Mit dem Tauchboot am Kaltwasserkorallenriff

Meeresgeologie

Forschung

Im Zentrum der Forschung im Fachgebiet Meeresgeologie stehen Ökosysteme und ihr Entstehen, Wachsen und eventuell ihr Vergehen, während der letzten 20.000 Jahre, dem Höhepunkt der letzten Kaltzeit, bis heute – eine Zeitspanne, die einen rasanten Meeresspiegelanstieg, Temperaturveränderungen sowie die Zunahme der Weltbevölkerung bei knapper werdenden Ressourcen erfahren hat und gegenwärtig noch erfährt.

Für den marinen Bereich bedeuteten diese Veränderungen nicht nur eine Überflutung der zuvor festländischen Kontinentalsockel, sondern auch das polwärtige Vordringen warmer, subtropischer Wassermassen in die hohen Breiten. Diese führten zu drastischen Migrationen und benthischer Ökosysteme niederer Breiten in polnahe Gebiete, wo sie sich mit den besonderen physikalischen Begebenheiten einer geneigten Erdachse auseinandersetzen mussten.

Die in hohen Breiten ausgeprägte Saisonalität führt zu enormen Schwankungen in der solaren Insolation, welche einen unmittelbaren (wenngleich gedämpften) Einfluss auf die Wassertemperatur und den Nährstoffkreislauf nimmt und somit besondere Selektionsdrücke und physiologische Anpassungen auf die Organismen ausübt. Letzteres gilt insbesondere für die Nordhemisphäre, die durch die Land-Meer-Verteilung und dem ozeanischen Zirkulationsmuster nach jeder Kaltzeit nahezu bei „null“ in Sachen Wiederbesiedlung anfangen musste, wohingegen die südpolaren Meere seit der Etablierung des zirkum-antarktischen Ringstromes mehr oder weniger konstant kalte Bedingungen seit ca. 35 Millionen Jahren aufweist.

Vor diesem Hintergrund sich rasch wandelnder Umweltbedingungen versuchen wir die komplexen Rückkoppelungen zwischen klimatischen und ozeanographischen Umweltveränderungen anhand fossiler (<20.000 Jahre) und rezenter „biosedimentärer Systeme“ aufzudecken. Hierbei handelt es sich um Ökosysteme mit einem hohen geologischen Überlieferungspotenzial und vereinen dabei biologische, ökologische und sedimentologische Fragestellungen – ganz im Sinne der Tradition des Standortes.

Wir fokussieren uns dabei auf Ökosysteme, die einen hohen Anteil an kalkschaligen Organismen aufweisen (Kaltwasser-Korallenriffe, Corallinaceen-Bänke, Tiefseeauster-Bänke) und auf Systeme mit geringem Fossilisationspotenzial, aber mit großer Bedeutung für den Stoffumsatz, wie zum Beispiel Tangwälder. Neben den systemaren Ansätzen versuchen wir an ausgewählten Organismen ihre Lebensgeschichte (im Sinne von Lebensdauer) aus den Skeletten und Schalen zu entschlüsseln und dabei die gespeicherten Umweltsignale vergangener Zeiten mit raffinierten geochemischen Methoden zu lesen (Sklerochronologie).

Eine weitere Spezialität des Hauses ist die Erforschung des biologischen Abbaues von Karbonaten, auch Bioerosion genannt. Dieser Abbauprozess von Hartsubstraten erfolgt auf chemischem Wege (biologische Korrosion) als auch auf mechanischem Wege (biologische Abrasion), wobei die Erzeuger charakte¬ristische Spuren im Substrat hinterlassen. Wir haben eine große Expertise in der taxonomischen Ansprache der bioerodierenden Organismen (Bakterien, Algen, Pilze, Schwämme, Mollusken, Polychaeten, Crustaceen, Bryozoen, etc.) und arbeiten experimentell mit Bioerosionspanelen entlang von Tiefengradienten, z.B. auf Spitzbergen, dem schwedischen Kosterfjord, den Azoren sowie im östlichen Mittelmeer.