Neelus murinus, ein winziger im Boden lebender Springschwanz.

Funktionale Umweltgenomik

Invertebraten-Genomik und Metagenomik im Boden


Wir entwickeln und adaptieren molekulare Ansätze, um die Struktur, Zusammensetzung und Funktionen von schwer zu beobachtenden Organismen zu erforschen. So gehen wir wichtigen ökologischen Fragen nach, wie beispielsweise den Auswirkungen der ‘Großen Beschleunigung’ auf taxonomisch vielfältige Gemeinschaften. 

Unser Hauptaugenmerk liegt auf der Entwicklung und Erprobung von Methoden zur Beschreibung der Struktur und Funktion von Gemeinschaften im Boden lebender Invertebraten. Diese Forschung führen wir gemeinsam mit der Abteilung Bodenzoologie des Senckenberg Instituts in Görlitz durch.

Das Projekt „Metagenomisches Monitoring von Bodengemeinschaften (MetaInvert)“ ist Teil des LOEWE-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik und wird von Miki Bálint, Ricarda Lehmitz und Peter Decker geleitet. Das Projekt wird durch das Programm „LOEWE – Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz“ des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst gefördert. Unter der Leitung von Clément Schneider haben wir über 250 Arten wirbelloser Bodenlebewesen genomisch sequenziert. Das Ziel dieser Datenbank ist es, die Artbestimmung mittels Shotgun-Metagenomik zu verbessern.

Funktionale Umweltgenomik
Eine kleine Teilprobe von Springschwänzen, die innerhalb eines Quadratmeters Boden gefunden wurde. Springschwänze sind eine sehr vielfältige Gruppe von Mikroarthropoden, die zwischen weniger als einem und wenigen Millimetern groß werden und in allen Biomen der Erde vorkommen.

Historische Umwelt-DNA

Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Arbeit der Gruppe ist es, mit historischer Umwelt-DNA (ancient eDNA), die in Meeressedimenten konserviert ist, lange Zeitreihen von Lebensgemeinschaften zu erstellen und diese zu interpretieren. Ancient DNA kann eine große Vielfalt von Taxa erfassen, die einst in aquatischen Lebensräumen lebten. Dies kann bis zu Tausenden von Jahren zurück gehen. Dadurch können aDNA-Zeitreihen von Lebensgemeinschaften Fragen zu den ökologischen Auswirkungen historischer Klimaveränderungen und menschlicher Einflüsse beantworten.

Unser neuestes eDNA-Projekt lautet: „Vorhersage der Zukunft anhand von Signaturen der Vergangenheit: Verwendung von lebenden Sediment Archiven und aDNA, um die Reaktionen von marinen Primärproduzenten auf Umweltveränderungen zu verstehen“. Das Projekt vergleicht die Auswirkungen von Veränderungen des Holo- und Anthropozäns auf die Zusammensetzung und die genomischen Populationsstrukturen des Phytoplanktons über die gesamte 8500-jährige Geschichte der Ostsee.

Das Projekt wird durch das Förderprogramm Leibniz-Kooperative Exzellenz der Leibniz Gemeinschaft gefördert. PIs sind Laura Epp (Uni Konstanz), Inga Hense (Uni Hamburg), Miki Bálint, mit Anke Kremp (IOW) als Koordinatorin.

Krebspest-Transkriptomik

Dr. Kathrin Theissinger und ihr Team arbeiten an dem Projekt „Süßwasserkrebse und ihre invasive Krankheit in Europa“. Die Artenvielfalt im Süßwasser ist stark rückläufig. Durch die Einführung der nordamerikanischen invasiven Flusskrebse sind in Europa die Schlüsselarten dieser Ökosysteme, die Süßwasserkrebse, bedroht. Nordamerikanische Flusskrebsarten sind Vektoren für die hoch ansteckende Krebspest, die durch den Erreger Aphanomyces astaci verursacht wird. In unserer Forschung zielen wir darauf ab, die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen einer durch die Krebspest induzierten Immunantwort auf eine A. astaci-Infektion im Rahmen einer originalen Transkriptomik aufzudecken. Darüber hinaus verwenden wir einen multiskalen Ansatz, um die Wirt-Parasit-Interaktionen zu verstehen und Beweise für Wirtswechsel von A. astaci zu erbringen, die Aufschluss auf sein Wirtreservoir bringen. Wir implementieren eine breite Palette neuartiger genomischer Methoden (WGS, RNAseq, WGBS, GWAS-Analyse), um unsere Fragen zu beantworten und hochwertige Referenzdatensätze für zukünftige genomische Studien an Süßwasserkrebsen bereitzustellen. Indem wir die Auswirkungen von A. astaci auf europäische Süßwasser-Ökosysteme untersuchen, gewinnen wir ein besseres Verständnis für biologische Invasionen, die zweitgrößte Ursache für den Verlust der Biodiversität.

Genom-Evolution von Zehnfußkrebsen (Decapoda)

Im GEODE-Projekt soll ein Referenzgenom auf Chromosomenebene für Astacus astacus assembliert werden. Mit einer geschätzten Größe von 17 Gb wird dieses Genom das größte bei Wirbellosen verfügbare Genom sein und für vergleichende genomischen und zytogenomischen Ansätzen genutzt werden, um die Evolution von Dekapoden-Genomen in Bezug auf Gengehalt, repetitive Elemente und Genomarchitektur zu untersuchen. Ein Schwerpunkt liegt in der Bestimmung der Geschlechtschromosomen, die bei Krebsen derzeit noch unbekannt sind. In Synergie werden wir das Immunsystem der Krebse und dessen Evolution in Dekapoden untersuchen. Wir werden Immungene in A. astacus identifizieren, indem wir die differentielle Genexpression in einem kontrollierten Infektionsexperiment in verschiedenen Geweben untersuchen. Während seit langem angenommen wird, dass bei Wirbellosen kein Immungedächtnis vorhanden ist, wurde diese Annahme kürzlich durch die Beobachtung von Immungedächtnisreaktionen bei bestimmten Insekten und Krebstieren in Frage gestellt. Daher werden wir die Existenz des Immungedächtnisses in A. astacus durch ein Immunpriming-Experiment, gefolgt von einer Einzelzell-RNA-Sequenzierung von Hämozyten, experimentell überprüfen. Alle identifizierten differentiell exprimierten Gene werden hinsichtlich ihres genomischen und evolutionären Kontextes untersucht. Schließlich werden wir das Wirt-Pathogen-Modell von A. astacus und Aphanomyces astaci bezüglich ihres koevolutionäre Hintergrundes untersuchen. Wir werden die genetischen Grundlagen der Wirtsresistenz und der Pathogenvirulenz untersuchen, indem wir GWAS Analysen zwischen anfälligen und resistenten Krebspopulationen und zwischen Pathogen-Stämmen unterschiedlicher Virulenz verwenden. Die mit der Wirtsresistenz verbundenen genetischen Varianten werden verwendet, um einen SNP-Chip zu erstellen, der resistente Krebspopulationen identifiziert und den Weg für eine fortschrittliche Managementstrategie zur Erhaltung von Flusskrebsen ebnet.