An dieser Stelle müssen Sie uns auch nochmal die Geschichte hinter dem Namen, Macrostylis metallicola, erzählen. Eine Mischung aus Umweltbewusstsein und einer Leidenschaft für Heavy Metal?
‚Metallicola‘ bedeutet Metallbewohnerin, ist also eine Referenz zum Lebensraum der Spezies. Die Idee, den Namen der Band Metallica zu widmen, kam erst später. Aber es bot sich natürlich an. Ich habe Metallica früher viel gehört und tue das heute noch. Ich dachte, durch meine Widmung könnte ich vielleicht etwas Aufmerksamkeit wecken, auch bei Leuten, die sich sonst nicht so viel mit diesen Themen auseinandersetzen. Denn man kann ganz sicher davon ausgehen, dass in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren Firmen anfangen werden, in der Tiefsee Manganknollen abzubauen – und ohne negative Auswirkungen auf das Ökosystem geht das nicht. Deswegen ist es wichtig, dass Maßnahmen getroffen werden, um das Ganze möglichst nachhaltig zu gestalten. Meine Idee war also, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Einerseits die Lieblingsband meiner Jugend zu ehren und andererseits, Aufmerksamkeit für die Situation zu schaffen: Dass da ein großer Eingriff in das Ökosystem stattfinden wird, dessen Auswirkungen wir bei der Planung berücksichtigen müssen.
Um was für negative Auswirkungen auf das Ökosystem geht es hier konkret?
Die Technologie ist noch in Entwicklung, aber egal welche Strategie – einsaugen, raushaken, nach oben pumpen – schlussendlich am erfolgreichsten ist, es werden dafür riesige Gefährte benötigt. Der Meeresboden wird umgepflügt und zum Teil ganz entfernt werden. Sprich, dort wo die Manganknollen abgebaut werden, wird alles zerstört.
Auch die Staubwolke ist ausschlaggebend: Wenn ein Fahrzeug am Meeresgrund entlangfährt und dabei Sediment aufwirbelt, kann dieses durch die Strömung über hunderte Kilometer verbreitet werden, sich irgendwo niederlegen und dort alles unter sich begraben. Das trifft vor allem sessile Lebewesen, Schwämme zum Beispiel – mal davon abgesehen, dass sie, wenn sie an ein Leben auf Manganknollen angepasst sind, ihre Anheftungsstelle verlieren. Es gibt unzählige Dinge, die es zu berücksichtigen gilt.
Welche Aufgabe kommt hier der Wissenschaft zu?
In internationalen Gewässern gibt es erstmal keine Regeln. Damit dort kein Raubbau betrieben wird, haben die Vereinten Nationen eine Behörde, ISA (International Seabed Authority), ins Leben gerufen. Diese verfasst Empfehlungen und Regularien, nach denen sich die ganzen Interessenten richten müssen. Im Bereich des Nordostpazifik wurden bereits Lizenzen vergeben: Deutschland, Russland und Belgien besitzen zum Beispiel welche. Der Vertragszeitraum beläuft sich zunächst auf 15 Jahre, in denen die Rohstoffvorkommen erkundet werden können, immer verbunden mit Umweltverträglichkeitsstudien und Risikobewertungen. Dafür müssen die Unternehmen oder Staaten – im Falle von Deutschland die BGR (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe) – Geld in die Hand nehmen und Forschungsprojekte finanzieren.
Im Grunde genommen dreht sich alles um die Frage, wieviel des Ökosystems erhalten bleiben muss, damit eine Wiederbesiedlung des Gebiets möglich ist und welche Rolle dabei die Manganknollen selbst spielen. Dazu muss jedoch zunächst erforscht werden, welche Arten es überhaupt gibt, wo diese vorkommen und welche Rolle die jeweiligen Organismen innerhalb des Ökosystems spielen. Das braucht Zeit, weil wir das Ökosystem kaum kennen – das sieht man daran, dass die meisten Arten dort unten noch keinen Namen haben.
Das heißt also: Die Wirtschaft möchte so schnell wie möglich mit dem Abbau beginnen, während die Wissenschaft Zeit benötigt, um fundierte Empfehlungen für einen nachhaltigen Abbau zu geben?
So ungefähr. Die Empfehlungen der Wissenschaftler sind noch im Werden; die Studien laufen und weitere werden folgen. Mein Bauchgefühl sagt mir, man muss eher zu viel als zu wenig Gebiete zu Schutzzonen ernennen. Denn dort, wo der Bergbau stattfindet, wird dies auf jeden Fall Konsequenzen haben. Mir ist aber auch klar, dass wir uns da in einer Zwickmühle befinden. Wir wollen ja auch auf Atom- und Kohlekraft verzichten. Wir wollen am liebsten eine Kreislaufwirtschaft und 100 Prozent Recycling. Da sind wir aber noch nicht. Jetzt gerade brauchen wir Solar- und Windkraft; Zugtrassen werden ausgebaut, Autos elektrifiziert, neue Energiespeicher entwickelt – darüber hinaus ist die Urbanisierung weiterhin in vollem Gange. Das erfordert Elemente wie Kobalt und Nickel, und scheinbar immer mehr davon.
Sehen Sie mit Sorgen in die Zukunft?
Klar. Wenn ich vor einem Tagebau stehe, oder ansehe, wie auf Madagaskar Titanoxid abgebaut wird, dann lässt mich das nicht kalt. Das sind ganz klar starke Eingriffe in die Natur. Und das hat Auswirkungen auf die Biodiversität und Ökosysteme. Natürlich bin ich dafür, dass die Verluste möglichst begrenzt werden. Aber ich sehe auch die Notwendigkeit, die Prozesse, die gerade angestoßen wurden, und den technologischen Fortschritt voranzubringen. Der Manganknollenabbau wird passieren, aber es gilt Druck zu machen, damit so viele Maßnahmen wie möglich ergriffen werden, auch wenn sie teuer sind, um die Einflüsse auf die Umwelt so gering wie möglich zu halten.