Meeresbiologie

Forschung

Arbeitsschwerpunkt des Fachgebiets Meeresbiologie: Benthosökologie 

Was ist Benthos?

Zum Benthos, den Lebensgemeinschaften im und auf dem Meeresboden, gehören hauptsächlich wirbellose Tiere. Diese Organismen stellen eine wichtige Nahrungsquelle für viele Fisch- und Vogelarten dar und spielen eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung und der Remineralisation von sedimentiertem organischem Material. Die Ökologie dieser benthischen Lebensgemeinschaften steht im Zentrum der Forschung im Fachgebiet Meeresbiologie.

Der Großteil der benthischen Fauna lebt im Sediment eingegraben und wird als Endofauna bezeichnet.

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Profil durch ein typisches Wattboden mit typischen Benthischen Wattarten (nach Tardent). a) Seepocken (Balaniden), b) Miesmuscheln (Mytilus edulis), c) Polychaet Lanice conchilega, d) Polychaet Lagis koreni, e) Schnecke Littorina littorea, f) Messermuschel (Ensis leei), g) Herzmuschel Cerastoderma edule, h) Muschel Scrobicularia plana, i) Sandklaffmuschel Mya arenaria, k) Wattwurm (Polychaet) Arenicola marina, l) Wattringelwurm (Polychaet) Hediste diversicolor, m) Muschel Lemicola balthica

Innerhalb der Endofauna wiederum werden drei Größenklassen unterschieden: Makro-, Meio- und Mikrofauna.
Zur Makrofauna (>0,5 mm) gehören hauptsächlich vielborstige Würmer (Polychaeta), Muscheln (Bivalvia), Schnecken (Gastropoda), Flohkrebse (Amphipoda) und Stachelhäuter (Echinodermata).
Zur Meiofauna (>63<500 µm) gehören winzige Tiere, die in Sandböden zwischen den Sandkörnern leben (Sandlückenfauna) und solche, die auf Schlickböden in der weichen Oberflächenschicht nach Nahrung suchen.
Die Mikrofauna besteht aus Einzellern und Bakterien.
Die Epi- oder Megafauna (>1 cm) lebt auf dem Meeresboden, zu ihr gehören größere Organismen wie Seesterne, Schwimmkrabben, Seeanemonen

Die Probennahme für die Endofauna erfolgt mit Hilfe von Bodengreifern (z. B. Van Veen Greifer, Kastengreifer), die vom Schiff aus zum Meeresboden gelassen werden und dort eine definierte Fläche ausstechen. Aufgrund der definierten Flächeneinheit der Greifer werden quantitative Datensätze erhoben.

Die Untersuchung der auf dem Meeresboden lebenden Epifauna erfolgt überwiegend mit Hilfe von Dredgen oder kleinen Baumkurren. Diese werden von Bord des Schiffes eine bestimmte Zeit oder Strecke über den Meeresboden geschleppt. In Abhängigkeit von der Maschenweite des Netzsackes erhält man so ein mehr oder weniger vollständiges Bild der vorhandenen Epifauna.

Da die im Meeresboden lebenden Organismen relativ standorttreu sind und Störungen nur schwer ausweichen können, wurden sie als Indikator für Veränderungen in einem Ökosystem ausgewiesen. Dabei hat sich gezeigt, dass Langzeituntersuchungen essentiell sind, um Trends deutlich machen zu können. Im Fachgebiet Meeresbiologie sind Langzeituntersuchungen über Benthosgemeinschaften seit 1978 Bestandteil der Forschungsarbeit.

 

Senckenberg Benthos-Langzeituntersuchungen  = LTER Nordsee Benthos Observatorium  

  • Epifauna Jade seit 1972
  • Infauna im Inselvorfeld von Norderney seit 1978
  • Infauna Transekt Deutsche Bucht bis Doggerbank seit 1990
  • In- and Epifauna in 6 Boxen von Deutscher Bucht bis nördliche Nordsee seit 1998
  • In- and Epifauna südöstliche Nordsee seit 1998
  • Infauna Doggerbank, pro Dekade  1920s, 1950s, 1980s, 1990s, 2000s
  • Infauna Jadebusen, pro Dekade 1930s, 1970s, 2009
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Die bisher durchgeführten Langzeituntersuchungen haben ergeben, dass die Bodentiergemeinschaften der gesamten südlichen Nordsee (südlich 58° N) verändert sind. Ein Anstieg der Biomasse seit den 70-ziger Jahren ist im Mittel um das 1,5- bis 4-fache zu verzeichnen. Parallel wurde eine Verschiebung im Artenspektrum festgestellt von großen langlebigen sessilen Arten hin zu kleinen schnellwüchsigen „opportunistischen“ Arten.

Als Ursachen für diese Veränderungen wurden hauptsächlich die Eutrophierung (Überdüngung) und der schädliche Einfluss der Fischerei angeführt. Aktuell werden neben diesen anthropogenen Einflüssen auf das Benthos primär wie Auswirkungen der Klimaveränderungen untersucht. Das primäre klimatische Signal in der Nordsee ist die Nordostatlantischen Oszillation, die Einfluss auf die Wassertemperatur, Windrichtung und -stärke und auf das Strömungsregime ausübt. Wie starkt das Klimasignal in den unterschiedlichen Gebieten der Nordsee mit unterschiedlicher Tiefe (Dt. Bucht, nördliche Nordsee) wird im Rahmen unserer Langzeituntersuchungen im Inselvorfeld von Norderney, auf der Doggerbank und verschiedenen Gebieten in der gesamten Nordsee erforscht.

Die Untersuchungsgebiete des Fachgebiets Meeresbiologie reichen von  küstennahen Gebieten im ostfriesischen Watt und im Jadebusen über die offene Nordsee (Deutsche Bucht, Doggerbank, nördliche Nordsee, Skagerrak und Kattegatt) bis in Gebiete der Tiefsee (Arktis, Mittelmeer, Südatlantik).

Hauptfragestellungen der Benthosökologie 

  • Biodiversitätsmuster der Endo- und Epifauna auf verschiedenen räumlichen und zeitlichen Skalen
  • Langzeituntersuchungen zur räumlichen und zeitlichen Variabilität von Artenzahlen, Abundanzen und Biomassen der Endo- und Epifauna
  • Einfluss von Umweltparametern (Hydro-Klima, Temperatur, Strömungen, Sedimentzusammensetzung, Nahrungsverfügbarkeit etc.) auf die Struktur und funktionelle Diversität von benthischen Gemeinschaften
  • Benthische Nahrungsnetze
  • Modellierung benthischer Habitate
  • Anwendung von hydroakustischen Methoden für großräumige Benthoskartierung
  • Auswirkungen anthropogener Einflüsse (z.B. Bodenfischerei) auf die Strukur, Funktion und Produktivität der benthischen Gemeinschaften