Marine Zoologie
Marine Evertebraten II
Die Sektion Marine Evertebraten II ist für einen großen Teil der Sammlungen an rezenten, marinen Wirbellosen des Senckenbergmuseums verantwortlich: Plathelminthes (Plattwürmer), Nemertini (Schnurwürmer), Aschelminthes (Rundwürmer) , Sipunculida (Spritzwürmer), Echiurida (Igelwürmer), Annelida (Ringelwürmer), Chaetognatha (Pfeilwürmer), Echinodermata (Stachelhäuter) und Hemichordata (Eichelwürmer und Flügelkiemer).
Dabei handelt es sich vor allem bei den vorhandenen Plathelminthes, Annelida und Echinodermata um bedeutende Sammlungen, die zahlreiche Typen beinhalten. Die Daten, aller von der Sektion betreuten Sammlungen wurden mit finanzieller Unterstützung der Walter & Erika Datz-Stiftung und der DFG (Fi 433/12-1) in das Sammlungsmanagement-Programm SeSam/Aquila überführt und sind damit online recherchierbar link einfügen. Schwerpunkt der wissenschaftlichen Arbeiten der Sektion ist die Forschung auf den Gebieten der Biodiversität und Systematik der Borstenwürmer (Polychaeta).
Die Polychaeta gehören zum Tierstamm der Ringelwürmer (Annelida) und stellen mit etwa 10.000 derzeit bekannten Arten nach den Krebsen (Crustacea) und Muscheln und Schnecken (Mollusca) eine der artenreichsten marinen Tiergruppen. Sie kommen in großer Vielfalt in allen marinen Lebensräumen vom Strand bis in die Tiefsee, von der Seegraswiese bis zu den Hydrothermalquellen vor. Borstenwürmer zeigen nicht nur eine große Formenvielfalt in Anpassung an ihren Lebensraum bzw. an ihre jeweilige Lebensweise, sondern treten auch in großen Individuendichten (Biomasse) auf, besonders auf Weichböden, wie z.B. der an der Nordseeküste heimische Wattwurm Arenicola marina. Da sie zu den häufigsten Tieren des Meeres gehören, sind sie ein bedeutender Faktor im marinen Nahrungsnetz, indem sie einerseits organische Substanz im Meeresboden wiederverwerten und andererseits selbst vor allem Fischen und Krebsen, aber auch vielen Vögeln (z.B. auf Wattflächen bei Ebbe) als Nahrung dienen.
Borstenwürmer spielen bei der Bioturbation (Auflockerung) des Meeresbodens, als Bioindikatoren (Anzeiger spezieller Lebensbedingungen), als unerwünschter Bewuchs an Schiffen und Hafenanlagen (biofouling), als durch den Menschen verbreitete Neueinwanderer (Neozoen) und als Schädlinge in Austernkulturen ebenso eine Rolle wie als Forschungsobjekte für physiologische und entwicklungsbiologische Untersuchungen. Nicht zuletzt stellt die kommerzielle Zucht von Borstenwürmern als Angelköder auch einen Wirtschaftsfaktor dar. So erwirtschafteten Aquakulturen im amerikanischen Bundesstaat Maine Anfang der 90er Jahre einen Ertrag von jährlich ca. 3,5 Mio US $ und standen damit nach Hummern, Muscheln und Fischen in der Fischereiwirtschaft dieser Region an vierter Stelle.
Die Erforschung der Artenvielfalt der Borstenwürmer ist von grundlegender Bedeutung nicht nur für die zoologische Systematik, sondern auch für andere Forschungsfelder wie z.B. Ökologie und Naturschutz. Auch in der derzeit aktuellen Erforschung der Lebensgemeinschaften der Tiefsee spielt diese Tierguppe eine wichtige Rolle. So weisen Borstenwürmer u. a. auch erstaunliche Anpassungen an die eher lebensfeindliche Umwelt der Hydrothermalquellen auf, die sich durch extrem hohe Temperaturen und hohe Dosen an gelösten, giftigen Substanzen (Schwefelverbindungen, Schwermetalle etc.) auszeichnen.
Zu den institutionellen Aufgaben der Sektion zählen neben der Sammlungspflege auch die organisatorische und technische Betreuung eines Rasterelektronenmikroskopes (REM).