Unbekanntes Deutschland
Konsortium und Forschungsinitiative zur Ermittlung und Bekanntmachung der Biodiversität Deutschlands.
Erhebliche Teile dieser Diversität sind nach wie vor unbekannt: Kennen wir bei großen Tieren und Pflanzen die Arten noch sehr gut, tun sich bei den weniger auffälligen Wirbellosen, mikroskopischen Pflanzen, Pilzen und Mikroorganismen große Lücken auf. Sie sind aber für die Funktion unserer Ökosysteme immens wichtig. Unter dem Schirm „Unbekanntes Deutschland“ führt ein Konsortium von bereits über 50 Forschenden eine Vielzahl von Forschungsprojekten zur Erfassung dieser versteckten Vielfalt durch. Zurzeit beinhaltet dieses Konsortium neun Forschungsinstitutionen und 15 Institute und eine Reihe assoziierter Projekte läuft bereits. Darüber hinaus wird eine Vielzahl von Forschungsprojekten in den kommenden Monaten und Jahren bei unterschiedlichen Geldgebern beantragt. Die Initiative ist auf mindestens 10 Jahre angelegt und es werden laufend neue Akteur*innen, Institutionen und Projekte hinzukommen.
Edaphobase – eine online-Datenbank für die biologische Vielfalt im Boden
Edaphobase ist eine nicht-kommerzielle Dateninfrastruktur, die vom Senckenbergmuseum für Naturkunde Görlitz entwickelt und gehostet wird und Daten aus heterogenen Quellen zu Bodentieren, ihrer Verbreitung und den Habitatparametern ihrer Vorkommensorte zusammenführt und der Öffentlichkeit im Open Access zur Verfügung stellt. Edaphobase lebt von der Unterstützung zahlreicher Bodenzoolog*innen, die ihre Daten in der Datenbank hochladen und damit für weiter umfassende Analysen und Erkenntnisse verfügbar machen. Die Datenbank fokussiert sich derzeit auf europaweite Daten zur Boden-Biodiversität, enthält aber auch Daten aus der ganzen Welt.
Edaphobase enthält derzeit Daten zu Nematoda, Collembola, Oribatida, Gamasina, Chilopoda, Diplopoda, Isopoda, Enchytraeidae und Lumbricidae. Das Datenmodell erlaubt das einfache Hinzufügen zusätzlicher taxonomischer Gruppen, sofern die aktuelle (nomenklatorisch vollständige) Taxonomie und Systematik der Gruppe zur Verfügung steht. Edaphobase kombiniert Daten über die Taxonomie, Zoogeographie und Ökologie dieser Organismen in umfassender Weise
Die Daten in Edaphobase stammen aus der wissenschaftlichen Literatur, unveröffentlichten Ergebnissen von Feldstudien (Dissertationen, Berichte), Sammlungen von Museen und Forschungseinrichtungen sowie Rohdaten aus Forschungsstudien und fundierten Beobachtungen. Die Datentypen umfassen moderne taxonomische Nomenklaturen und Synonyme, geographische Referenzen, Quantitäten der gesammelten Organismen, Bodenparameter, Vegetation, meteorologische Daten, Probenahme- und Extraktionsmethoden, Identifikationsmethoden, Präparationstechniken und Verhaltensdaten. Insgesamt können Daten in (derzeit) ca. 620 verfügbare Datenfelder der oben genannten Kategorien eingegeben werden.
Edaphobase ist auf die gemeinsame Wiederverwendung von Daten und die Bereitstellung von Daten und Online-Analysewerkzeug ausgerichtet. Edaphobase folgt den FAIR-Prinzipien und kann DOIs für eingereichte Datensätze anbieten. Metadaten werden vom Datengeber definiert (einschließlich obligatorischer und empfohlener Felder; in Übereinstimmung mit z.B. DataCite- und INSPIRE-Standards), ebenso alle Datenfelder in der Datenbank (einschließlich ihrer Formate, Einheiten etc.).
Edaphobase ist über ein webbasiertes Portal öffentlich zugänglich (Open Access). Alle Daten (sofern sie nicht anonymisiert sind oder sich in einer Embargo-Periode befinden) können über mehrere Filter abgefragt und zusammengestellt und von registrierten Benutzern heruntergeladen werden. Einfache Abfragen sind ebenso möglich wie anspruchsvollere Analysen verschiedener Datengruppen. Spezifische Anwendungen sind z.B. die Kartierung der Verbreitung von Taxa, die Ermittlung artspezifischer Habitatpräferenzen (ökologischer Nischenraum) oder Umweltkorrelationen mit Populationsdichten.
Edaphobase ist ein Datenlieferant für die Global Biodiversity Information Facility (GBIF).
Projekt BonaRes ‑ Boden als nachhaltige Ressource für die Bioökonomie
Mit dem BonaRes – Zentrum für Bodenforschung entstand innerhalb der BMBF-geförderten Forschungsinitiative bonares.de ein neues Wissenszentrum für Bodenfunktionen und Services in Deutschland. Das Zentrum ist ein kooperatives Vorhaben des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung – UFZ, des Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), des Senckenberg Museums für Naturkunde Görlitz (SMNG), der TU München, der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und der Justus-Liebig-Universität Gießen.
Ziel ist es, die Wirkung der Landnutzung auf Bodenfunktionen zu erforschen und Strategien für eine nachhaltige Nutzung und Bewirtschaftung von Böden zu erarbeiten. Dazu wird ein Boden-Informationssystem etabliert, das die Expertise von Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Bereichen (u.a. Bodenkunde, Mikrobiologie, Bodenzoologie) bündelt. Das SMNG ist in diesem Vorhaben vor allem für bodenzoologische Aspekte und die Vernetzung mit Edaphobase zuständig.
Böden sind ein komplexes System, in dem viele Faktoren und Prozesse zusammen ein kompliziertes Wirkungsgefüge ergeben. Das Ergebnis der vielfältigen physikalischen, chemischen und biologischen Interaktionen sind Bodenfunktionen und ökosystemare Dienstleistungen wie z.B. Nährstoffrecycling, Wasserfilterung oder Entwicklung und Stabilisierung der Bodenstruktur. Letztendlich hängt von diesen Prozessen die landwirtschaftliche Primärproduktion ab. Um Erträge langfristig zu sichern oder zu steigern, ist ein umfassendes Verstehen des Bodensystems somit essentiell.
Hierzu arbeitet das SMNG an der Identifikation und Quantifizierung von bodenfaunistischen Treibern von Bodenfunktionen, der Entwicklung von Indikatoren zur Beurteilung dieser Funktionen, der Analyse des Einflusses landwirtschaftlicher Bewirtschaftungsmaßnahmen auf die Bodenfauna sowie der Bereitstellung von biologischen Parametern für Modellierungen innerhalb des BonaRes-Vorhabens.
Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Projektträger Jülich (PtJ), unter FKZ 031B0511D finanziert.
Soil BON Foodweb
Soil BON Foodweb ist eine freiwillige Initiative, die im Jahr 2021 ins Leben gerufen wurde, um die treibenden Kräfte und Funktionen der biologischen Vielfalt von Bodentieren und die Interaktionen in den Nahrungsnetzen des Bodens auf globaler Ebene zu bewerten. Derzeit umfasst die Initiative 33 Länder. Wir teilen unsere Probenahmestellen mit dem Soil Biodiversity Observation Network (Soil BON), tragen zu gemeinsamen Datenanalysen bei und haben ähnliche übergeordnete Ziele, konzentrieren uns aber auf Bodentiergemeinschaften der Mikro-, Meso- und Makrofauna. https://soilbonfoodweb.org
Projekt DiGraSo
Das Projekt „DiGraSo“ untersucht die Ursachen für den Rückgang der Grünlandvielfalt in Schutzgebieten der tschechisch-sächsischen Grenzregion und läuft vom 1. April 2024 bis 31. März 2027. Die Europäische Union fördert das Projekt insgesamt mit 1.079.743 Euro, SGN erhält davon 244.414,33 Euro. Beteiligt sind die Technische Universität Liberec als Lead Partner sowie die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, die Tschechische Agraruniversität Prag und die Technische Universität Dresden.
Wiesen und Weiden zählen zu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas, doch ihre Vielfalt nimmt trotz Naturschutzbemühungen ab. Die bisherigen Managementmethoden reichen offenbar nicht aus, um negative Einflüsse von Mensch und Klimawandel auf die Biodiversität zu verhindern. Welche Faktoren den Artenverlust im Grünland verursachen und wie man dem entgegenwirken kann, ist bisher unklar. Während Vegetation und Nährstoffverfügbarkeit untersucht wurden, gibt es nur wenig Wissen über den Einfluss der Bodenkomponenten auf die Pflanzendiversität.
Im DiGraSo-Projekt erfasst ein tschechisch-sächsisches Forschungsteam die über- und unterirdische Biodiversität in gemanagten Schutzgebieten mit artenreichem und artenarmem Grünland im deutsch-tschechischem Grenzgebiet. Ziel ist es, Schlüsselfaktoren zu identifizieren, die die Artenvielfalt auf diesen Flächen beeinflussen. Dazu werden 36 Flächen, jeweils 18 in Tschechien und Sachsen, untersucht. Auf jeder der 36 Flächen wird ein Bereich mit artenreicher Vegetation mit einem Bereich mit artenarmer Vegetation verglichen.
Es werden Pflanzen- und Bodenparameter erfasst, darunter die Pflanzenbedeckung, der Trockenmasseertrag, bodenphysikalische und bodenchemische Parameter sowie die Bodenfauna (Regenwürmer, Hornmilben und Fadenwürmer) und -flora. Ziel ist es, durch die Analyse der Wechselwirkungen zwischen diesen Parametern sowie der Wetter- und Klimabedingungen geeignete, standortspezifische Bewirtschaftungsmethoden zu empfehlen.
Rote Listen
Rote Listen sind ein wichtiges Instrument, um anhand von Bestandssituation und -entwicklung den Gefährdungsstatus von Arten zu dokumentieren. Sie helfen Gesetzgebern und Behörden, Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zu treffen. Gleichzeitig enthalten sie Gesamtartenlisten, die zur Inventur der Artenvielfalt in Deutschland beitragen. In unserer Abteilung wurden die ersten Roten Listen für Bodentiere in Deutschland (Diplopoda, Chilopoda, Lumbricidae) erarbeitet. Aktuell findet die Überarbeitung der vorhandenen Roten Listen statt und die Rote Loste der Hornmilben ist in Vorbereitung.
GlobalCollembola – Synthese des globalen Wissens über Springschwänze (2019-…)
#GlobalCollembola ist ein globales Netzwerk von Ökologen und Taxonomen der Tiergruppe Collembola, dem weltweit über 140 Forscher angehören. Zu unseren Zielen gehören Synthese vorhandener Daten und Kenntnisse, gemeinsame Experimente und Erfahrungsaustausch.
Global Oribatida
Global Oribatida ist ein Netzwerk von Wissenschaftlern, das sich um offene Daten und eine globale Synthese des Wissens über Oribatiden bemüht. Das erste Ziel von Global Oribatida besteht darin, die Abundanz und lokale Vielfalt von Oribatiden auf globaler Ebene zu bewerten. Wir sammeln daher sowohl veröffentlichte als auch unveröffentlichte Daten zu Populationsdichten und Artenzahlen von Oribatida (idealerweise eine Matrix von Gemeinschaftsdaten), um wichtige Fragen der Makroökologie von Oribatiden zu beantworten, wie z. B. (1) Wie sehen die Muster der Abundanz und des lokalen Artenreichtums von Oribatidmilben im globalen Maßstab aus? (2) Welches sind die wichtigsten Umweltfaktoren für ihre globale Verbreitung, indem wir sie mit global verfügbaren Umweltschichten verknüpfen? Wir werden auch die Biomasse der Gemeinschaft und den Stoffwechsel der Oribatidenmilben abschätzen, um ihre Rolle in Ökosystemen zu bewerten.
Der Koordinator dieses Projekts ist Jing-Zhong Lu (goribatida[at]gmail.com).