Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt/M.
Quartärpaläontologie
Weimar
Die Forschungsstation für Quartärpaläontologie Weimar ist Wissenschafts- und Sammlungsstandort der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (SGN) und Abteilung des Senckenberg Forschungsinstituts- und Naturmuseums Frankfurt/M. Im wissenschaftlichen Fokus stehen die Entwicklungsgeschichte von Tier- und Pflanzengemeinschaften sowie die Rekonstruktion von Paläoökosystemen und Umweltverhältnissen, die während der globalen Klimaschwankungen des quartären Eiszeitalters (Zeitspanne der vergangenen 2,6 Millionen Jahre) existierten.
Die zyklischen Umschwünge im Klimasystem bewirkten tiefgreifende Änderungen der Erdoberfläche und Lebensbedingungen, die sich in evolutiven Schritten, Adaptations- und Migrationsprozessen, lokalen und regionalen Aussterbeereignissen sowie Änderungen von Faunen- und Florengemeinschaften manifestierten. Gleichzeitig erfolgten wesentliche Entwicklungsschritte und Radiation des Menschen einschließlich der Entstehung und Entwicklung menschlicher Kulturen. Der Blick in die Erdgeschichte vor der anthropogenen Einflussnahme bildet die Basis für das Verständnis von Ursachen und Auswirkungen natürlich bedingter Prozesse in der Geo- und Biosphäre insbesondere in Bezug auf das Klimasystem. Vor allem auf der Grundlage paläoökologischer Daten kann letztendlich eine Abschätzung des anthropogenen Anteils am gegenwärtigen Klima- und Biodiversitätswandel sowie eine Validierung von Modellierungsszenarien erfolgen.
Die Forschungen werden im Rahmen der Sektionen Quartäre Großsäugetiere, Quartäre Kleinsäugetiere, Quartäre Makrofloren und Quartäre Mikrofloren im Verbund mit internationalen Arbeitsgruppen durchgeführt. Umfangreiches Fossil- und Datenmaterial zu neuen Forschungsansätzen liefern Bohrkampagnen und Expeditionen. Die Untersuchungen zur quartären Flora und Fauna lassen deutliche Zusammenhänge zwischen Klimavariabilität und regionaler bzw. überregionaler Biodiversität erkennen.
Innerhalb des Senckenberg Forschungsprogrammes ordnen sich die wissenschaftlichen Arbeiten der Forschungsstation für Quartärpaläontologie Weimar schwerpunktmäßig in die Forschungsbereiche Biodiversität und Klima sowie Biodiversität und Erdsystemdynamik ein. Im Fokus der einzelnen Projekte stehen die Wechselwirkungen zwischen Klima, Erdoberflächenprozessen und Ökosystemen auf unterschiedlichen geologischen Zeitskalen. Die interdisziplinär ausgerichteten Projekte stehen überdies im engen Verbund mit universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen im In- und Ausland.
Geschichte
Durch den 1696-1704 geführten wissenschaftlichen Disput zwischen W. E. Tentzel (1659-1707) und dem Gothaer Collegium medicum rückte Thüringen vor über 300 Jahren in den Blickpunkt der zeitgenössischen Gelehrtenwelt. Große Knochenfunde aus den pleistozänen Travertinen von Burgtonna waren seinerzeit von Tentzel richtig als Reste fossiler Elefanten erkannt worden. Diese Ansicht verteidigte er vehement gegen die damals übliche Interpretation von Fossilien als „Spiele der Natur“.
Während des 19. Jahrhunderts entstanden in Weimar erste bedeutende Sammlungen von Quartärfossilien, vor allem zu den in unmittelbarer Stadtnähe gelegenen Fundstellen von Süßenborn, der Belvederer Allee, Taubach und Ehringsdorf. Die Bearbeitung dieser Funde erfolgte durch namhafte Paläontologen dieser Zeit, wie von Fritsch, Pohlig, Weiss, Wiegers, Wüst, Soergel u. a.