Turbanella hyalina
Die Phylogeographie von Meiofauna wird bei Arten wie dem marinen Gastrotrichen Turbanella hyalina untersucht (Länge des Tieres: 650µm)

Forschung

Phylogeographie von Meiofauna  


Phylogeographie ist ein relativ junges Forschungsgebiet, das die räumliche Verteilung und Verwandtschaft von innerartlichen Linien untersucht. Einerseits als Wortschöpfung der beiden Begriffe „Phylogenetik“ und „Biogeographie“ kreiert, ist diese Disziplin dennoch abgegrenzt zur historischen Biogeographie. 

In der Phylogeographie wird mit Hilfe verschiedener genetischer Marker, heute sehr oft DNA-Sequenzdaten mitochondrialer Gene, die genetische Diversität innerhalb von und zwischen geographischen Populationen einer Art untersucht.

Jedes Individuum einer Population repräsentiert eine bestimmte genetische Variante, einen sogenannten Haplotyp. Manche dieser Varianten sind sehr häufig, andere weniger. Auch die geografische Verbreitung von Haplotypen ist sehr heterogen. So gibt es sehr weit verbreitete und solche, die nur in einer eng begrenzten Region zu finden sind. Verschiedene Methoden zur Verwandtschaftsanalyse erlauben die Verbindung der räumlichen mit den zeitlichen Aspekten. Ein generelles Ziel der Phylogeographie ist es, historische Prozesse zu identifizieren, die zu der heutigen Verteilung und dem Grad der genetischen Diversität geführt haben können, wie z.B. die geografische Isolation von Populationen, Arealausweitungen, oder eine genetische Verarmung durch Kolonisationsereignisse (genetischer Flaschenhals).

Die Identifikation von eiszeitlichen Refugien ist ein weiteres Ziel dieser Disziplin. Eine strikte Trennung zwischen innerartlichen und zwischenartlichen Mustern ist allerdings oft nicht möglich. So werden z.B. auch die Systematik und Verbreitung nah verwandter Arten, das Vorhandensein von kryptischen Arten und generell Artentstehungsmuster untersucht.

Arten der Meiofauna sind bezüglich der räumlich-zeitlichen Verbreitung ihrer genetischen Diversität äußerst interessant. Als meist unter 1mm kleine Organismen verfügen sie über ein theoretisch hohes Ausbreitungspotenzial, dies scheint vor allem bei Arten und Taxa der limnischen Meiofauna gegeben zu sein. Marine Meiofauna-Arten hingegen verfügen meist nicht über aktive oder passive Verbreitungsstadien und sollten dementsprechend ein nur geringes Verbreitungspotenzial besitzen.

Mögliche Konsequenzen wären auf der einen Seite eine globale genetische Homogenität, auf der anderen eine sehr differenzierte geographische Strukturierung, die z.B. auch die Entstehung neuer Arten beeinflussen könnte. Im Fachgebiet Evolution und Biogeographie von Meiofauna werden diese Prozesse und Muster am Beispiel der Gastrotricha untersucht, aber auch an weiteren Taxa wie den interstitiellen Kleinkrebsen der Gruppe Mystacocarida.

Netzwerk_T_cornuta
Haplotypennetzwerk verschiedener Populationen des marinen Gastrotrichen Turbanella cornuta aus der Nordsee, westlichen Ostsee und dem Weißen Meer.