Die mykologische Sammlung am Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz (Fungarium; GLM-F) ist Teil des Herbarium Senckenbergianum. Sie ist ursprünglich aus der Pilzsammlung der Naturforschenden Gesellschaft der Oberlausitz hervorgegangen, die allerdings in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Folge der Kriegswirren bis auf einige hundert Belege verloren gegangen ist. Ein gezielter Wiederaufbau begann im Jahre 1974 durch die Kustodin Ingrid Dunger, unterstützt besondere von Ch. Stark aus Görlitz und G. Zschieschang aus Herrnhut.
Seitdem werden die Bestände ständig, in enger Zusammenarbeit mit Citizen Scientists, sowie durch Übernahme wissenschaftlich wertvollen Materials aus Privatherbarien ergänzt. Die weitgehende Digitalisierung der Pilzsammlung GLM ist dem ehemaligen Sektionsleiter H. Boyle zu verdanken. Seit September 2005 sind die Sammlungsdaten über das GBIF-Portal im Internet zugänglich. Die im Fungarium enthaltenen Informationen werden regelmäßig in GBIF aktualisiert und stehen für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung.
Belege
Derzeit umfassen die mykologischen Sammlungen in GLM mehr als 136.000 Belege, die unterschiedlichen ökologischen und phylogenetischen Gruppen innerhalb der Pilze angehören. Besonders hervorzuheben ist die umfangreiche Sammlung pflanzenpathogener Kleinpilze wie Rost- und Brandpilze sowie Echte Mehltaupilze, gefolgt von holzbesiedelnden Großpilzen, wie Porlinge und Rindenpilze.
Daneben enthält das Fungarium auch boden- und holzbesiedelnde Großpilze, wie Röhrlinge, Blätterpilze und Bauchpilze. Die Sammlung enthält auch Organismen, die nach heutiger Kenntnis keine echten Pilze sind, insbesondere Erreger des Falschen Mehltaus und sogenannte Schleimpilze, die zu den Heteroconta bzw. Amoebozoa gehören. Seit neuestem enthält das Fungarium auch Belege von phytopathogenen Mikropilzen, die aus Pflanzen, insbesondere dem Holz von Obstbäumen, isoliert und auf künstlichen Nährmedien kultiviert wurden und als Trockenkulturen aufbewahrt werden. Diese Pilze werden auch in einer Pilzkulturensammlung aufbewahrt, die als wichtigste Grundlage für die Forschung und Lehre dient, und mehr als 2.500 lebende Pilzstämme umfaßt.
Sammler
Mehr als die Hälfte der Pilzbelege in GLM wurde von Citizen Scientists gesammelt, insbesondere H. Jage, F. Klenke (phytoparasitische Kleinpilze), G. Zschieschang, S. Hoeflich, F. Gröger, G. Künstler (Großpilze), Ch. Stark, J. Schwik (holzbesiedelnde Großpilze), F. Dämmrich (Rindenpilze), M. Eckel und H. Gottschalk (Schleimpilze, Schlauchpilze). Hervorzuheben ist die jahrzehntelange Sammeltätigkeit von H. Jage (Bild links unten) aus Kemberg, der über hervorragende Pflanzen- und Pilzkenntnisse verfügt und mit geschätzten 60.000 Belegen in GLM (viele davon sind bisher noch nicht in die Sammlung eingearbeitet) nicht nur der wichtigste Sammler des Fungariums, sondern auch einer der wichtigsten Sammler des Herbariums GLM ist. Die unermüdliche Sammeltätigkeit innerhalb der Sektion Mykologie richtete sich in der Vergangenheit vor allem auf holzbesiedelnde Großpilze (I. Dunger; Bild links oben) und ebenfalls auf phytoparasitische Kleinpilze (H. Boyle).
Aufgaben
Die Pilzsammlung Görlitz dient vor allem der Dokumentation von Auftreten und Gefährdungssituation der Pilze in der Region; die Daten sind Teil der aktuellen Roten Listen und Artenlisten Sachsens und Deutschlands. Eine weitere wichtige Aufgabe ist die sichere Aufbewahrung von Typenbelegen (derzeit ca. 120), auf deren Basis neue Arten beschrieben wurden. Belege, insbesondere der Phytoparasitensammlung, werden regelmäßig an andere Spezialisten zur taxonomischen Überarbeitung bestimmter Gattungen und Arten ausgeliehen. Die Pilzsammlung in Görlitz diente in den vergangenen Jahren auch als Basis für die Hebeloma-Forschung. Aktuell werden von der Sektion Mykologie Arten der Gattung Colletotrichum sowie Askomyzeten, die aus nekrotisiertem Holz von Obstbäumen isoliert wurden, taxonomisch auf der Basis von Multi-Locus-DNA-Sequenzen und morphologischen Daten untersucht.