Project Origins

Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein galt die Tiefsee als unbewohnte, dunkle, kalte und eintönige Wüste; rau und feindselig gegenüber jeder Form von Leben. Wichtige Naturwissenschaftler dieser Zeit verbreiteten die Vorstellung, dass es in den großen Tiefen des Meeres kein tierisches Leben geben könne. Sie alle ignorierten oder übersahen Berichte über Tierfänge aus Tiefen von über 1000 m, die bereits zu ihren Lebzeiten veröffentlicht worden waren. Erst der schottische Naturwissenschaftler Wyville Thomson konnte schließlich mit Hilfe des damaligen Vizepräsidenten der britischen Royal Society, William Carpenter, auf einer Expedition mit dem britischen Schiff „Porcupine“ in den Jahren 1868-1870 mit der Theorie der leblosen Tiefsee abschließen. Damit ist es erst etwas mehr als 150 Jahre her, dass die bloße Existenz von Tiefsee-Tieren allgemein bekannt wurde. Natürlich hat die Tiefseeforschung seither enorme Fortschritte gemacht. Dennoch sind sich die Wissenschaftler auch heute noch einig, dass nur an der sprichwörtlichen Oberfläche der Tiefsee gekratzt wurde und dass noch viele bahnbrechende Entdeckungen über diesen faszinierenden Lebensraum zu erwarten sind.

Im Mai 2020 wird in der Reihe Senckenberg Bücher das Begleitbuch zur neuen Tiefseeausstellung erscheinen. Hierin wird ansprechend bebildert und in allgemeinverständlicher Sprache von Wissenschaftlern des Senckenberg sowie des Wissenschaftspartners GEOMAR aus erster Hand über Tiefseeforschung und die Hintergründe berichtet. Auch Beiträge der Senckenberger Krebstierforscher sind dabei!
Müller T, Hoffmann-Wieck G (Hrsg.) (2020) Tiefsee – Vielfalt in der Dunkelheit. Schweizerbart Science Publishers, Stuttgart. 204 Seiten, 177 Abbildungen. ISBN: 978-3-510-61415-8

Heute wissen wir zwar, dass die vermeintlich homogenen Tiefsee-Ebenen von einer bemerkenswerten Vielfalt hauptsächlich kleiner Organismen bewohnt werden, aber das Verständnis ihrer Ursprünge ist vage. Die phylogenetischen Ursprünge der Tiefseeorganismen und ihre stammesgeschichtlichen Verbindungen zu Flachwasser-Verwandten, ihre biogeographischen Verbreitungsgebiete einschließlich historischer Veränderungen oder die ökologischen Faktoren, die die Koexistenz verschiedener Assemblagen in der Tiefsee fördern, sind nur in Ansätzen bekannt.

Dieses Projekt zielt auf ein besseres Verständnis davon ab,

  • wie so viele Arten in abgrundtiefen Sedimenten koexistieren können,
  • welche Faktoren ihre Entwicklung antreiben, und
  • wo ihre phylogeographischen Ursprünge liegen.

Dabei wird eine Kombination von populationsgenetischen, phylogenetischen, taxonomischen, biogeographischen und ökologischen Methoden angewandt, wobei Proben und Ergebnisse aus verschiedenen Kampagnen und Projekten kombiniert werden. Diese haben alle das gemeinsame Ziel, ein besseres Verständnis der Ursprünge der Tiefsee-Biodiversität zu erlangen. „Eine Krebstierperspektive auf den Ursprung der Tiefsee-Biodiversität“ ist das Habilitationsthema von Dr. Torben Riehl, der vor allem die Isopodenfamilie Macrostylidae als Modell verwendet, aber auch andere Krebstiergruppen untersucht, um allgemeine Muster für den Ursprung der Tiefsee-Biodiversität abzuleiten.

Im Rahmen dieses Habilitationsprojekts veröffentlichte Arbeiten:

Riehl T, Brandão SN, Brandt A (2020) Conquering the ocean depths over three geological eras. In: Thiel M, Poore GCB (Hrsg.) Evolution and Biogeography. Oxford University Press, New York, pp 155–182. https://global.oup.com/academic/product/the-natural-history-of-the-crustacea-9780190637842?lang=en&cc=de (wird im Juni 2020 erscheinen)

Riehl T, De Smet B (2020) Macrostylis metallicola spec. nov. — An isopod with geographically clustered genetic variability from a polymetallic-nodule area in the Clarion-Clipperton Fracture Zone. PeerJ 8:1–44. http://doi.org/10.7717/peerj.8621

Riehl T, Kühn MAL (2020) Uniting what belongs together — reevaluation of the isopod species Macrostylis grandis and M. ovata using ontogenetic, morphological and genetic evidence. Prog Oceanog 181:102238. http://doi.org/10.1016/j.pocean.2019.102238

Brandão SN, Hoo H, Hoppema M, Kamenev GM, Karanovic I, Riehl T, Tanaka H, Vital H, Brandt A (2019) Review of Ostracoda (Crustacea) living below the Carbonate Compensation Depth and the deepest record of a calcified ostracod. Prog Oceanog. http://doi.org/10.1016/j.pocean.2019.102144

McCallum A, Riehl T (2020) Intertidal to Abyss: Crustaceans and Depth. In: Thiel M, Poore GCB (Hrsg.) Evolution and Biogeography. Oxford University Press, New York, pp 429–449. https://global.oup.com/academic/product/the-natural-history-of-the-crustacea-9780190637842?lang=en&cc=de (wird im Juni 2020 erscheinen)

Brandt A, Alalykina I, Brix S, Brenke N, Błażewicz M, Golovan OA, Johannsen N, Hrinko AM, Jażdżewska AM, Jeskulke K, Kamenev GM, Lavrenteva AV, Malyutina MV, Riehl T, Lins L (2019) Depth zonation of Northwest Pacific deep-sea macrofauna. Prog Oceanog 176:102131. http://doi.org/10.1016/j.pocean.2019.102131

Riehl T, Lins L, Brandt A (2018) The effects of depth, distance, and the Mid-Atlantic Ridge on genetic differentiation of abyssal and hadal isopods (Macrostylidae). Deep-Sea Res Pt II 148:74–90. http://doi.org/10.1016/j.dsr2.2017.10.005

Bober S, Brix S, Riehl T, Schwentner M, Brandt A (2018) Does the Mid-Atlantic Ridge affect the distribution of abyssal benthic crustaceans across the Atlantic Ocean? Deep-Sea Res Pt II 148:91–104. https://doi.org/10.1016/j.dsr2.2018.02.007

Kniesz K, Brandt A, Riehl T (2018) Peritrich ciliate epibionts on the new hadal isopod species Macrostylis marionae from the Puerto Rico Trench as an indicator for sex-specific behaviour. Deep-Sea Res Pt II 148:105–129. http://doi.org/10.1016/j.dsr2.2017.10.007

Johannsen N, Lins L, Riehl T, Brandt A (2020) Changes in species composition of Haploniscidae (Crustacea: Isopoda) across potential barriers to dispersal in the Northwest Pacific. Prog Oceanog 180:102233. http://doi.org/10.1016/j.pocean.2019.102233