Entomologie III Steffen Pauls

Entomologie III

Forschung

Forschungsschwerpunkte

Das Team der Entomologie III forscht zur Evolution, Artbildung, ökologischen Anpassung und Verbreitung primär von Köcherfliegen und Tag- und Nachtfaltern. Dabei suchen wir nach Antworten auf Fragen zur Unterscheidung, Differenzierung und Entstehung von Arten, wie sich Populationen ausgewählter Arten entwickeln und welchen Einfluss der globale Wandel auf diese Prozesse hat. Basis für zugrundliegenden morphologische und genetische Studien bilden die umfangreichen Sammlungen von Lepidoptera (Tag- und Nachtfalter) mit 1,2 Millionen Objekten und Trichoptera (Köcherfliegen) mit über 20.000 Objekten. Die Forschungsarbeiten sind den Senckenberg Forschungsbereichen Biodiversität, Systematik und Evolution, Biodiversität und Umwelt und Biodiversität und Klima zugeordnet.

Taxonomie und Systematik der Lepidoptera

Integrative Taxonomie, Systematik und Faunistik von Lepidoptera

In langfristigen Projekten werden die Artenvielfalt und Systematik größerer systematischer Einheiten erforscht. So können intensive Erfahrungen und umfangreiche Kenntnisse dieser systematischen Einheiten angesammelt und in zusammenfassenden Schriften bereitgestellt werden. Die Ergebnisse werden auch in der Sammlungskuration umgesetzt. Neben klassischen morphologischen Methoden kommen dabei in den letzten Jahren auch zunehmend DNA-Untersuchungen (insbesondere des mtDNA-Barcodes) zum Einsatz. Wichtige langfristige Forschungsprojekte zu Lepidoptera sind:

  • Taxonomie, Systematik, Phylogenie und Zoogeografie von ausgewählten Teilgruppen der Bombycoidea weltweit (W. A. Nässig)
  • Faunistik der Lepidoptera des Lesachtals (W.A. Nässig, R. Weyh)
  • Taxonomie, Systematik, Phylogenie und Zoogeografie von ausgewählten Teilgruppen der Lycaenidae (W. Eckweiler)

Evolution und Diversität von Trichoptera

Integrative Taxonomie und CollectOMICS von Köcherfliegen

Wir kombinieren eine Vielzahl an Methoden, um die enorme Diversität von Köcherfliegen zu identifizieren und zu beschreiben. Hier kommen Morphologie, optische Methoden, Molekulargenetik, DNA-Analysen zusammen, um den Prozess der Identifizierung und Differenzierung von Einheiten biologischer Vielfalt zu beschleunigen und zu erleichtern. Die Grundlage bilden individuenbezogene Hochdurchsatzverfahren zur DNA Sequenzierung und innovative Bildgebungstechnologien mit dem Potenzial zur Automatisierung. Besonders wichtig ist uns hierbei nicht nur taxonomische, sondern auch funktionelle Informationen aus dem Reichtum der Insektensammlungen von Museen zu gewinnen.

Beispielprojekte und -publikationen:

  • Integrative Taxonomie und Hyperspektralanalyse afrikanischer Köcherlfliegen (DFG PA1617/4-1; S. Pauls, E. Razuri-Gonzales))
  • Digitale Bestimmungswerke zur Köcherfliegenfauna von Afrika und Fennoskandinavien (W. Tobias & D. Tobias)
  • Larvaltaxonomie und Diversität von Drusinae (FWF P 18073; FWF P 23687)

Evolution von Merkmalen und Nischen von Köcherfliegen

Die Evolution von Merkmalen ist für die Diversifizierung von Arten und deren Anpassung an sich ändernde Umweltbedingungen von wesentlicher Bedeutung. Entsprechend erforschen wir mit phylogenetischen und genomischen Methoden die Evolution ökologisch relevanter Merkmale, die es Wasserinsekten erlauben sich ökologisch zu diversifizieren. So versuchen wir die heutige Arten- und ökologische Vielfalt besser zu verstehen.

Beispielprojekte und -publikationen:

 

Angewandte und Allgemeine Biodiversitätsgenomik

Genetische Vielfalt unter sich ändernden Umweltbedingungen

Phänotypische Variationen und Veränderungen dieser Variationen in Populationen bilden die Grundlage der Evolution. Mittels Populationsgenetik und genomischer Methoden bewerten wir anhand von Zeitreihendaten die Populationsdynamik von Arten und Lebensgemeinschaften. So möchten wir verstehen wie historische und fortwährende Umweltveränderungen Veränderungen in der genetischen und phänotypischen Variation bewirken.

Beispielprojekte und -publikationen:

  • Einfluss forstwirtschaftlicher Praktiken auf die genetische Vielfalt und Artenvielfalt (Naturwaldreservate Hessen)
  • Auswirkungen des Klimawandels auf die genetische Vielfalt und Dynamik der Lebensgemeinschaften in Hochgebirgsbächen (ERANET-LAC GLOBIOS)

Evolution von Köcherfliegenseide

Köcherfliegen werden oft als “Unterwasserarchitekten” bezeichnet, denn sie haben eine einzigartige Fähigkeit: Sie können Seide unter Wasser spinnen. Köcherfliegen nutzen ihre Seide, um vielfältige Strukturen wie schützende Köcher, Wohnröhren, Fangnetze und Puppengehäuse mit selektiver Ionen-Semipermeabilität zu bauen. Die Seide wirkt wie ein doppelseitiges, wasserdichtes Klebeband. Sie hat eine enorme Zugkraft, härtet unter Wasser aus, bleibt aber trotzdem elastisch. Diese Eigenschaften machen die Seide als Konstruktionsmaterial oder für biomedizinische Anwendungen hochinteressant. Wir erforschen mittels vergleichender Genomik, die Grundlagen der Eigenschaften von Köcherfliegenseide. Die Ergebnisse sind eine wichtige Grundlage für zukünftige biomedizinische und biotechnologische Anwendungen von Köcherfliegenseide.

Beispielprojekte und -publikationen:

Citizen Science

Insekten-Portal

Mit dem Portal Insekten Hessen wird das im Jahr der Biodiversität 2010 in Sachsen gestartete Projekt „Insekten Sachsen“ nun auch in Hessen ausgeweitet. Das Projekt widmet sich der Erforschung der heimischen Insekten, dem Vermitteln von Wissen und dem gemeinsamen schließen von Wissenslücken. Dieses Mitmachprojekt richtet sich an alle Insekteninteressierten, die sich ganz nach ihren Fähigkeiten in die Erforschung der Insekten einbringen können. Alle eingehenden Meldungen werden auf ihre Richtigkeit geprüft, bevor diese für die öffentliche Seite freigegeben werden.

 

Insektenlebensräumen

Der Verlust von Lebensräumen ist einer der Hauptgründe für den Rückgang von Insekten. In Landschaften die von Menschen gepflegt werden, reichen häufig bereits wenige Veränderungen in der Nutzung aus, um die Lebensbedingungen für Insekten zu verbessern. Offenlandschaften, wie Wiesen und Weiden etwa, zählen zu den artenreichsten heimischen Lebensräumen. Viele der blütenbesuchenden Insekten finden hier Nahrung und geeignete Strukturen für ihre Fortpflanzung und Entwicklung. Diese Lebensräume werden nicht nur immer seltener, sondern durch zu häufiges Mähen auch blütenärmer. Durch moderne Maschinen können zudem ganze Landschaften gemäht und damit vielen Insekten auf einen Schlag ihre Lebensgrundlage entzogen werden. Durch Umstellung auf eine versetzte (Teil-) Mahd bleibt ein durchgehendes Nahrungsangebot erhalten und Wieseninsekten können sich in diesen Bereichen entwickeln. Das Mitmachprojekt Insekten Hessen informiert über insektenfreundliche Lebensräume, deren Pflege und Gestaltung.  Die Lebensräume können in einer interaktiven Karte gemeldet und deren Insekten dokumentiert werden. Das Projekt ist eine Weiterführung des in Sachsen laufenden „Inuversumm“-Projektes.

 

Urbane Ökologie

Einfluss von Lebensstilen auf Insekten

Obwohl Landnutzung und damit auch Urbanisierung zu den Hauptgründen des Arten- und Insektenrückgangs zählen, scheinen mittlerweile einige Arten in Städten geeignete Bedingung vorzufinden. Während es bereits viele Bemühungen gibt, die Bedürfnisse vor allem von blütenbesuchenden Insekten mit Bepflanzungen und dem Bereitstellen von Nistgelegenheiten zu adressieren, so sind die Dynamiken der Gemeinschaften und die Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichen Habitatelementen bisher wenig untersucht. In dem von der BMBF-Initiative FEDA geförderten transdisziplinären Projekt SLinBio untersuchen wir, wie sich Alltagspraktiken wie Gärtnern, die Nutzung städtischer Grünflächen und der Straßenverkehr auf die Vielfalt der Insekten auswirken.

Entomologische Begleitforschung am Begrünungssystem VERD° von OMC°C  

In verdichteten urbanen Räumen kann es im Sommer aufgrund des Stadtklimaeffekts zu einer sehr starken Hitzeentwicklung kommen, weshalb in diesen Stadtbereichen das Einbringen von kühlendem Stadtgrün notwendig ist. Die in Frankfurt ansässige Firma OMC°C hat das modulare und flexibel platzierbare, vertikale Begrünungssystem VERD° entwickelt, das mit schnell wachsenden Rankpflanzen eine hohe Pflanzenbiomasse auf kleiner Fläche erzeugt (OMC°C | Office for Micro Climate Cultivation (omc-c.com)). 2023 wurden zwei Module des Prototyps im Hof des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseums Frankfurt errichtet. Wir möchten untersuchen, ob und in welchem Umfang das Begrünungssystem von verschiedenen Insekten als Lebensraum und Nahrungressource genutzt wird und somit – neben den mikroklimatischen Effekten – auch einen Beitrag zur Förderung von Insekten in der Stadt leisten kann.