Arbeit in der DNA-Bank

Alles rund um die DNA


Vor 67 Jahren wurde die Doppelhelix der DNA zum ersten Mal von Forschern beschrieben und bildet seitdem die Grundlage für genetische Forschung weltweit.

Im Interview mit der Senckenberg Online-Redaktion erläutert Senckenberg-Wissenschaftler Steffen Pauls, welche Arbeit Senckenberg in diesem wichtigen Forschungsbereich betreibt, und wo die Potenziale der Genforschung liegen.

Was versteht man unter genetischer Vielfalt und warum ist diese für die Biodiversität wichtig?

Genetische Vielfalt ist die Variabilität und Varianz in den Genen aller Organismen. Diese Vielfalt versteht man als Unterschiede zwischen einzelnen Individuen, Arten und Genen. Sie ist wichtig, weil sie die Grundlage der Vielfalt und funktionaler Diversität aller Lebensformen auf dieser Erde bildet.

Senckenberg hat mehrere DNA-Labore – was wird hier erforscht?

Senckenberg verzeichnet eine Reihe von Laboren, die sich mit genetischen Analysen befassen. Gene und ganze Genome werden untersucht, um beispielsweise die Evolution von Organismen auf genetischer Ebene genauer zu untersuchen. Außerdem werden naturschutzrelevante Forschungsthemen wie die genetische Vielfalt von gefährdeten Populationen oder Arten erforscht. Daraus kann abgeleitet werden, ob bestimmte Arten besonders gefährdet sind. Methoden sind in diesem Zusammenhang oft Vergleiche ganzer Genome oder einzelner Gene. Das Senckenberg-Labor in Gelnhausen hat beispielsweise eine Identifikationsmethodik für Wölfe entwickelt. Einzelne Speichproben können so den jeweiligen Tieren zugeordnet, und Aussagen über die Verbreitung von Wölfen in Deutschland getroffen werden.

Wie kann die genetische Forschung zum Artenschutz bzw. einem nachhaltigen Umgang mit biologischen Ressourcen beitragen?

Die genetische Forschung ist im Kontext der nachhaltigen Nutzung von Bioressourcen wichtig. Stoffe, die in der Natur von Pflanzen produziert werden, können durch biotechnologische Prozesse auch in Bakterien hergestellt werden. Das bedeutet theoretisch, dass keine pflanzlichen Inhaltsstoffe mehr verbraucht werden müssen, sondern eine biotechnologische Reproduktion in beispielsweise einem Fermenter möglich ist. Dies führt zu einer Nachhaltigkeit in der Nutzung von Bioressourcen und kann zum Beispiel in der Pharmaindustrie genutzt werden. Diese Methoden gehen auf die Information von Genen und Genomen zurück.

Was ist der Zusammenhang zwischen genetischer Vielfalt und der Anpassung an sich verändernde Umweltbedingungen?

Die Zusammensetzung von genetischen Varianten, die in einer Gruppe von Individuen oder einer Population zu finden sind stehen im direkten Zusammenhang mit den vorherrschenden Umweltbedingungen. Bei einer Veränderung der Umweltbedingungen sind bestimmte Varianten von Vorteil für das Individuum. Eine Umweltveränderung kann also dazu führen, dass sich die Verteilung dieser Varianten in einer Population oder in einer Art verändert. Eine genetisch verarmte Population ohne Varianten ist in den vorhandenen Varianten optimal an ihre Umwelt angepasst. Eine Veränderung der Umweltbedingungen bedeutet für diese Population eine fehlende Anpassungsfähigkeit. Dies ist ein Grund für die Arbeit mit genetischer Vielfalt im Artenschutz. Es wird versucht zu erkennen, in wieweit sich gefährdete Arten noch anpassen können. Die genetische Vielfalt innerhalb einer Art kann durch fehlenden Austausch zwischen den Arten oder der Verkleinerung der Population reduziert werden.

Was versteht man unter translationaler Biodiversitätsgenomik?

Translationale Biodiversitätsgenomik bedeutet die Vielfalt genomischer Varianten verschiedenster Organismen und Organismengruppen zu verstehen. Zudem sollen Grundlagenergebnisse in Richtung von Anwendungsorientierung entwickelt werden. Dies bedeutet zu begreifen, wie eine genomische oder genetische Grundlageninformation dabei helfen kann ein Alltagsproblem zu lösen und eine anwendungsorientierte Forschung zu betreiben. Ein Beispiel für diesen Vorgang ist die Erforschung der Seidenproduktion von Köcherfliegenlarven, eine Insektengruppe deren Jungtiere Unterwasser leben. Diese sind ähnlich wie Schmetterlinge in der Lage Seide zu spinnen, jedoch Unterwasser. Eine besondere Eigenschaft dieser Seide ist ihre Reißfestigkeit. Über die Untersuchung zur genetischen Vielfalt der Köcherfliegen im Bereich der Gene, kann ein Verständnis für die Eigenschaften und Produktion dieser Seide erschlossen werden. Das führt zur Möglichkeit, die Seide zu reproduzieren und beispielsweise im Bereich der Mikrochirurgie anwenden zu können.

Was sind die Ziele des Loewe-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik (Loewe TBG) und gibt es bereits erste Forschungserfolge oder -ergebnisse?

Die Ziele Loewe-Zentrum TBG ist genetische Ressourcen aus einer Bandbreite von Organismen besser zu verstehen und für eine anwendungsorientierte Forschung kenntlich und nutzbar zu machen.

Erste Ergebnisse gibt es bereits im Bereich der Naturschutzgenomik. Dort ist es gelungen, Flechten-Naturstoffe zu isolieren, auf biologische Aktivität zu testen und in einem Partnerinstitut auf entzündungshemmende oder potenzielle Wirkung gegen Krebszellen zu analysieren.

In einem grundlagenorientierten Projekt wird untersucht, wie Genfluss zwischen verschiedenen Arten stattfinden kann. Grundsätzlich wird angenommen, dass jede Art sich in sich alleine vermehrt und wenig Genfluss stattfindet. Durch die Untersuchung ganzer Genome zum Beispiel von Bären oder Walen wurde jedoch festgestellt, dass viel Genfluss zwischen den Arten herrscht.

Was ist eine „Genom-Bibliothek“?

In einer Ansammlung von Zellen (einem Gewebe oder einem Organismus) weist jede Zelle die gesamte genomische DNA auf, in der die Erbinformation kodiert ist. Bei einer Trennung der genomischen DNA von der restlichen Zelle liegt ein Gemisch aus genomischer DNA aus verschiedenen Zellen eines Organismus (eines Individuums oder Gewebes) vor. Eine Genom-Bibliothek bedient sich dieser gesamten genomischen DNA, schneidet diese in kleine Stücke und setzt die einzelnen Stücke in einen Mikroorganismus – beispielsweise ein Bakterium – ein. Mittels Kultivierung dieses Bakterium kann so ein spezifisches Fragment vermehrt werden. Genom-Bibliotheken werden also dazu genutzt, um Genome in einem anderen Organismus zu speichern oder spezifische Bereiche eines Genoms mittels Bakterienkulturen oder anderen organischen Kulturen zu vermehren.

Welche Rolle spielen Senckenbergs Sammlungen für die Erforschung der Biodiversitätsgenomik?

Biodiversitätsgenomik befasst sich oft mit der Veränderung genetischer Vielfalt. Nicht nur in diesem Kontext sind naturwissenschaftliche Sammlungen wie die Senckenbergs extrem wertvoll. Dadurch ist es bspw. möglich Vergleiche innerhalb einer Art oder einer Population anzustellen, ohne ein Tier oder eine Pflanze aus seinem natürlichen Habitat zu entnehmen. Auch lassen sich durch Sammlungsobjekte Rückschlüsse auf Umweltveränderungen ziehen.