#Senckenbergliebling Vol. 1


#6 vom 10. August 2020

Seit ihrer Kindheit beeindruckt die Japanische Riesenkrabbe Macrocheira kaempferi mit ihren langen Gliedmaßen unser Mitglied Monika Wieschalla – Die größte lebende Krebsart ist ihr #Senckenbergliebling:

„Schon als 10jährige stand ich beeindruckt vor ihr und stellte mir vor, wie sie sich wohl bewegen würde, wenn sie könnte. Und ein bisschen unheimlich war sie mir auch, weil sie mich an die Gespensterkrabbe erinnerte, die ich vom Urmel und der Augsburger Puppenkiste kannte. Ich war schon damals oft im Senckenberg Museum, und immer führte mein letzter Abstecher zu dieser Riesenkrabbe.

Als 2009 die äußerst gelungene Ausstellung über die Tiefsee gezeigt wurde, freute ich mich sehr, „meine“ Krabbe in ihrer natürlich dargestellten Umgebung und in einer anderen Position zu entdecken. Zu meinem großen Bedauern wurde sie danach nicht mehr an ihren vorherigen Platz gebracht. Und weil sie eben so groß und die Räumlichkeiten der dauerhaften Tiefseeausstellung nur begrenzt sind, war es fraglich, ob sie wieder ausgestellt wird.

Liebe Frau Wieschalla, vielen Dank für Ihre Geschichte! Wir haben sie an unsere Expert*innen aus der Crustaceen-Abteilung weitergeleitet, die uns noch mehr Informationen geben konnten:

„Die Japanische Riesenkrabbe verdankt ihren Namen vor allem ihrer unglaublichen Größe: Von einem Beinende zum anderen können männliche Exemplare knapp vier Meter erreichen und dabei bis zu 14 Kilogramm auf die Waage bringen. Deshalb gelten sie als größte lebende Krebsart und zählen zu den größten lebenden Gliederfüßern überhaupt.

Ihr ausschließlicher Lebensraum ist der Pazifik, vornehmlich rund um Japan. Es handelt sich um Allesfresser, die ihre Nahrung – gemächlich schreitend – am Meeresboden in etwa 200 bis maximal 400 Metern Tiefe suchen. Nur während der Laichzeit wandern sie in seichtere Gewässer.

Leider ist nicht mehr bekannt, wer der freundliche Spender des Exponats war – entsprechende Nachweise sind vermutlich im Krieg verloren gegangen. Belegt ist aber, dass dieses Exemplar dem Haus im Jahr 1902 geschenkt wurde. Es ist davon auszugehen, dass seitdem unendlich viele Besucher gleichermaßen bewundernd und staunend vor der Japanischen Riesenkrabbe gestanden haben.“

…Übrigens: Die Japanische Riesenkrabbe ist derzeit tatsächlich wieder in der Ausstellung zu sehen, und zwar im ersten Obergeschoss bei den Riesen und den Zwergen – dort wo auch der Riesenhirsch, der Elch und das lange Python-Skelett zu sehen sind. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

Alle #Senckenberglieblinge

#1 vom 7. Juli 2020

Ist von einem Dodo die Rede, denken manche vielleicht zuerst an das tragische Schicksal des Taubenvogels, der knapp einhundert Jahre nach seiner Entdeckung schon wieder ausgestorben war. Oder es kommt einem das seltsame Caucus-Rennen ohne Regeln aus Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“ in den Sinn, bei dem der Dodo als Schiedsrichter fungiert. Für Eckard Dietrich ist er keine schwache oder komische Kreatur, er ist sein #Senckenbergliebling!

 

„Mein Liebling im Senckenberg-Naturmuseum ist der Dodo (Raphus cucullatus), dieser bezaubernde, flugunfähige Vogel, der bereits um 1690 ausgestorben ist. Der Mensch hat ihn in seinem Lebensraum ausgerottet, indirekt durch eingeschleppte Ratten und ausgewilderte Haustiere, die die Gelege der bodenbrütenden Vögel zerstörten.

Zunächst habe ich den Dodo im Senckenberg-Wissenschaftsmagazin 149, 07-09 2019, wiedergefunden, durch den exzellenten Beitrag von Hildegard Enting. Dieser Bericht gibt die kompetenten und leidenschaftlichen Arbeiten zur Lebendrekonstruktion eines Dodos wieder. Chapeau!

Der Dodo lebte vor allem auf Mauritius im Indischen Ozean. Aber es gab ihn auch auf der kleineren Nachbarinsel Ile de la Réunion. Dort hatte ich ihn, auf etwas kuriose Weise, wiedergefunden: Die große Brauerei auf Réunion nennt ihr Bier Dodo. Der Dodo ist auf dem Etikett der Flaschen abgebildet. Die Kneipen, die das Bier ausschenken, werben mit dem Schild: „La Dodo lé la“. Wenn man ein Bier bestellt, sagt man: Bitte ein Dodo.

Aber durch Zufall ist mir vor einigen Jahren Dodo auch im National History Museum in London begegnet als Dodo-Skelett und Rekonstruktion. Ich erinnere mich auch an eine Zeichnung vom Réunion-Dodo angeblich von Peter Holsteyn II, 1638, ausgestellt im Naturalis in Leiden, NL.

Jetzt bin ich glücklich, dass ich meinen Liebling Dodo als beeindruckende Lebendrekonstruktion im Vogelsaal unseres Senckenberg-Naturmuseums wieder erleben und bewundern kann.“

 

Ganz herzlichen Dank, Herr Dietrich, für Ihre Geschichte!

Wir haben Hildegard Enting gefragt, was der Dodo für sie bedeutet. Die zoologische Präparatorin hat sich intensiv mit Berichten und Forschungsartikeln rund um das Tier auseinandergesetzt und ist so auf das ein oder andere persönliche Schicksal gestoßen: In den Logbüchern der Gelderland, ein Schiff aus der Holländischen Flotte von 1601 bis 1603, finden sich neben Darstellungen des Dodos auch Zeichnungen von anderen Tieren, Landschaften, Keramiken und sogar die eines winkenden, nackten Seemanns. Wie sie Jahre später herausfand, handelte es sich um einen französischen Schiffsbrüchigen namens Francois, der bereits vor Monaten auf Mauritius gestrandet war. Die Gelderland nahm ihn mit nach Ostindien, wo er aber wohl an einer tropischen Krankheit starb.

Enting ist fasziniert, wie aus der neutralen Darstellung eines Seemanns plötzlich ein Mensch aus Fleisch und Blut wird; und das nur dank des Dodos: „Der Dodo hat für mich eine Sogwirkung in die vielen Geschichten, die sich um diesen speziellen Vogel ranken. Das macht für mich den Dodo aus.“

Übrigens: Bis Anfang 2019 gab es im Senckenberg Naturmuseum Frankfurt nur ein Skelett von einem Dodo. Die beiden Pat*innen dieses Skeletts sind große Dodo-Fans und boten 2015 an, die Erstellung eines Modells zu finanzieren – und das steht seit Februar 2019 im Museum im 1. Obergeschoss am Zugang zum Vogelsaal.

Noch mehr Informationen zum „Senckenberg-Dodo“ finden Sie in unserem Magazin „Natur.Forschung.Museum“, Heft 7-9 2019.

#2 vom 14. Juli 2020

Eberhard Schaubs #Senckenbergliebling ist der Riesenhirsch. Mit dem Tier verbindet der Frankfurter eine ganz persönliche Geschichte:

„An meinen ersten Besuch im Senckenberg Museum kann ich mich nur noch insofern erinnern, dass mich als kleiner Bub manches interessiert hat, was es dort zu sehen gab, vor allen Dingen natürlich die Anakonda mit dem halb verschlungenen Wasserschwein! Aber darum geht es jetzt nicht.

Es muss im Jahr 1947 oder 1948 gewesen sein, unser Einfamilienhaus im Fuchshohl war 1944 durch eine Luftmine zerstört worden. Mein Vater nutzte sofort nach Kriegsende alle Möglichkeiten, um mit dem Wiederaufbau „in Familien-Selbsthilfe“ zu beginnen. Er hatte die Baugenehmigung Nr. 1 in Frankfurt nach dem Kriege! Meine beiden Schwestern und ich hatten dabei mitzuwirken, insbesondere einen alten Maurer zu unterstützen, der unser einziger Helfer war.

Eines Tages wurde an unserer Baustelle von einem LKW Sand abgeladen und ich hatte die Aufgabe, aus Sand und Karbidschlamm (ein anderes Bindemittel gab es damals nicht) Maurerspeis zu mischen und zu unserem Helfer hinzutragen. Beim Sandschaufeln entdeckte ich etwas, das wie ein Knochen mit Gelenksansatz aussah. Ein Knochen im Sand, das musste doch etwas Älteres sein. So beschloss ich, nach Abschluss meiner Arbeit mit dem Fahrrad und meinem Fundstück zum Senckenberg Museum zu radeln und es dort vorzustellen.

Der Pförtner vermittelte mich an einen fachkundigen Herrn, der sich den Knochen ansah und als Fußknochen eines Riesenhirsches identifizierte, der schon vor langer, langer Zeit ausgestorben sei. Seine Frage nach der Sandgrube, aus der mein Fund stamme, konnte ich nicht beantworten. Ich übergab ihm den Knochen (er müsste noch heute in der Sammlung sein) und nutzte die Gelegenheit, ohne Eintrittsgeld bezahlt zu haben, mich im Museum ausgiebig umzusehen.

Bis heute bin ich (85) ein ziemlich regelmäßiger Besucher des Museums geblieben, insbesondere, wenn es etwas Neues zu sehen gab und gibt. Übrigens: Alte Knochen brauche ich jetzt nicht mehr, um das Museum besuchen zu können, eine Jahreskarte tut es seit vielen Jahren auch!“

 

Herzlichen Dank, Herr Schaub, dass Sie das mit uns geteilt haben!

Natürlich haben wir gleich bei der Abteilung Paläontologie und Historische Geologie nachgefragt, doch Gunnar Riedel (Technischer Assistent Palynologie und Mikrovertebrata des Paläozoikums) teilte uns mit, dass der Fußknochen leider nicht mehr in der Sammlung zu finden ist.

Der aktuell im Senckenberg Museum ausgestellte Riesenhirsch kommt vom Irischen National Museum in Dublin und wurde 1909 das erste Mal im 1. Lichthof aufgestellt; heute ist er im 1. Obergeschoss bei den „Riesen und Zwergen“ zu finden.

Dr. Thomas Lehmann (Sektionsleiter Paläomammalogie) konnte uns sowohl mit Fakten als auch mit ein paar Mythen zum Megaloceros gigantus versorgen. Wie es der Zufall wollte, kam der Riesenhirsch nämlich in einem der ersten Bücher über Evolutionstheorie vor, die Lehmann gelesen hat [1]:

„In seinem typischen Schreibstil, der Detektivarbeit, Kunst, Sport und Wissenschaft verbindet, stellt der Autor vorherrschende Theorien in Frage. Nein, diese Tiere sind weder ausgestorben, weil die Männchen mit ihren großen Geweihen auf der Flucht zwischen den Bäumen immer hängen blieben, noch weil ihre Geweihe so schwer wurden, dass sie im Schlamm stecken blieben oder gar in Seen ertranken.

Zum einen waren die Geweihe des Riesenhirsches nicht überdimensioniert, sondern wuchsen, wie bei modernen Hirschen, etwas schneller als der Körper (positive Wachstumsallometrie) und dienten dazu, ritualisierte Kämpfe unter Männchen auszutragen. Zum anderen lebten die Riesenhirsche in Tundras oder offenen Steppengebieten, wo sie sich von Gras ernährten.

Wie viele Arten der eiszeitlichen Megafauna, starben die Riesenhirsche nach der letzten Kaltzeit (vor ca. 10.600 Jahren; „quartäre Aussterbewelle“) langsam aus (die jüngsten Fossile sind ca. 5.000 Jahre alt). Die Hauptursachen dafür waren sicher eine Kombination von menschlichen Einflüssen (Jagd) und Klima- bzw. Vegetationsveränderungen.“

[1] Gould, Stephen Jay (1984): Darwin nach Darwin. Naturgeschichtliche Reflexionen. Frankfurt am Main 1984 (Ullstein-Materialien Band 35207).

#3 vom 21. Juli 2020

In unserer nächsten #Senckenbergliebling-Geschichte hat uns Romy Marx mit einer Recherche beauftragt. Es geht um nichts Geringeres als das Chirotherium-Rätsel:

„Hundert Jahre vor der Disney-Dinosaurierwelle zogen mein unglücklicher Vater und seine Schwester sonntags hinter ihrem Geologie und Botanik begeisterten Vater durch den Pfälzer Wald. Ausgestattet mit robustem Schuhwerk und Botanisiertrommel wurde alles Interessante eingesammelt und unter der Woche akribisch analysiert und dokumentiert. Zu den großen Leidenschaften des paläontologisch interessierten Opas gehörten die Chirotherien. Jene geheimnisvollen Saurier oder Handtiere, von denen lange nur Spuren im Bundsandstein zu finden waren. Die dackel- bis dachsgroßen Warmblütler lebten in ariden Gebieten unter ziemlich ungünstigen Lebensbedingungen in einer Umwelt wie man sie heute in Zentralaustralien findet. (…)

Die umfangreiche Chirotherienfährtensammlung meines Großvaters aus der Umgebung von Pirmasens wurde leider kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs bei der Bombardierung von Pirmasens zerstört. Im Pfalzmuseum für Naturkunde in Bad Dürkheim findet sich noch ein Fährtenabdruck.

Meine Frage daher: Findet sich auch bei Senckenberg etwas über Chirotherien und wo kann man es finden?“

 

Vielen Dank, Frau Marx, für Ihre Geschichte!

Unsere erste Spur führte nach Tübingen, ins Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment, wo wir im Plateosaurier-Saal eine Fährtenplatte des Handtieres entdecken konnten. Dr. Ingmar Werneburg (Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Kurator der Paläontologie) war so freundlich, uns Bilder und Informationen zu schicken. So fanden wir heraus, dass das Spurenfossil, das man als Chirotherium kennt, von einem Prestosuchus erzeugt wurde, der als Vertreter der Raisuchier zu den Krokodilen gehört. [1]

Als nächstes kam uns wieder Gunnar Riedel aus der Abteilung für Paläontologie und Historische Geologie zu Hilfe, der großartige Neuigkeiten für uns hatte: Das Original der 1833 bei Heßberg gefundenen Fährte liegt bei Senckenberg in der Fossilen Spurensammlung! Mit großer Wahrscheinlichkeit befindet sich im Mineralien- und Fossilienraum des Senckenberg Naturmuseums Frankfurt (auf der linken Seite des Dinosauriersaales) ein Abguss des Chirotherium barthi.

Außerdem wartete Gunnar Riedel noch mit einem Artikel aus dem Mitgliedermagazin „Natur und Museum“ aus dem Jahr 1926 auf [2], in dem unser Objekt beschrieben wird. Hier heißt es, dass die Fährtenplatte dadurch entstand, dass das Tier über eine „feuchte, tonige Fläche“ lief, und die Fährten, nachdem der Boden getrocknet und gerissen war, von Sand aufgefüllt und mit der Zeit zu festem Sandstein wurden.

Der vermeintliche Daumen, der dem Fossil den Namen „Handtier“ einbrachte, sei übrigens eigentlich die „fünfte, außenständige Zehe“. Aufgrund der Schmalheit der Fußbahn könne man auf ein „hochbeiniges Tier mit schlankem Rumpf“ schließen, dessen Arme kürzer als die Beine gewesen sein müssen. Auch die Hautstruktur sei in „viereckige[n] oder kreisrunde[n] Körnerschuppen“ erhalten, was auf die Warzen heutiger Reptilien schließen lässt.

In einem Artikel aus der Zeitschrift „Museum Senckenbergianum“ [3] wurde vermutet, dass das Chirotherium sich aufgrund gerillter Zehen wie ein Gecko auf glatten, senkrechten Steinoberflächen fortbewegen konnte. Auf der Steinplatte sei weiterhin zu sehen, dass das Tier über mindestens ein Dutzend saftige Pflanzenstängel gelaufen sein muss, „deren vierkantige Stengel [sic!] durch das Gewicht der Füße zerdrückt wurden“. Eduard Rüppell glaubte sogar Blütenknospen und Luftwurzeln zu erkennen und wunderte sich, warum das noch kein Naturforscher vor ihm gesehen hat.

Hände, die doch keine sind; Pflanzen, die niemand erkannt hatte – Sie sehen, das Chirotherium ist ein spannender Fall. Wir danken Frau Marx für ihre Frage sowie Gunnar Riedel und Ingmar Werneburg für ihre große Hilfe!

 

[1] Text auf der zum Exponat zugehörigen Tafel (Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment, Tübingen)

[2] Baer, Franziska: Kann man aus den Fährten eines Tieres auf seine Gestalt schließen? In: Aus Natur und Museum (56) Heft 1. Frankfurt am Main 1926, S. 91-96.

[3] Rüppel, Eduard: Beschreibung des im Frankfurter Museum befindlichen Reliefs der Trittspuren aus dem Hessberger Steinbruch bei Hildburghausen. In: Museum Senckenbergianum. Abhandlungen aus dem Gebiete der beschreibenden Naturgeschichte (3). Frankfurt am Main 1845. S. 217-219.

#4 vom 28. Juli 2020

Die Mumie des Edmontosaurus annectens ist schon einige Zeit in unserem Haus: 1911 wurde sie von Arthur von Weinberg gekauft und der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft geschenkt. Ganze acht Jahre arbeiteten Präparator*innen an dem Exponat, bis dieses dann 1920 in die Ausstellung kam. Peter Crass hat das Fossil schon als Kind fasziniert, weswegen er es seinen #Senckenbergliebling nennt:

„Ich muss jünger als acht Jahre alt gewesen sein, als mich mein Vater zusammen mit meinem älteren Bruder und einer ganzen Schulklasse ins Senckenbergmuseum mitgenommen hat. Am Eingang begrüßte einen damals ein afrikanischer Elefant, und der Diplodocus war noch in halb-aufrechter Stellung montiert.

Bis dahin hatte ich gedacht, dass erst die Erde mit ihren Tälern, Bergen, Flüssen und Meeren entstanden ist, und dann darauf das Leben. Aber hier ist mir schlagartig klar geworden: Das hier, das sind keine Knochen, das sind Steine. Das kann man nur vor dem Objekt begreifen. Hier lag einmal ein großes, großes totes Tier und es ist begraben worden unter Sand und Schlamm. Eine lange Zeit ist vergangen und das tote Tier ist zu Stein geworden und das ist kein Märchen, sondern direkt hier vor meinen Augen zu sehen. Womit die Frage nach meinem Lieblingsfossil beantwortet ist: Der Schnabeldrache, das Trachodon, heute Edmontosaurus oder auch Edmond genannt. (Aber eigentlich finde ich alle Exponate gleich gut.)“

 

Herzlichen Dank, Herr Crass, für die Geschichte zu Ihrem #Senckenbergliebling! Das nahezu vollständige Skelett und die erhaltene Haut machen das Exponat besonders spannend für die Forschung. 1922 beschrieb Richard Kräusel, Paläobotaniker an der Universität Frankfurt, den ebenfalls erhaltenen Mageninhalt des Edmontosaurus – ein weiteres Highlight des ohnehin schon spannenden Funds. Jetzt, da Edmontosaurus mit der Sonderausstellung „Edmonds Urzeitreich – eine Dinograbung in Frankfurt“ erneut ins Scheinwerferlicht  gerückt wird, hat Senckenberg Forscher Dieter Uhl dieses Mysterium noch einmal genauer untersucht:

Erste Zweifel kamen dem Geowissenschaftler, als er widersprüchliche Angaben zur Fundsituation fand: Fritz Drevermann spekulierte, dass die Mumie rechts auf der Seite lag, der Mageninhalt auf diesen Knochen abgesunken sei und dort versteinerte. Andere Quellen belegten aber, dass das Fossil mit dem Bauch auf der Erde vorgefunden wurde. Schwer vorstellbar, dafür hätte sich der zehn Tonnen schwere Edmontosaurus nach seinem Ableben noch einmal umdrehen müssen. Auch die Datenlage zur Zusammensetzung des Mageninhalts sei spärlich: Uhl fand in den Senckenberg-Sammlungen lediglich eine handschriftliche Notiz, mikroskopische Pflanzenreste sowie Blattabdrücke und Sedimentproben aus dem Sandstein, der die ehemalige Leibeshöhle des Dinosauriers ausfüllte. Nach einem Abgleich mit sonstigen Forschungsergebnissen zur Ernährung von Hadrosauriern wurde schnell klar, dass es sich bei dem vorgefundenen Material höchstwahrscheinlich nicht um Speisereste handelte. Vielmehr muss der Zufall seine Hand im Spiel gehabt haben: Der mutmaßliche Mageninhalt sei viel wahrscheinlicher eine Ansammlung von Blattresten im Sandstein gewesen, die lange nach dem Tod des Tieres an der Stelle entstand.

Dieser Senckenbergliebling verdeutlicht, dass selbst Exponate, die uns seit über 100 Jahren begleiten, noch immer Fragen aufwerfen. Dankeschön an Dieter Uhl für die Detektivarbeit! Mehr darüber gibt es im Magazin „Natur.Forschung.Museum“, Band 150, Heft 4-6 2020.

Uhl, D. (2020): A reappraisal of the “stomach” contents of the Edmontosaurus annectens mummy at the Senckenberg Naturmuseum
in Frankfurt/Main (Germany). – Z. Dt. Ges. Geowiss. https://www.schweizerbart.de/papers/zdgg/volumes

#5 vom 4. August 2020

Die Grube Messel birgt viele Geheimnisse über eine Welt vor Millionen von Jahren. Einer der aufsehenerregendstenFunde war dabei das Skelett eines Urpferdchens, das die Größe eines Hundes hatte und an den Vorderbeinen je vier, an den Hinterbeinen drei Zehen besaß.

Im Senckenberg Naturmuseum wurde das seit langer Zeit ausgestorbene Tier durch eine Animation wieder zum Leben erweckt, die den dreijährigen Kolja Bimschas ganz besonders begeistert:

„Am allerallerliebsten im Senckenberg Museum (Frankfurt) mag ich den Film über das Urpferdchen. Weil man da alles sehen kann, was die Paläontologen machen und wie sich das Urpferdchen bewegt hat. Ich werde später nämlich auch Paläontologe. Ich grabe dann aber neue Dinosaurierfossilien aus. Die Paläontologen vom Senckenberg Museum werden bestimmt noch mehr Urpferdchen finden.“

 

Danke, Kolja, für deine Geschichte! Wir haben gleich einmal Dr.Stephan Schaal, den Abteilungsleiter für Messelforschung und Mammologie, zu dem Exponat befragt:

„Gut erhaltene Funde von fossilen Urpferdchen wurden schon zu Beginn der Grabungen Anfang der 70er Jahre in Messel gemacht. Sie wurden deshalb auch sehr bald wissenschaftlich bearbeitet und haben immer wieder für Aufregung gesorgt. Die Urpferchen waren die ersten Messel-Säuger bei denen der Inhalt der Eingeweide entdeckt und untersucht wurde. Dabei ist ein Messeler Urpferdchen ganz besonders aufgefallen: Der Inhalt seines Blinddarms besteht aus Blättern und Weintraubenkernen und lässt den Schluss zu, dass dieses Tier ein „Feinschmecker“ war!

Die Urpferdchen von Messel wurden in einem See abgelagert und es ist amüsant zu hören, wie manche Besucher die Urpferdchen „Seepferdchen“ nennen, zwei Tiergruppen, die nun wirklich nichts miteinander zu tun haben.

Die Urpferdchen waren generell klein, aber für Kolja wäre die große Messeler Urpferdchenart (vergleichbar mit einem Schäferhund) vielleicht sogar zum Reiten geeignet. Übrigens: Pferde sind die einzigen Tiere, die bei den olympischen Spielen zugelassen sind.“

Wirklich schade, dass wir das Urpferdchen nicht in natura sehen können. Umso mehr freuen wir uns, dass die Wissenschaftler*innen derartige Funde bis heute für uns lebendig halten!

Dodo (Raphus cucullatus)
Riesenhirsch (Megaloceros gigantus)
Chirotherium mit Spurenplatte 
Mumie des Edmontosaurus annectens
Urpferdchen