Lichenes und Bryophyta

Forschung

Schwerpunkte in der Forschungstätigkeit der Sektion sind:

  • Beziehungen zwischen Kryptogamen und der invertebraten Fauna
  • Auswirkungen des globalen Wandels auf die Biodiversität von Flechten und Moosen in der nördlichen Paläarktis
  • Kausalitäten der Biogeographie holarktischer Flechten
  • Taxonomie und Evolution ausgewählter Verwandtschaftskreise holarktischer Flechten

Im Einzelnen richtet sich unsere Aufmerksamkeit gegenwärtig vor allem auf folgende Themen:

Interaktionen mit der Tierwelt

Besonderes Interesse gilt den Interaktionen zwischen Kryptogamenvegetation und wirbelloser Tierwelt in Kooperation mit der Abteilung Bodenzoologie. So wurden im abgeschlossenen Antarktisprojekt die Kryptogamen bearbeitet und eine starke Abhängigkeit der Tierwelt von Vorhandensein und Ausprägung der Kryptogamenvegetation (Bild links: kryptogamengeprägte Vegetation auf einer Probefläche der Ardley-Insel, Süd-Shetland-Inseln; phot. A. Nordt) nachgewiesen. Weitere Arbeiten widmeten sich unter anderem dem Studium von Fraßpräferenzen von Hornmilben gegenüber Flechten und Moosen und der Besiedlung verschiedener Flechtenarten durch Hornmilben in anthropogen ungeschädigten Biotopen des Kaukasus. Für das Studium der Wiederausprägung der stark geschädigten Coenose epiphytischer Kryptogamensynusien in Zentraleuropa wurden Ersterfassungen auf Probeflächen in der Frühphase der Wiederbesiedlung als Grundlage späterer Vergleichsuntersuchungen durchgeführt.

Biodiversität im ehemaligen „Schwarzen Dreieck“

Gewissermaßen „vor der Haustür“ des SMNG befindet sich mit dem sogenannten „Schwarzen Dreieck“ die einst am höchsten umweltbelastete Region Europas mit zwischenzeitlich fast völliger Vernichtung der – besonders epiphytischen – Kryptogamenvegetation. Mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union haben wir in Zusammenarbeit mit dem Riesengebirgsnationalpark und Wissenschaftlern der Wrocławer Universität (Republik Polen) das Projekt „Umwelt im Wandel – das Schwarze Dreieck wird wieder bunt“ durchgeführt, das eine Infrastruktur für die langfristige Beobachtung der Biodiversitätsdynamik epiphytischer Flechten in der Region bereitgestellt hat (Dauerbeobachtungsflächen, Datenbank, Internetportal, Qualifikation ehrenamtlicher Beobachter).

Landnutzung und Biodiversität

Die Art und Weise der Landnutzung gehört zu jenen Faktoren, die die Biodiversität einer Landschaft am stärksten beeinflussen. Hierauf bezogene Studien haben hinsichtlich der Botanik meist die Gefäßpflanzen im Blick. Speziell wird gegenwärtig in einem Promotionsprojekt untersucht, wie sich der Schutz von Flechten und Moosen in die forstliche Bewirtschaftung integrieren läßt. Unsere Untersuchungen sollen zeigen, ob die dabei gewonnenen Erkenntnisse sich auf die Diversität der Flechten übertragen lassen oder die Effekte dort andere sind (Bild links: an Gefäßpflanzen armer, aber an epiphytischen Flechten reicher Lärchenforst in der Niederlausitz).

Biodiversitäts-„Hotspot“ Kaukasus

Die mitteleuropäischen Ökosysteme sind im 20. Jahrhundert großräumig durch industrielle Immissionen beeinflußt gewesen; aktuell führt der Eintrag ammoniakalischer Substanzen zu Abweichungen von der als natürlich anzusehenden Artengarnitur vieler Habitate. Als Modellgebiet für nicht durch Immissionsschäden beeinträchtigte Ökosysteme europäischen Typs steht daher der Kaukasus im Blickpunkt unserer Aufmerksamkeit. Aktuelle Untersuchungen sind auf den Einfluß von Nutzungen auf die Biodiversität der nicht immissionsgeschädigten Laubwaldökosysteme im Weltnaturerbegebiet Westkaukasus (Bild links) gerichtet.

Der Kaukasus ist zugleich als „hotspot“ der Artenvielfalt von besonderer Bedeutung für die Erhaltung der Biodiversität der Holarktis. Laufende Arbeiten sollen zeigen, inwiefern seine biogeographischen Besonderheiten von klimatischen Besonderheiten abhängen und somit durch Klimawandel gefährdet sein könnten.

Taxonomie

Die Untersuchung biozönotischer Fragestellungen führt unausweichlich auch auf taxonomische Fragen. Zu deren Untersuchung ist das Museum durch seine umfangreichen Sammlungen gut aufgestellt. Aktuelle taxonomische Studien sind unter anderem der Bartflechtengattung Usnea Adans. gewidmet, die im Kaukasus in hoher Diversität vertreten ist und seit der Besserung der Luftqualität auch in unserer Region wieder artenreich erscheint. Insbesondere aber haben uns in den letzten Jahren aspicilioide Flechten aus der trankaukasischen Region und dem Iran beschäftigt, deren Vielfalt erst allmählich verstanden wird.

Angewandte Biodiversitätsforschung

Große Aufmerksamkeit wurde unter anderem der Neuausgabe der deutschen Flechtenflora (Wirth et al. 2013) gewidme. Hierzu wurde die Verbreitung aller vorkommenden Flechtenarten nach Naturräumen in den Bundesländern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin untersucht und zu diesem Zweck eine große Zahl von Herbarbelegen revidiert, wodurch auch zahlreiche fehlerhafte Angaben eliminiert werden konnten. Zur angewandten Biodiversitätsforschung ist auch die substantielle Beteiligung unserer Sektion bei der Erstellung der Neuausgaben der Roten Bücher der nordkaukasischen Gebiete Republik Adygeja und Krasnodarskij Kraj (Russische Föderation) sowie von Deutschland zu rechnen.

Kleinere Projekte der letzten Jahre betrafen unter anderem die Evaluierung des sächsischen Schutzgebietssystems im Hinblick auf die Erhaltung der Flechten unter Berücksichtigung des Klimawandels und der geänderten Immissionsituation in Zusammenarbeit mit dem Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie und die Erstellung von Artensteckbriefen für das FFH-Monitoring. Seit dem Jahre 2010 erfolgt durch die Sektion das langfristige Flechtenmonitoring auf der Königsbrücker Heide in Zusammenarbeit mit der Hochschule Anhalt.

 

 

Themen für studentische Abschlussarbeiten und Forschungspraktika finden Sie hier.

Als generelles Thema unserer Arbeit verstehen wir die Biodiversität. Ein Grundprinzip unserer Tätigkeit ist dabei strikte Qualitätssicherung durch dauerhafte Aufbewahrung von Belegmaterial in den Sammlungen unseres Museums.