Wo auf der Erde könnte man Regenwälder wiederherstellen?
Ein internationales Team von Forscher*innen modelliert die Machbarkeit von Renaturierungsmaßnahmen.
Durch den Eingriff des Menschen sind die ursprünglich vorhandenen tropischen Regenwälder auf weniger als die Hälfte ihrer Fläche zusammengeschrumpft. Die verbliebenen Flächen sind unter anderem durch Feuer, Abholzung und Fragmentierung bedroht. Wälder versorgen uns mit unzähligen Gütern und Dienstleistungen und tragen so zur Lebensqualität der Menschen bei: Sie liefern Nahrung und Brennstoff, speichern riesige Kohlenstoffmengen, bieten Lebensräume für viele Arten und regulieren Luft- und Wasserqualität. Darum stehen der Schutz und die Wiederherstellung (Renaturierung) der Wälder ganz oben auf der Prioritä-tenliste von Naturschutzverantwortlichen. Allerdings lassen sich nicht alle transformierten Flächen renaturieren – manchmal ist das auch nicht sinnvoll, denn oft wird das Land inzwischen anders genutzt, etwa für die Landwirtschaft, weil nur beschränkt Ressourcen zur Verfügung stehen.
Um die Regionen auf der Erde zu identifizieren, wo eine Renaturierung den größten Nutzen für die Umwelt hätte und gleichzeitig Kosten, Risiken sowie die Wahrscheinlichkeit, die renaturierten Wälder erneut zu verlieren, am geringsten wären, fand sich 2018 ein internationales Forschungsteam zusammen.
Als Erstes haben wir räumliche Daten ausgewertet, die anhand von vier Variablen die positiven Auswirkungen der Wiederherstellung des Regenwaldes zeigen: Erhaltung der Biodiversität, Abmilderung der Klimaveränderung, Anpassung an die Klimaver-änderung und Wassersicherheit. Auf dieser Grundlage erstellten wir Karten, die zeigen, in welchen Regionen eine Renaturierung machbar ist; dabei lagen die Kosten für die möglicherweise nicht zu erzielenden Profite, Unterschiede bei der Wiederherstellung der Artenvielfalt und die Wahrscheinlichkeit, dass der Wald dauerhaft bestehen kann, zugrunde. Daraus ermittelten wir die Regionen, in denen die Wiederherstellung des Regenwaldes sowohl positive Auswirkungen hätte als auch machbar wäre.
Wie sich zeigte, gibt es viele Synergien zwischen Naturschutz und Renaturierungsbestrebungen. So befinden sich 88 Prozent der möglichen Renaturierungsflächen innerhalb von Naturschutzhotspots und in der Nähe geschützter Gebiete wäre Renaturierung leichter durchführbar und kostengünstiger. Darum können Maßnahmen, die das Aussterben einheimischer Arten mit begrenztem Verbreitungsgebiet verhindern sollen, durch gut geplante Renaturierungsmaßnahmen unterstützt werden.
Unsere Studie ergab, dass die sechs Länder, in denen die positiven Effekte der Wiederherstellung des Regenwaldes sowie die Machbarkeit am größten wären, allesamt in Afrika liegen. Es handelt sich um Ruanda, Uganda, Burundi, Togo, Südsudan und Madagaskar. Die flächenmäßig größten Renaturierungshotspots befinden sich in Brasilien, Indonesien, Madagaskar und Kolumbien.
Unter den Gesichtspunkten Nutzen und Machbarkeit identifiziert die Studie die für die Wiederherstellung tropischen Regenwalds am besten geeigneten Flächen. Weitere, vertiefende Forschung zu den unterschiedlichen positiven Effekten und den Grenzen der Renaturierung entwaldeter Landschaften in verschiedenen Weltregionen und Zusammenhängen ist dringend erforderlich, um die anvisierten Ziele zu erreichen. Wir verfügen über die notwendigen Werkzeuge und das Wissen für die Wiederherstellung von tropischem Regenwald. Darum sollten wir endlich zur Tat schreiten, um den Umweltzielen näher zu kommen, die wir uns als Gesellschaft gesetzt haben.
An der Studie – veröffentlicht im Juli 2019 in der Zeitschrift Science Advances – arbeiteten verschiedene Einrichtungen aus Brasilien, den Vereinigten Staaten, Argentinien und Deutschland zusammen. Aufgrund der großen Datenmengen und der komplexen Auswertungen, die hierfür notwendig waren, konnten die Berechnungen nur auf Hochleistungsrechnern durchgeführt werden. Das Senckenberg Daten- und Modellierungszentrum hat diese Rechenleistung zur Verfügung gestellt und war für die Datenanalyse zuständig.