Probennahme für genetische Analysen von Museumsbälgen (Felsenkleiber, Sitta tephronota, aus Afghanistan)

Ornithologie

Forschung


   

Inhaltliche Forschungsschwerpunkte 

Systematik und Taxonomie Paläarktischer Singvögel nach Molekulargenetik, Bioakustik sowie Morphologie; Erfassung kryptischer Biodiversität.

Die Schwerpunktthemen der Sektion Ornithologie gliedern sich ein in den Senckenberg Forschungsbereich Biodiversität und Systematik. Projektbezogene Kooperationen bestehen mit dem Forschungsbereich Biodiversität und Klima.

Geographische Schwerpunkte 

Europa, Mittelmeerraum, Himalaya, Qinghai-Tibet-Plateau und angrenzendes Südchina sowie Südostasien

Projekte

Historische Biogeographie und integrative Taxonomie asiatischer Singvögel 

Die Gebirgswälder entlang des südlichen und östlichen Randes des Tibetplateaus im Himalaya und China sind einer der bedeutendsten Biodiversitäts-Hotspots der Nördlichen Hemisphäre. Für die waldbewohnenden asiatischen Singvogelgemeinschaften rekonstruierten wir anhand molekularer Phylogenien ein dreistufiges Besiedlungsszenario: An eine erste Miozäne Besiedlung des Sino-Himalaya durch tropische Faunenelemente schließt sich eine zweite Pliozäne Einwanderung borealer Paläarktischer Faunenelemente in die subalpinen Nadelwälder der Region an. Die dritte finale Phase umfasst Pleistozäne Speziationsprozesse ausgelöst durch glaziale Waldhabitatfragmentierung, welche die rezenten Muster von Vikarianz und Parapatrie prägten.

Ähnliche klimatisch-bedingte Besiedlungsereignisse müssen bei der Kolonisation der alpinen Offenlandhabitate des Tibet-Plateaus durch Singvögel eine Rolle gespielt haben. Ein seit Beginn 2013 laufendes DFG-Projekt zu dieser Fragestellung ist eingebunden in das DFG research cluster “Origin and Evolution of Tibetan-Himalayan Biotas”, Metaanalysen der einzelnen Datensätze untersuchen langskalige Veränderungen von Speziationsraten im Zusammenhang mit Klima- und Vegetationsveränderungen.

  • Kooperation: Alle Untersuchungen entstanden in langfristiger Kooperation mit dem Key Laboratory of Animal Ecology and Conservation, Institute of Zoology, Chinese Academy of Science, Beijing, China (Prof. Yue-Hua Sun) und der Johannes-Gutenberg-University, Mainz (Professor Jochen Martens);weitere Kooperationen innerhalb des QTP research cluster: BiK-F Projektbereich D2.4 „Biodiversity and Evolution of arctic vertebrates„, Frankurt a. M. (Dr. Frank Hailer); Insitut für Ökologie, Evolution und Diversität, Johann-Wolfgang v. Goethe University of Frankfurt a. M. (Dr. Dieter Thomas Tietze); Doktorand: Patrick Strutzenberger;
  • Förderung: DFG, 2012-2015: QTP research cluster; LOEWE-Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz“ of Hesse’s Ministry of Higher Education, Research, and the Arts, 2011;
  • Key publications: Päckert et al. (2012): J. Biogeogr. 39Martens et al. (2011): Ornithol. Monogr. 70.Päckert et al. (2013): J. Ornithol. 154;

Laut BirdLifeInternational umfasst die Avifauna Taiwans fünfzehn endemische Arten (laut der IOC World List sogar 24!), was einem Anteil von 9% der dort heimischen Brutvogelarten entspricht. Weiterhin kommt verschiedenen endemischen Unterarten Taiwans möglicherweise aufgrund ihrer genetischen Eigenständigkeit auch Artstatus zu. In diesem Projekt wurden Singvogel-Populationen Taiwans genetisch untersucht und in die Phylogenien kompletter Gattungen eingefügt. In einer parallelen bioakustischen Analyse verglichen wir die Struktur der Reviergesänge ausgewählter Zielarten mit denen nächster Verwandter. Alle taiwanesischen Vertreter stellten sich als deutlich differenziert gegenüber den Schwestertaxa Verwandten auf dem Kontinent heraus..

  • Kooperation: Biodiversity Research Center, Academia Sinica, Taipei (Prof. Lucia Liu Severinghaus)
  • Förderung: Deutsche Ornithologen-Gesellschaft, Gesellschaft für Tropenornithologie, 2007

Projektbericht Taiwan

Die Evolutions- und Ausbreitungsgeschichte der indochinesischen Avifauna umfasst Faunenaustausche mit den Gebirgszügen im Norden (z.B. Himalaya) sowie mit den Inselgruppen der Sunda-Region im Süden. Heutige phylogeographische Muster gehen möglicherweise auf komplexe Inselradiationen zurück mit anschließender terminaler Besiedlung des kontinentalen Südostasien. Auch für Radiationen von Vögeln spielt das zeitweilige Vorhandensein und Verschwinden von Landbrücken – wie z.B. des Isthmus von Kra – eine Rolle. Unter diesem Gesichtspunkt untersuchen wir die Phylogeographie tropischer Bülbüls (Pycnonotus) entlang eines latitudinalen Gradienten in Thailand.

  • Kooperation: Universität Ulm, Germany (Dr. Swen Renner); Prince of Songkla University; Hatyai, Thailand; Doktorandin: Ariya Dejtaradol.
  • Förderung: Prince of Songkla University (Stipendium A. Dejtaradol), Paul-Ungerer-Stiftung;

Sammlungsbasierte genetische Forschung

Historische Demographie

Naturhistorische Sammlungen stellen ein unschätzbares Archiv biologischer und damit auch genetischer Diversität und deren zeitlichen Wandels dar. Historische Belegstücke von Modellarten aus Sammlungen können z.B. zur Rekonstruktion rezenter demographischer Prozesse herangezogen werden.

Der Modellorganismus dieses Projekts ist der Trauerschnäpper (Ficedula hypoleuca), dessen Zug- und Brutstrategie nachweislich vom Klimawandel der letzten Jahrzehnte beeinflusst wurde. Wir quantifizierten die genetische Diversität rezenter und historischer europäischer Populationen im Vergleich mit zeitlichen Schwankungen von Populationsgrößen. Dieselben Vergleiche wurden für ein Kandidatengen durchgeführt, dessen latitudinale Variation offenbar klimatischen Einflüssen unterliegt. Die Arbeiten schlossen die Optimierung von DNA-Extraktion und Amplifikationsprotokollen in Abhängigkeit von Alter und Ausgangsmaterial der unterschiedlichen Gewebeproben ein.

Die Robustheit phylogenetischer Rekonstruktionen ist mitunter stark abhängig von deren taxonomischer Vollständigkeit. Um diese zu erzielen, bieten naturhistorische Sammlungen eine gute Ausgangsbasis für die Einbeziehung seltener Arten aus zum Teil heute unzugänglichen Gebieten in die Analysen. Diese Strategie ermöglichte es uns, eine komplette Phylogenie der echten Karmingimpel (Carpodacus s. str.) zu erstellen. Weiterhin kann die Beschaffung von Frischmaterial für genetische Analysen zeit- und kostenintensiv sein wie im Fall der strikt luftlebenden Segler (Apodidae). Umfassendes weltweites Probenmaterial aus Naturkundemuseen ermöglichte uns die Erstellung einer ersten vollständigen Phylogenie der Altweltgattungen Apus und Tachymarptis einschließlich verlässlicher taxonomischer Empfehlungen.

  • Kooperation: Johann-Wolfgang v. Goethe University of Frankfurt a. M. (Dr. Dieter Thomas Tietze)
  • Förderung:Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst Sachsen, 2008; Synthesys, 2008, 2010; LOEWE-Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz“ of Hesse’s Ministry of Higher Education, Research, and the Arts, 2011. 
  • Key publications: Päckert et al. (2012): Mol. Phyl. Evol. 63; 

Phylogeographie euroasiatischer Meisen (Paridae)

Inseln stehen nach allgemeiner Auffassung am Ende von Besiedlungsrouten, während Rückbesiedlungen von Inseln auf benachbarte Kontinente eher die Ausnahme darstellen. Den letzteren Fall konnten jedoch anhand eines Multigen-Stammbaums der Blau- und Lasurmeisen (Cyanistes) dokumentieren. Die kanarischen Populationen der Teneriffa-Blaumeise (C. teneriffae) gehen auf eine früh-Pliozäne Besiedlung von Nordafrika aus zurück (einschließlich reliktärer Populationen in Libyen und auf La Palma), die Kanaren beherbergten aber auch Gründerpopulationen für eine sehr rezente Rückbesiedlung Nordafrikas von den östlichen, festlandnahen Inseln Lanzarote und Fuerteventura ausgehend.

Intraspezifische genetische Differenzierung weit verbreiteter Arten wird in mitochondrialen Phylogenien oder durch kleinräumiges Sampling bzw. geringe Stichprobengrößen oftmals nur simplifiziert dargestellt. Insbesondere Szenarien unter Einfluss historischen oder rezenten Genflusses inklusive Hybridisierung können nur durch die Einbeziehung populationsgenetischer Methoden umfassend untersucht und die Differenzierungsmuster im Freiland schlüssig interpretiert werden. In diesem Projekt untersuchten wir eine pan-europäische sekundäre Kontaktzone zweier genetischer Linien der Tannenmeise (Periparus ater) im Hinblick auf kontinentalen Genfluss und insuläre Differenzierung im Mittelmeerraum.

  • Kooperation: Università Degli Studi Di Palermo (Prof. Mario LoValvo, Gabriele Giacalone); Dr. Heiko Stuckas (SNSD), Doktorand: Christian Tritsch.
  • Förderung: Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst Sachsen, 2009-2010;
  • Key publications: Pentzold et al. (2013): Zool. Anz. 252