Der Alexander-von-Humboldt-Gedächtnispreis wurde 1992 vom Ehrenpräsidenten der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Herrn Dr. Hanns Christian Schroeder-Hohenwarth, gestiftet.
Mit dem Preis wird der beste wissenschaftliche Artikel in einem Senckenberg-Publikationsorgan geehrt. Der Preis wird einmal jährlich für eine Publikation aus dem Vorjahr verliehen und ist mit 6.000 EUR dotiert. Alle „Editors-in-Chief“ und verantwortliche*n Redakteur*innen Senckenbergs sind berechtigt, bis zum 1. April jedes Jahres preiswürdige Publikationen vorzuschlagen. Das Preiskomitee wird von den Wahlmitgliedern des Wissenschaftlichen Beirats von Senckenberg gebildet. Der*die Preisträger*in wird im Senckenberg-Wissenschaftsmagazin „Natur • Forschung • Museum“ bekannt gegeben. Die offizielle Preisverleihung des Alexander-von-Humboldt-Gedächtnispreises findet im Rahmen einer offiziellen Senckenberg-Veranstaltung statt.
Besonders freuen wir uns, dass die Töchter von Dr. Schroeder-Hohenwarth, Frau Sigrid Springorum und Frau Christine von Heinz, persönlich an der Preisverleihung mitwirkten.
2015
Der Preis
Für den besten wissenschaftlichen Artikel in einer Senckenberg-Publikation wurde der Alexander-von-Humboldt-Gedächtnispreis zum 22. Mal verliehen.
Die Preisträger sind Zarinah Waheed und Dr. Bert Hoeksema. Die beiden sind die Autoren des in der Zeitschrift „Marine Biodiversity“ publizierten Artikels „A tale of two winds: species richness patterns of reef corals around the Semporna peninsula“.
Die Autoren
Beide Autoren arbeiten am Naturalis Biodiversity Center in Leiden, einem Naturkundemuseum mit einer Sammlung von ungefähr 10 Millionen zoologischen und geologischen Sammelstücken. Bert Hoeksema leitet dort die Abteilung Meereszoologie und betreibt Feldforschung in den Korallenriffen des Indo-West Pazifik und der Karibik. Die Wissenschaftlerin Zarinah Waheed ist angeschlossen an das Borneo Marine Research Institute der Universität Malaysia Sabah und konzentriert sich in ihrer Doktorarbeit auf die Ökologie von Korallenriffen.
Der Artikel
Die Erhebung der Artenvielfalt von Korallen wird mit einer umweltbezogenen Betrachtung kombiniert, und in der ausführlichen Diskussion werden verschiedene Aspekte beleuchtet. Die Publikation greift die Erforschung der Diversität von Korallen um die Halbinsel Semporna (Malaysia) auf.
2014
Preisträger des Jahres 2014 sind Achim G. Reisdorf, Dr. Roman Bux, Dr. Daniel Wyler, Dr. Mark Benecke, Dr. Christian Klug, Dr. Michael W. Maisch, Dr. Peter Fornaro, Prof. Dr. Andreas Wetzel, Autoren der 2012 in der Zeitschrift Palaeobiodiversity and Palaeoenvironments erschienene Arbeit „Float, explode or sink: postmortem fate of lung-breathing marine vertebrates.“
Über das Postmortale Schicksal lungenatmender Vertebraten in marinen Ablagerungsräumen
Welches Schicksal nehmen verendete Wirbeltiere in einem marinen Ablagerungsraum? In der paläontologischen Literatur begegnen wir seit bald vier Jahrzehnten einem nach human- und veterinärmedizinischer Sachlage makabren anaktualistischen Szenario: der skelettzerlegenden „Kadaver-Explosion“. Eine Gruppe ausgestorbener Meeresreptilien der Posidonienschiefer-Formation – namentlich Fischsaurier – gelten als gute Beispiele für diese Hypothese. Im Rahmen einer interdisziplinären Studie wurden für Fischsaurierfossilien die typischen Zerfallsphänomene sowie das paläontologische und sedimentologische Inventar ihrer Fundhorizonte analysiert. Die Resultate wurden mit einer forensischen Messreihe sowie mit meeresbiologischen, rechts- und veterinärmedizinischen Beobachtungsbefunden abgeglichen.
Die gewonnenen Daten zeigen klar, dass Vertebratenleichen nicht als „natürliche Sprengladungen“ fungieren können. Normalerweise sinken sie sofort auf den Gewässergrund ab. Demzufolge sind auch andere gegenwärtig zur Anwendung kommende Hypothesen zur Biometrie, Physiologie, Todesursache und Fossilisation lungenatmender Wirbeltiere zu modifizieren.
Eine spezielle Anwendung dieses Methodenspektrums eröffnet zudem die Möglichkeit, Modelle über die Schwankungen des Meeresspiegels in der erdgeschichtlichen Vergangenheit zu prüfen. Fundierte Kenntnisse des postmortalen Schicksals heute existierender Wirbeltiere in Gewässern sind überdies für die Beurteilung meeresbiologischer, rechtsmedizinischer und umweltpolitischer Fragestellungen von Nutzen.
2013
Diversity of the artic deep-sea benthos
Prof. Dr. Bodil Bluhm, Prof. Dr. William G. Ambrose jr., Dr. Melanie Bergmann, Prof. Dr. Lisa M. Clough, Dr. Andrey V. Gebruk, Dr. Christiane Hasemann, Prof. Dr. Katrin Iken, Dr. Michael Klages, Prof. Dr. P.E. Renaud, Prof. Dr. Ian R. Macdonald, Dr. Ingo Schewe, Dr. Thomas Soltwedel, Dr. Maria Wlodarska-Kowalczuk
Am Grund der arktischen Tiefsee existieren Lebensgemeinschaften, die bisher kaum untersucht sind. Ein internationales Forscherteam hat im Rahmen des „Census of Marine Life“ -Programms allein 1125 wirbellose Bodenbewohner ausmachen können. Etwa die Hälfte der gefundenen Arten kam in den Proben vom Meeresboden sehr selten vor und ca. 400 waren vorher unbekannt. Mit der systematischen Bestandsaufnahme legte das Team für die arktische Tiefsee die Grundlagen an, auf denen zukünftige Biodiversitätsforschung in diesem Lebensraum aufbauen kann. Außerdem lässt sich nun beobachten, wie sich in diesen sensiblen Artengemeinschaften langfristig die Folgen des Klimawandels bemerkbar machen.
Für den 2011 in der Zeitschrift „Marine Biodiversity“ erschienenen Artikel „Diversity oft he arctic deep-sea benthos“, der heute mit dem Alexander von Humboldt-Gedächtnispreis gewürdigt wird, ist die Tiefseeexpertin Dr. Bodil Bluhm von der Universität Alaska Fairbanks federführend. Gemeinsam mit einem internationalen Team von Tiefseeforschern, darunter Experten des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven, erhält sie die mit einem Preisgeld von 6.000 Euro verbundene Auszeichnung.
„Der Artikel zeigt, wie artenreich und vielfältig das Leben am Meeresboden der arktischen Tiefsee wirklich ist. Dieses Wissen ist eine wichtige Grundlage für zukünftige Arbeiten darüber, wie sich der Klimawandel auf unsere Artenvielfalt auswirkt“, erklärt Prof. Dr. Volker Mosbrugger, Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung.
2012
Mit dem Kopf von Trachypachus dem Ursprung der Adephaga auf der Spur
Carina Dressler, Senckenberg Naturhistorische Sammlungen Dresden, Museum für Tierkunde
Prof. Dr. Rolf G. Beutel, Institut für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie mit Phyletischem Museum der FSU Jena
Die Käfer sind mit circa 360.000 Arten die mit Abstand größte Insektenordnung und die Adephaga mit über 30.000 Arten ihre zweitgrößte Teilgruppe. Die Larven und die adulten Käfer leben fast durchweg räuberisch. Zu dieser Gruppe gehören aquatische, semiaquatische und terrestrische Familien.
Eine Schlüsselfamilie sind die nur wenige Arten umfassenden Trachypachidae, deren Stellung im Stammbaum der adephagen Käfer seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert wird. Ihre immer noch ungenügend bekannte Morphologie und die sensationelle Entdeckung zweier neuer semiaquatischer Familien haben uns veranlasst, die Kopfstrukturen der adephagen Käfer genauer zu untersuchen: 138 Merkmale zu Habitus, inneren Skelettelementen und Muskulatur wurden definiert und für Vertreter aller Familien der Adephaga in Zahlen kodiert.
Eine computergestützte Analyse dieser Merkmalsmatrix hat ergeben, dass die Reliktfamilie Trachypachidae in ihren Merkmalen dem Grundplan der Adephaga sehr nahe kommt, d. h. dem letzten gemeinsamen Vorfahren aller adephagen Käfer sehr ähnlich ist. Die Trachypachidae sind aber eindeutig mit den sehr erfolgreichen terrestrischen Laufkäfern (Carabidae) am nächsten verwandt. Die beiden neu entdeckten semiaquatischen Familien Aspidytidae und Meruidae gehören dagegen zu einer gut begründeten monophyletischen Gruppe (echte Abstammungsgemeinschaft), die außer ihnen vier der insgesamt sechs aquatischen Familien der Adephaga umfasst – den Dytiscoidea.