Dorte Janussen im Nasslabor auf der Polarstern

Marine Evertebraten I

Forschung

Diversität, Phylogenie, Zoogeographie und Evolutionsökologie der Porifera (Schwämme)

Die Schwämme gehören zu den häufigsten und von der  Biomasse her gewichtigsten Tieren, die festgewachsen auf dem Meeresboden leben. Als aktive Filtrierer tragen Schwämme signifikant zum Nährstoff-Kreislauf in der pelago-benthischen Kupplung bei. Ferner spielen Schwämme am Meeresboden als Wirtsorganismen  strukturgebend eine wichtige ökologische Rolle indem sie für andere Organismen Habitate schaffen. So betrachtet ist die evolutionäre Radiation der Poriferen ein ökologischer Schlüsselfaktor zur Verbreitung und Diversität marin-benthischer Lebensgemeinschaften.

Wir verwenden eine integrative Methodik, die molekulare Techniken mit morphologischen und paläontologischen Daten verbindet, um ein Verständnis zu erreichen über die Evolution der Porifera und ihre Geschichte von Kolonisation und Verbreitung und ihre Rolle innerhalb der marinen Lebensgemeinschaften.

Die Porifera als wichtige Rohstofflieferanten für die Medizin sind durch die weltweite Nutzung von Spongia officinalis, dem gemeinen Badeschwamm, seit Jahrtausenden bekannt. Um Konkurrenten, Fressfeinden und Schmarotzern effektiv zu begegnen, haben die Schwämme eine sehr erfolgreiche chemische „Kriegsführung“ entwickelt, von der auch die Menschen profitieren. Zunehmend spielen bioaktive Stoffe von Schlüssel-Arten der Poriferen, z. B. in der pharmazeutischen Industrie, eine wichtige Rolle. Auch für die systematische Zuordnung dieser Schwamm-Arten und die Kenntnis ihrer Ökologie und Biodiversität ist unsere taxonomische Forschungsarbeit unentbehrlich.

 

Aktuelle Projekte:

Taxonomie und Diversität und Ökologie ausgewählter Schlüssel-Taxa der antarktischen Schwämme

(ANTARC-Por, DFG: JA 1063/14, gemeinsam mit Prof. Gert Wörheide, LMU)

Taxonomie der Cladorhizidae und Latrunculiidae (Porifera: Demospongiae) im Antarktischen Ozean

In der Tiefsee des Südpolarmeers lebt eine große Vielfalt an für die Wissenschaft noch unbekannte Schwamm-Arten, an deren Dokumentation und Publikation wir derzeit arbeiten. Die  Cladorhizidae (Raubschwämme) sind weltweit in großen Meerestiefen verbreitet und sind die bisher in der größten Tiefe gesammelten Schwämme überhaupt. Auf dem Antarktischen Schelf gedeihen sie jedoch auch in wenigen hundert Metern Tiefe. Hier finden wir besonders viele neu zu beschreibenden Arten. Die Latrunculiidae, und besonders die Gattung Latrunculia, ist bekannt als vielversprechender Produzent biochemischer Komponenten, unter anderem mit Tumor hemmender Wirkung. Diese Naturstoffe  werden zunehmend auch in Arten aus der Antarktis entdeckt. Die Definitionen der südpolaren  Latrunculia-Arten sind jedoch widersprüchlich und ungenau und bedürfen dringend der Revision. Diese wird mittels skelett-morphologischer Merkmale in Vergleich mit molekularen Ergebnissen erarbeitet.

Raubschwamm Abyssocladia  aus der Tiefsee der Antarktis
Marine Evertebraten I
Latrunculia bocagei_Spicula, Rastermikroskopische Aufnahme

Revision der antarktischen Rossellidae (Porifera: Hexactinellida)

Der antarktische Kontinentalschelf beherbergt die größten und vielfältigsten Schwammgärten der Erde. Zwei im Südpolarmeer endemische Gattungen, Rossella spp. und Anoxycalyx (Scolymastra), sind aufgrund ihrer Rolle als Bio-Ingenieure von besonderer ökologischer Bedeutung. Schwämme dieser Gattungen kommen lokal massenhaft vor und  können metergroß werden. Sie strukturieren den Meeresboden, beherbergen diverse Lebensgemeinschaften und spielen ferner als Pioniere bei der (Wieder)Besiedlung nach Zerbrechen und Abschmelzen des Eises auf großen Schelfgebieten, z. B. an der Antarktischen Halbinsel eine wichtige Rolle. Die Artbestimmung der antarktischen Rossellidae, sowohl mittels skelettmorphologischer und morphologischer als auch molekularer Merkmale, ist derzeit höchst ungenau, was möglicherweise in der wahrscheinlich noch stattfindenden Speziation innerhalb dieser Gattungen begründet ist. Wir erarbeiten eine integrative Systematik zur Anwendung in der Monitoring des antarktischen Schelfs zum besseren Verständnis der ökologischen Folgen der Klima-Erwärmung im Südpolarmeer.

Marine Evertebraten I
Antarktischer Glasschwamm Rossella levis

Porifera in der Tiefsee: Diversität, Zoogeographie und Evolutionsökologie

Untersuchungen der Poriferen-Faunen ausgewählter Tiefseeregionen, zoogeographische und ökologische Vergleiche. Schwämme des Südpolarmeers und faunistische Vergleiche mit anderen Tiefseegebieten u. a. die Arktische Framstraße, Hausgarten. (Kooperation mit Teams des Alfred Wegener Instituts, Bremerhaven).

Diversität der Schwämme in Manganknollen-Biotopen der Clarion-Clipperton-Zone (NE Pazifik)

Die Clarion-Clipperton-Bruchzone (CCFZ) im äquatorialen Nordost-Pazifik ist das weltgrößte potenzielle Abbaugebiet für den Tiefsee-Bergbau polymetallischer Knollen, auch als Manganknollen bekannt. Die Gesamtfläche des Gebiets umfasst ca. 5,2 Millionen km². Glassschwämme (Porifera, Hexactinellida) repräsentieren hier eine der Hauptgruppen megabenthischer Tiefseegemeinschaften, viele der gefundenen Arten sind für die Wissenschaft neu. Die erwarteten Effekte durch den geplanten Tiefsee-Bergbau werden basierend auf taxonomischen Daten und Unterwasservideos untersucht.

Marine Evertebraten I
Glasschwamm auf Manganknolle in der Clarion-Clipperton Zone

Diversität der abyssalen und bathyalen Schwämme des Kurilen-Kamchatka Grabens (NW Pazifik)

Der Kurilen-Kamchatka Graben  ist mit 9700 m maximaler Tiefe eines der tiefsten Meeresbiotope auf der Erde und beherbergt zahlreiche, bis heute fast unbekannte abyssale und bathyale Lebewesen, die im Rahmen der deutsch-russischen KuramBio II Expedition (Kuril Kamchatka Biodiversity Studies II mit FS Sonne) beobachtet, gesammelt und z. T. schon publiziert wurden (vgl. Brandt et al ****). In unserer Sektion wird eine hochdiverse Poriferen-Sammlung von dieser Expedition  derzeit taxonomisch untersucht. Bei den bisher tiefsten Schwamm-Funden überhaupt (aus ca. 8000 m Tiefe) handelt sich um Demospongier der Familie Cladorhizidae (Raubschwämme). Auch neue Arten der Glasschwämme finden sich in dieser Schwammfauna.

Die frühe Evolution der Porifera

Porifera (Schwämme) ist vermutlich der älteste, aktuell noch lebende Tierstamm unserer Erde. Ihre fossile Überlieferung kann bis in das Jung-Präkambrium zurückverfolgt werden, doch ihre Geschichte ist vermutlich weitaus älter.

Außerordentlich erhaltene Schwämme der Anji Biota aus dem Frühpaläozoikum (Ordovizium, in der Zhejiang Provinz, Südchina)

Die Anji Biota ist eine exzeptionell gut erhaltene, Schwamm-dominierte Fauna  des Spät-Ordovizium. Sie enthält über 100 Schwammarten, überwiegend neue Glasschwämme, die vermutlich in einem tiefwasser-Milieu lebten. Viele dieser Schwämme zeigen auffallende Ähnlichkeit mit heutigen Schwamm-Ordnungen und Familien, so dass wir wichtige Rückschlüsse auf die frühe Evolution dieser Tiergruppen. ziehen können

Marine Evertebraten I
Dorte bei der Feldarbeit in China

Älteste Schwammfossilien der Erdgeschichte aus den jungpaläozoischen Kushk Serien im Zentral-Iran

Marine Tonablagerungen der spät-präkambrischen Kushk-Serien von Iran enthalten eine reiche Vergesellschaftung an klassischen Indes Fossilien für ein Alter des späten Präkambrium –(Ediacara ~545-539 Ma). Einige der noch unbeschriebenen Fossilien zeigen deutliche Schwamm-Affinität und sind Hinweise auf die Poriferen als die frühesten Tiere der Erdgeschichte.

Wichtige frühere Projekte, an deren Forschungssammlungen noch gearbeitet wird

Diversität und Phylogenie von Schlüsseltaxa antarktischer Poriferen (DFG: JA 1063/14). Antarktis-Expeditionen ANDEEP I- III sowie SYSTCO I, II (2001-2012) mit FS POLARSTERN

Dynamik und Populationsökologie der des ehemaligen Eisschelfs Larsen AB und angrenzender Gebiete, östlich der Antarktischen Halbinsel (DFG: JA 1063/17-1)

Regionale Erwärmung an der Antarktischen Halbinsel seit den 1950ern führten im 1995 bzw. 2002 zum Kollaps der Larsen AB Eisschelfe. Die ökologischen Auswirkungen dieser Ereignisse werden von multidisziplinären wissenschaftlichen Teams auf mehreren Expeditionen  (2007, 2011 und 2013) studiert, um die ozeanographischen und ökologischen dynamischen Veränderungen nachzuspüren. Vermutete Artenbildungs-Prozesse und Besiedlung der Larsen Schelfe durch Pionier- und Tiefsee-Taxa werden mit Hilfe vergleichend morphologischer und molekularer Methoden, und durch parallele Analysen der Schwamm-Infauna untersucht, sowie ökologische Abfolgen durch systematische und quantitative Auswertung von ROV-Transsekten.

Die Porifera sind höchst wahrscheinlich die ältesten, jetzt noch existenten Metazoa. Diverse Schwammvorkommen in Schichten des untereren Kambriums zeugen von der ihre frühe, wahrscheinlich schon präkambrische Evolution. Die Blütezeit der Schwämme lag im höheren Mesozoikum, wo insbesondere Hexactinellida und „lithistide“ Demospongiae große Artenvielfalt entwickelten und als Riffbildner weltweit eine wichtige Rolle spielten, insbesondere in den Schwammriffen des Oberjuras und der Oberkreide. Während die rigiden Hexactinelliden somit sehr reiche Überlieferung zeigen, sind die nicht-rigiden Vertreter der Lyssacinosida und die Amphidiscophora fossil selten. In besonderen Erhaltungs-Fenstern, z. B. dem Arnagerkalk (Oberkreide, Coniac) von der Ostseeinsel Bornholm finden wir jedoch ihre reiche fossile Dokumentation.

Antarktis-Expeditionen ANT XXIII-8, BENDEX, LASSO, FROSN (2007-2015) mit FS POLARSTERN