durch Anwendung verschiedener Methoden möglich ist.

Die taxonomische Bearbeitung der Arten der Gattungen Pontania , Euura und Phyllocolpa  basiert auf Aufsammlungen an mittlerweile über 250 Lokalitäten in 10 Ländern Europas in einem Umfang von insgesamt ca. 140.000 Gallen (bis 2004), die unter Labor- und Freilandbedingungen gezüchtet wurden. Ein wesentliches, differenzierendes Merkmal bei diesen Insekten ist ihre ausgeprägte Wirtsspezifität, die sich mit Hilfe zahlreicher Eiablageexperimente nachweisen ließ. Auf der Basis der durch solche biologischen Eigenschaften klar differenzierten Formen, ließen sich auch morphologische Merkmale und ihre Variabilität genau erfassen und zusammen mit ergänzenden morphometrischen Untersuchungen die auftretenden Taxa genau definieren. Dadurch konnten vom Sektionleiter mittlerweile 13 Arten der Gattung Pontania und 14 Arten der Gattung Euura für die Wissenschaft neu beschrieben werden. Seit 1997 wurde verstärkt die Bearbeitung der Phyllocolpa -Arten betrieben. Die Revision der Gattung ist noch nicht abgeschlossen, doch erste Ergebnisse zeigen, daß es sich bei den Nachweisen auf diversen Wirtspflanzenarten ebenfalls um eigenständige Arten handelt.

Prinzip der Eiablage-Experimente am Beispiel der Pontania-Arten. Jedem Experiment war eine Eignungsprüfung der Weidenarten vorangestellt. Dabei wurde den Gallenerzeugern zunächst ihre eigene Weidenart angeboten, um mit einer erfolgreichen Eiablage die Eignung der Pflanze zu bestätigen. Anschließend wurden die so überprüften Pflanzen für Folge-Experimente (Ausschlußprinzip, Präferenztests) eingesetzt.

Die Zucht der Parasitoide von gallenbildenden Blattwespenarten war ebenfalls Voraussetzung für eine genaue Erfassung von Variabilitäten morphologischer Differenzierungsmerkmale. Damit wird ein entscheidender Beitrag zur taxonomischen Klärung problematischer Arten der Chalcidoidea, Ichneumonidae und Braconidae geleistet. Dies ermöglichte die Beschreibung von bisher 6 für die Wissenschaft neuen Arten (Chalcidoidea: 2 spp., Braconidae: 2 spp., Ichneumonidae: 2 spp.).

Eiablagestrategien und Gallenbildung der Blattwespen der Gattungen Euura, Phyllocolpa und Pontania (Hymenoptera: Tenthredinidae: Nematinae) (J.-P. Kopelke)

Gallenbildungen

Die Gallenbildungen der Gattungen Euura, Phyllocolpa und Pontania sind Ausdruck besonders enger Bindungen an ihre Wirtspflanzen und zugleich Voraussetzung für eine erfolgreiche Reproduktion der Art. Eine ausgeprägte, überlebensnotwendige Wirtsbindung setzt ein besonders leistungsfähiges Wirtsfindungsvermögen der Weibchen und eine damit verbundene hohe Sensibilität gegenüber stofflichen Veränderungen voraus. Die im Zusammenhang mit der Eiablage zu treffenden Entscheidungen laufen bei allen Arten nach gleichem Schema ab.

Galleninduktion und Eiablagevorgang sind bei Euura und den meisten Pontania -Arten zeitlich nicht voneinander getrennt, sondern erfolgen gleichzeitig, nachdem das Weibchen mit seinem Sägeapparat eine Eitasche in dem Pflanzengewebe angelegt hat. Nur bei Arten der Pontania dolichura -Gruppe und vor allem bei Phyllocolpa ist der Eiablage ein mehr oder weniger aufwendiges Verfahren der Galleninduktion vorgeschaltet.

Die Gallen dieser Blattwespenarten entstehen an verschiedenen Organen ihrer Wirtspflanzen, sie sind in ihrer Gestalt sehr unterschiedlich, meist auffällig, manchmal jedoch auch kaum wahrnehmbar. Innerhalb einer Art ist ihr Aussehen ziemlich konstant, unterscheidet sich jedoch oft deutlich zwischen verwandten Arten, selbst wenn sie auf derselben Wirtspflanze entstehen (z.B. Pontania vesicator , viminalis und virilis auf Salix purpurea ). Aufgrund bestimmter morphologischer Übereinstimmungen lassen sich die Gallen in unterschiedliche Typen einteilen. Gallen mit völlig geschlossenem Fraßraum treten bei Pontania und Euura auf, bei Phyllocolpa wird dagegen eine offene Fraßröhre in Gestalt einer Blattumrollung angelegt.

Da Weidenarten während der gesamten Vegetationsperiode wachsen, liefern sie über einen langen Zeitraum günstige Bedingungen für die Galleninduktion. Je nach Typ können sich die Gallen über mehrere aufeinanderfolgende Blätter ( Pontania , Phyllocolpa , Euura venusta -, testaceipes -Gruppe), Knospen ( Euura mucronata -Gruppe) und größere Sproßabschnitte ( Euura atra-, amerinae -Gruppe) verteilen.

Wirtsspezifität

Die Fähigkeit zur Gallenerzeugung setzt ein funktionierendes Zusammenspiel von cecidogenem Sekret des Erzeugers und den pysiologischen Eigenschaften der Wirtspflanze voraus, d.h. nur bei Wirtspflanzeneignung kann es zu einem ungestörten Gallenwachstum und damit zu einer gesicherten Entwicklung der Nachkommen kommen. Die Akzeptanz der Wirtspflanze wird in hohem Maße von bestimmten Pflanzenabwehrreaktionen, genetischen Veränderungen, Auswirkungen der Bastardierungs-Neigung und schließlich den hohen Variabilitäten biochemischer Merkmale (sekundärer Inhaltsstoffe, insbesondere Phenolglycoside) gesteuert.

Im Rahmen der taxonomisch-ökologischen Untersuchungen wurden zur Klärung der Wirtsspezifität in insgesamt 552 Experimenten (bei denen bis 2004 ca. 1100 Weibchen zum Einsatz kamen) 38 Pontania – , 20 Euura – und 15 Phyllocolpa -Arten überprüft. Dabei kamen 33 Salix- Arten in 204 Exemplaren zum Einsatz, so daß bisher 357 verschiedene Gallenerzeuger-Salix -Kombinationen getestet werden konnten. Die Eiablageexperimente mit frisch geschlüpften Weibchen fanden im Fühjahr statt. Zunächst erfolgte nach einem Ausschlußverfahren die Überprüfung der Wirtspflanzen-Eignung. Im Anschluß an diese „Eignungsprüfung“ kamen die Weiden in „no-choice-“ bzw. „mutiple-choice-tests“ (= Präferenzversuche in Kleingewächshäusern) zum Einsatz.

Struktur und Dynamik ausgewählter Phytophagensysteme auf Salix spp. (Gallen von Blattwespen bzw. Gallmücken; Weidenkätzchen) (J.-P. Kopelke u. Mitarbeiter)

Das Erfassen und Verstehen der Biodiversität in unterschiedlichen Lebensräumen ist ein weiterer Forschungsschwerpunkt der Sektion Entomologie III. Unterschieden wird zwischen unterschiedlichen Größen der Systeme: Makroökosysteme als unscharf abgegrenzte Biotope (Naturwaldprojekt) und Mikroökosyteme (z.B. Pflanzengallen oder Blüten) als gut abgrenzbare Lebensräume. Bei der Analyse der Struktur und Funktion insbesondere des Mikroökosystems Galle wird folgenden Fragen nachgegangen:

  • Wie ist die Artengemeinschaft in den verschiedenen Galltypen der Blattwespengattungen Pontania- Euura- und Phyllocolpa -Arten zusammengesetzt?.
  • Gibt es regionale und zeitliche Unterschiede in der Zusammensetzung des Gegenspielerkomplexes der Gallerzeuger?
  • Welche Bedeutung besitzen Spezialisten und Generalisten unter den Gegenspielern in den verschiedenen Gallensystemen (Blattwespen, Gallmücken)?
  • Gibt es konkurrenzminimierende oder -vermeidende Faktoren, die eine Koexistenz der Arten ermöglichen?
  • Wie verteilen sich die Gemeinschaften gallenbildender Insekten an ihren natürlichen Standorten?
  • Gibt es Ähnlichkeiten zwischen den Artengemeinschaften der Gallen und anderer Kleinsysteme wie Blütenanlagen (Weidenkätzchen) ?

Die durchgeführten Projekte verteilen sich auf 4 Bereiche:

  • Gallenerzeugende Blattwespen der Weiden (Salix spp.)
  • Gallmücken der Weiden (Salix spp.)
  • Blütenanlagen der Weiden (Salix spp.)
  • Biodiversität in mitteleuropäischen Feuchtgebieten: Insekten-Lebensgemeinschaften auf Weiden (Salix spp.)
Giga Macro
Mutilla rubroaurea
Myrmica
Myrmica sp.
Giga Macro
Ronisia barbatula