Bernsteinforschung

VONGY – Ein Käfer, ein Comic und eine weite Reise über das Meer


Die Abenteuergeschichte VONGY in Comicform handelt von der wissenschaftlichen Arbeit in Madagaskar zwischen Harz-produzierenden Bäumen der Art Hymenaea verrucosa, Insekten, Spinnen und Harz. Die Herausgeber Dr. Mónica M. Solórzano Kraemer (Sektionsleiterin Bernsteinforschung), Dr. Xavier Delclòs, Dr. Enrique Peñalver und Dr. Ana Rodrigo möchten Kindern und Erwachsenen in Madagaskar und anderswo auf der Welt zeigen, warum sie in ihr Land gereist sind. Dabei soll der Wert der Harze und der Insekten- und Spinnen-Fauna für die Wissenschaft dargestellt werden und es wird geschildert, was dies alles mit der Erhaltung der biologischen Vielfalt zu tun hat.

In dem nachfolgenden Beitrag des Senckenberg-Wissenschaftsmagazin „Natur • Forschung • Museum“ erläutert Solorzano Kraemer die Hintergründe ihrer Untersuchungen zum Kopalvorkommen in Madagaskar. Im Rahmen des von „National Geographic“ geförderten Projekts wollten die Wissenschaftler mehr über die Vergangenheit dieses Biodiversitäts-Hotspots erfahren. 

In dem fossilen Harz finden sich häufig eingeschlossene kleine Tiere oder Pflanzenteile, sogenannte Inklusen. Deren Abdrücke oder in selteneren Fällen auch Gewebereste bleiben im Kopal viele Jahre bis Jahrhunderte, im Bernstein sogar Jahrmillionen perfekt konserviert. Die ursprüngliche Form und selbst kleinste Details der Organismen sind in der Regel erhalten geblieben und die Fossilien sind nicht zerdrückt oder zerbrochen, wie das etwa bei Versteinerungen oft der Fall ist.

Wo können wir die Prozesse aktuell beobachten?

Ein perfektes Fenster in die Vergangenheit also. Wirklich perfekt wird das Fenster allerdings erst dann, wenn wir auch wissen, ob die Fossilienfauna die damals tatsächlich vorkommende Fauna repräsentiert. Wurden wirklich alle Arten von Gliedertieren im Harz gefangen und konserviert oder ist es nur eine kleine Auswahl?
 
Noch sind nicht alle Prozesse der Fossilierung hinreichend geklärt. Um zutreffende Aussagen über die ökologischen Beziehungen zu machen, wollten wir wissen, welche der damals vorkommenden Organismen in den Baumharzen eingefangen wurden und ob es noch weitere gibt. Dazu mussten wir in ein Gebiet reisen, in dem diese Prozesse auch heute noch stattfinden: in den Urwald Madagaskars. Hier wachsen Animebäume der Art Hymenaea verrucosa. Sie gehören zu den Johannisbrotgewächsen und sondern große Mengen natürlichen Harzes ab. Dort wollten wir beobachten, wie die „natürlichen“ Harzklebefallen funktionieren.

Auf nach Madagaskar!

Mit einem kleinen internationalen Team von Wissenschaftler*innen reisten wir dann im vergangenen Jahr auf die Insel im Indischen Ozean und errichteten unser Forschungscamp in dem Dorf Ambahy an der Ostküste. Dort fanden wir stattliche Exemplare Harz produzierender Bäume. Die klebrige Masse hängt in großen Klumpen von den Zweigen herab oder rinnt die Stämme entlang nach unten. Unterwegs fließt sie über Pilze oder Reste von Pflanzen. Insekten und Spinnen bleiben daran kleben, andere Tiere lassen sich aus verschiedenen Gründen nicht so einfach fangen; etwas größere zum Beispiel können sich auch wieder befreien. Wir konnten nun beobachten, welche Gliedertierarten dort vorkommen und welche Arten dann tatsächlich im Baumharz eingefangen wurden. Außerdem konnten wir überprüfen, mit welchen Fangmethoden wir der natürlichen „Filterwirkung“ des Harzes am nächsten kommen. Dazu sortierten wir die gefangenen Gliedertiere, um sie später mit rezenten Inklusionen im Harz von Hymenaea und anderen Bäumen zu vergleichen. Und wir stellten fest, dass unsere Fangmethode mit Klebefallen die Arthopodenfauna im Harz wirklich sehr gut abbildet.

Neugierde der Einheimischen

Wir waren mit unserer Ausrüstung und auch mit dem, was wir da den ganzen Tag machten, für die einheimischen Menschen eine Attraktion. „Was sind das für Leute“, fragten sie sich, „die aus fernen Ländern hierher kommen, Bäume mit Klebestreifen umwickeln und sich dann stundenlang unter die Bäume setzen, um zu sehen, welche Tiere kleben bleiben?“.
 
Die Neugier der Madagassen und ihr großes Interesse an unserer Arbeit überzeugten uns davon, dass wir ihnen unbedingt erklären mussten, was wir da tun und warum wir es tun. Und weil Bilder mehr sagten als viele Worte, kam uns die Idee für einen Comic.

Wir erklären unsere Arbeit mithilfe eines Comics

Dieser Comic sollte für ein breiteres Publikum gemacht werden und nicht nur für die Menschen auf der Großen Roten Insel. Mit dem Schreiben des Manuskripts begannen wir während der zweiten Forschungskampagne sechs Monate später im Nationalpark Ankarana. Danach folgte eine sehr intensive Arbeit mit der Illustratorin Imke Trostbach. Wir beschreiben in dem Comic ausführlich unsere Arbeitsmethoden: Welche Fallen wir für welche Tiere verwenden, wie wir die Tiere bestimmen, selbst die aufwendigen Labormethoden erklären wir.

Die Menschen vor Ort müssen ihren Wald schützen

Dass die einzigartigen Wälder Madagaskars ernsthaft bedroht sind, sollte in dem Comic eine Rolle spielen. Denn die Erhaltung dieser wertvollen Biotope und ihrer Lebensgemeinschaften muss von den Menschen in Madagaskar selbst ausgehen. Es reicht nicht, allein die Geheimnisse der Natur zu entschlüsseln, sondern wir müssen uns darum kümmern, dass die Diversität von heute auch für nachfolgende Generationen erhalten bleibt.

Der neugierige Käfer Voangory 

Wir suchten nach einer Hauptfigur für das Comic, mit der sich die einheimische Bevölkerung identifizieren konnte. So wurde die Idee „Voangory“ geboren, ein Käfer. Voangory ist das madagassische Wort für Käfer. Voangory, der von seinen Freunden „Vongy“ genannt wird, erlebt zahlreiche Abenteuer. Er begibt sich – eher unfreiwillig – auf eine gefährliche Seereise und ganz nebenbei erfahren die Leser viel von den Harzfallen, in denen die Insekten kleben bleiben, und davon, wie sich Spinnen und Insekten von Kontinent zu Kontinent verbreiten. Die Geschichte spielt in Madagaskar und Mittelamerika. In beiden Regionen sind die Harz produzierenden Bäume der Art Hymenaea zu finden. Diese Bäume sind der Ursprung des bekannten Kopals aus Madagaskar und Kolumbien und des berühmten Bernsteins aus der Dominikanischen Republik und Mexikos. 

Wissenschaft für alle

Letztendlich möchten wir erreichen, dass unsere Forschung für Kinder und Erwachsene zugänglich wird, egal ob sie das Privileg haben, in Ländern zu leben, in denen die Urwälder noch geschützt werden können, oder anderswo, wo das nur schwierig möglich ist. Mit dem Comic versuchen wir, die Neugier für die Wissenschaft zu wecken. Wir möchten die Leser staunen sehen über die Vielfalt des Lebens auf unserem Planeten oder darüber, wie Tiere und Pflanzen es schaffen, Ozeane zu überqueren und neue Lebensräume zu erschließen – ganz gleich, ob das vor 25 Millionen Jahren stattfand oder heute passiert. Und wir wollen das erreichen mit einem „Lesestoff“, der Spaß macht – mit einem Comic. 

 

Zum Comic (PDF)

Literatur

Peris, D., Solórzano Kraemer, M. M., Peñalver, E. & Delclòs X. (2015): New material of bark and ambrosia beetles (Coleoptera: Curculionidae) from Miocene Mexican and Dominican amber and its paleogeographical implications. Organisms Diversity and Evolution. 15: 527–542. DOI: 10.1007/s13127­015­0213­y.

Solórzano Kraemer, M.M. & Vega, F. (2016): Studies on Mexican amber. Boletín de la Sociedad Geológica Mexicana, 68 Special Volume.

Solórzano Kraemer, M.M., Solórzano, K.A., Stebner, F., Bicke, D., & Rust, J. (2015): Entrapment bias of insects in Miocene amber revealed by trapping experiments in a tropical forest in Chiapas, Mexico. PlosOne 10(3): e.0118820.

 

Der Artikel erschien im September 2016 im SGN-Wissenschaftsmagazin Natur • Forschung • Museum 146.