Bereits 2009 wurde anhand der von Johann Röckstrom veröffentlichten „planetary boundaries“ alarmierende Zahlen über den Zustand unserer globalen Ökosysteme – auch über die Ozeane – veröffentlicht. Wie steht es heute um die Weltmeere?
Nicht besser, da die Meere unter Verschmutzung, Eutrophierung und Ozeanversauerung leiden, durch klimabedingtes Abschmelzen der Eisschelfe sowie großer Meereisflächen die polaren Ökosysteme drastischem Wandel unterliegen, Prozesse, die zum Anstieg des Meeresspiegels führen und Menschen, die an der Küste leben, in den kommenden Dekaden ihren Lebensraum nehmen. Die Zunahme der Bevölkerung führt u.a. zu Verschmutzung und Vermüllung der Meere, die vom Mensch künstlich erzeugte Landnutzung, Küstenbebauung, Ozeanbelastung (z. B. durch Windparks, Ölplattformen, Entsalzungsanlagen u.v.m.), Zunahme der marinen Verkehrswege (mariner Lärm) u.s.w. stellt große Belastungen für die Flora und Fauna des Meeres dar.
Was sind die drängendsten Fragen, mit denen sich die Meeresforschung in den kommenden Jahren beschäftigen muss?
Der Meeresspiegelanstieg, die Ozeanerwärmung und Bedrohung der Korallen, die Meeresverschmutzung und Eutrophierung sowie die Ozeanversauerung.
Aus diesem Grunde hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen den Zeitraum 2021 bis 2030 zur UN-Dekade der Ozeanforschung für nachhaltige Entwicklung erklärt und die Zwischenstaatliche Ozeanographische Kommission (IOC) von UNESCO mit deren Umsetzung beauftragt. Deutschland hat angeboten, die Auftaktkonferenz für die Dekade Anfang 2021 in Berlin auszurichten. Mit Blick auf dieses Angebot möchte das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Austausch mit Konsortium Deutsche Meeresforschung (KDM) sicherstellen, dass deutsche meereswissenschaftliche Expertise möglichst exzellent und aktiv in die Ausgestaltung der Auftaktveranstaltung integriert ist.
IOC-UNESCO hat insgesamt sechs gesellschaftliche Bedarfe und acht wissenschaftliche Prioritäten für die Dekade vorgelegt. Ich bin für diese Auftaktveranstaltung für den Bereich „Saubere Ozeane“ eingesetzt worden.
Am 4. Juli 2019 wurde die Deutsche Allianz Meeresforschung (DAM) gegründet. Wie bewerten Sie diese politische Annäherung an das Thema Meeresforschung und wo sehen Sie weiteren politischen Handelsbedarf in Bezug auf den Meeresschutz (in Deutschland, weltweit)?
Die DAM ist ein rechtsfähiger Verein und hat ihren Sitz in Berlin. Nutzung und Schutz mariner Räume sind eines der wichtigen Themen der DAM. Ziel der Forschungsmission ist die Entwicklung von Konzepten für die „Gemeinwohl‐orientierte, Wohlstand‐sichernde und zugleich umweltschonende Nutzung von Meeres‐ und Küstenmeeresgebieten.“ Das 14. Aichi-Ziel der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen bei: „Ozeane, Meere und Meeresressourcen sollen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung erhalten und nachhaltig genutzt werden.“
Vor diesem Hintergrund erfasst die deutsche Meeresforschung derzeit Auswirkungen heutiger und möglicher künftiger Nutzungen auf Biodiversität und die Integrität von Meeresökosystemen entlang der deutschen und einiger weniger internationaler Küsten. Des Weiteren wird die Wirkung unterschiedlicher Schutzkonzepte und deren Umsetzung und Erfolgsrate analysiert. Die Wissenschaft bearbeitet diese Fragestellungen im Dialog mit Nutzern aus Wirtschaft, Verwaltung und der Bürgergesellschaft, um daraus abgeleitete Handlungsempfehlungen und konkrete institutionelle wie technologische Innovationen für eine nachhaltige Nutzung sowie den Schutz der Meeresumwelt geben zu können.
Die DAM geht in die erste Phase mit zwei großen Missionen:
1. “Schutz und nachhaltiger Nutzen der Meere“. Die Mission wurde verfasst durch U. Bathmann, K.-C.- Emeis, K. Eskildsen, A. Freiwald, M. Haeckel, H. Hillebrand, S. Horn, A.-K. Hornidge, U. Jacob, K. Jürgens, A. Merico, J.O. Schmidt, C. Schrum.
2. “Marine Kohlenstoffspeicher als Beitrag zur Dekarbonisierung“, verfasst durch A. Oschlies, G. Rehder und M. Rhein.
Das Forschungsinstitut und Naturmuseum Senckenberg ist zusammen mit Senckenberg am Meer, dem Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und dem Thünen-Institut für Seefischerei (TI SF) in Bremerhaven, dem Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität (HIFMB) und dem Institut für Chemie und Biologie des Meeres der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (ICBM) in Oldenburg, dem Helmholtz-Zentrum Geesthacht (HZG) an einem Pilotprojekt der DAM beteiligt. Das Projekt analysiert den Ausschluss von mobiler grundberührender Fischerei in marinen Schutzgebieten der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der Nordsee. Es erarbeitet eine Zustandsbeschreibung der Sedimentstrukturen und beschreibt bentho-pelagischen Habitate und Biozönosen.