Auch das ist ein Gesicht der Großstadt Frankfurt: Frühblüher im Biegwald.
Stadtnatur in Frankfurt am Main – 30 Jahre Biotopkartierung
Natur in der Stadt erhöht die Lebensqualität der Menschen, sie gerät aber zunehmend in Bedrängnis. Die Zusammenarbeit von Naturforschern und Stadtplanern hilft, die vielfältigen Nutzungsansprüche unter einen Hut zu bringen und zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung beizutragen.
Von Georg Zizka, Dirk Bönsel, Andreas Malten und Indra Starke-Ottich
In Großstädten findet man häufig eine besonders hohe Biodiversität. Grund ist die Vielfalt der verschiedenen Lebensräume auf engem Raum. So kommen in Frankfurt am Main mit seiner Fläche von 248 Quadratkilometern und 1434 Pflanzenarten (darunter allerdings 303 Arten, die nicht dauerhaft etabliert sind) deutlich mehr Sippen wildwachsend vor als auf ähnlich großen Flächen in ländlichen Regionen, zum Beispiel im benachbarten Taunus. Zwar handelt es sich im städtischen Lebensraum überwiegend um weit verbreitete Pflanzen- und Tierarten, die häufig im Umfeld des Menschen zu finden sind, dennoch gehören auch zahlreiche seltene, bedrohte und geschützte Arten zu unserer Stadtflora und -fauna. Gleichzeitig sind der Nutzungsdruck durch den Menschen und dadurch auch das Kommen und Gehen von Arten im urbanen Raum besonders hoch.
Von der Wissenschaft in die Praxis
Stadtnatur ist inzwischen als wesentlicher Standortfaktor für Städte erkannt, ein Faktor, dessen Bedeutung durch die Folgen des Klimawandels noch weiter zunehmen wird. Nachhaltige und verantwortungsvolle Stadtplanung muss daher die Erhaltung und die gezielte Entwicklung von Stadtnatur einschließen. Dazu bedarf es aber einerseits einer detaillierten Kenntnis der Arten und Lebensraumvielfalt in der Stadt und andererseits der kontinuierlichen Beobachtung, um zu erfassen, wie sie sich verändert. Um diese wichtige Datengrundlage zu schaffen, führt die Abteilung Botanik und Molekulare Evolutionsforschung des Senckenberg Forschungsinstituts im Auftrag des Umweltamts Frankfurt seit 1985 die „Biotopkartierung der Stadt Frankfurt am Main“ durch. Es handelt sich dabei um eine flächendeckende Erfassung („Monitoring“) der Tier- und Pflanzenarten, ergänzt durch zahlreiche vertiefende Untersuchungen zu Bauplanungen und zu Maßnahmen des Arten- und Umweltschutzes.
Aus neuester Zeit zu nennende Projekte sind Untersuchungen zur Entwicklung der Biodiversität am Alten Flugplatz Bonames, zu den Ergebnissen der Nidda-Renaturierung, zur Umgestaltung des Fechenheimer Mainbogens oder – ganz aktuell – zum Lebensrauminventar der Flächen in Bonames und im Stadtwald (Monte Scherbelino), auf denen im Zuge des Projekts „Städte wagen Wildnis“ eine natürliche Entwicklung der Vegetation ermöglicht werden soll. Wegen des starken Anwendungsbezugs für Naturschutz und Stadtplanung bieten sich zahlreiche Forschungsfragen zur Frankfurter Stadtnatur als Examensarbeiten für Studierende der Biologie an. Insgesamt sind so in unserer Abteilung in den letzten 20 Jahren 24 Bachelor-, Staatsexamens- und Diplom- beziehungsweise Masterarbeiten sowie eine Dissertation an der Goethe-Universität zu Themen der urbanen Biodiversität entstanden.
Stadtplanung für Mensch und Natur
In Frankfurt hat die Bevölkerung in den letzten Jahren um ungefähr 15 000 Personen pro Jahr zugenommen, die daraus resultierenden Probleme auf dem Wohnungsmarkt sind aus der Tagespresse bestens bekannt. Der verständliche Ruf nach mehr Siedlungsfläche muss aber hinterfragt und besonders im Hinblick auf Stadtnatur und nachhaltige Stadtentwicklung kritisch durchleuchtet werden; zumal Frankfurt ohnehin schon zu den am dichtesten besiedelten Großstädten in Deutschland gehört und wegen seiner Lage im großen Ballungsraum Rhein-Main besonders hohe Belastungen (Verkehrsaufkommen, Lärm) verkraften muss. Dazu liefern die Untersuchungen zur Biodiversität wie die Biotopkartierung unverzichtbare Grundlagen. Nur so können die Stadtnatur erhalten und sinnvolle und effektive Schutzmaßnahmen zu ihrer Entwicklung konzipiert werden. Es geht dabei nicht nur um eine Erhaltung des Status quo, sondern auch um die Frage, wie bestehende Freiflächen aufgewertet werden können und wie sich gegebenenfalls durch Nutzungsänderungen, Pflege- oder Schutzmaßnahmen Verbesserungen des Arten und Biotopbestands erreichen lassen.
Das Abwägen der Nutzungsinteressen und die Entscheidungen sind schließlich Ergebnisse eines politischen Prozesses. Informationen über die Belange des Arten- und Lebensraumschutzes und das Einbeziehen der Öffentlichkeit sind daher außerordentlich wichtig. Die mit der Biotopkartierung befassten Wissenschaftler*innen nutzen die Möglichkeiten des Internets, um breit über Untersuchungen und Ergebnisse zu informieren (Biotopkartierung). Zur Pflanzenwelt bietet die online abrufbare „Flora von Frankfurt“ eine Fülle interessanter Informationen (www.flora-frankfurt.de); darüber hinaus gibt sie Frankfurter Bürger*innen die Möglichkeit, eigene Beobachtungen und Funde von Pflanzenarten direkt online zu melden.
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