PM Pseudozahnvogel 18.9.2019
Die Rekonstruktion eines riesigen Verwandten der neu entdeckten Art – Pelagornis chilensis – hängt im Senckenberg Naturmuseum.

Ein Miniatur-Pseudozahnvogel aus der Riesenpinguin-Fundstelle

61 Millionen Jahre altes neuseeländisches Fossil wirft neues Licht auf die Evolution einer ungewöhnlichen Seevogelgruppe


Senckenberg-Wissenschaftler Gerald Mayr hat gemeinsam mit neuseeländischen Forschenden eine neue Art der Pseudozahnvögel beschrieben. Das Fossil ist mit 61 Millionen Jahren der bisher älteste und gleichzeitig kleinste Vertreter dieser Vogelgruppe, deren Individuen Flügelspannweiten von mehr als 5 Metern erreichten. Der als Protodontopteryx ruthae beschriebene Vogel stammt von einer Fundstelle in Neuseeland und ist der älteste Nachweis eines Pseudozahnvogels von der Südhalbkugel. Das Fossil war nur etwa so groß wie eine Möwe und ist der ursprünglichste Vertreter dieser hochspezialisierten Vogelgruppe. Anders als bisher bekannte Arten war die neue Art vermutlich kein Langstrecken-Segler und ernährte sich wahrscheinlich von Fisch. Die Studie erscheint heute im Fachjournal „Papers in Palaeontology“.

Zackenartige Fortsätze an den Schnabelrändern sind das charakteristische Merkmal der Pseudozahnvögel. Statt im Kiefer verwurzelter Zähne wuchsen bei diesen langschnäbeligen Vögeln hohle, verschieden lange Knochenspitzen aus den Schnabelrändern, die beim Ergreifen von Beute halfen.

„Diese außergewöhnlichen Seevögel lebten über einen Zeitraum von etwa 55 Millionen Jahren bis zum Ende des Pliozäns vor etwa 2,5 Millionen Jahren“, erklärt Dr. Gerald Mayr vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum in Frankfurt. Fossilfunde in jüngeren geologischen Schichten sind gut bekannt, und neben dem ungewöhnlichen Schnabel sind Pseudozahnvögel durch extrem lange und dünne Flügelknochen gekennzeichnet. Über die frühe Evolution dieser Vögel war bisher allerdings nur sehr wenig bekannt und alle bisherigen Funde zeigten denselben hochspezialisierten Bauplan.

Mayr hat nun gemeinsam mit Prof. Paul Scofield und Dr. Vanesa De Pietri vom Canterbury-Museum aus Neuseeland eine neue Art der Pseudozahnvögel von einer Fundstelle entlang des Waipara-Flusses in Nord-Canterbury (Neuseeland) beschrieben. Diese Meeresablagerungen aus der Zeit des Paläozäns sind berühmt für die ältesten Pinguinfossilien, unter anderem stammt von dort ein kürzlich entdeckter Riesenpinguin.

„Das neue Fossil des Pseudozahnvogels hat die typischen Pseudozähne, aber im Rest des Skelettes unterscheidet es sich dramatisch von seinen hochspezialisierten jüngeren Verwandten“, erläutert der Frankfurter Ornithologe und fährt fort: „Das von uns als Protodontopteryx ruthae beschriebene, nahezu vollständige Skelett ist zudem deutlich kleiner, als alle bisher bekannten Vertreter der Pseudozahnvögel. Während die miozäne Art Pelagornis chilensis eine Flügelspannweite von mehr als 5 Metern hatte und damit ein idealer Segelflieger war, ist die neu entdeckte Art nur etwa so groß wie eine mittelgroße Möwe.“

Zudem unterscheidet sich das – vor einem Jahr durch den neuseeländischen Fossiliensammler Leigh Love geborgene und nach dessen Ehefrau Ruth benannte – Fossil durch deutlich kürzere und breitere „Pseudozähne“ von seinen Verwandten. Daher gehen die Forschenden davon aus, dass sich der kleine Seevogel nicht wie die erdgeschichtlich jüngeren Pseudozahnvögel von Tintenfischen ernährte, sondern dass überwiegend Fisch auf seinem Speiseplan stand.

„Das neu entdeckte Fossil ist das älteste bekannte und stammesgeschichtlich ursprünglichste Fossil. Obwohl die meisten bisherigen Funde von der Nordhalbkugel stammen, gehen wir daher davon aus, dass diese Seevögel ihren Ursprung auf der Südhalbkugel hatten“, schließt Mayr.

Publikation
Oldest, Smallest And Phylogenetically Most Basal Pelagornithid, From The Early Paleocene Of New Zealand, Sheds Light On The Evolutionary History Of The Largest Flying Birds, Papers in Palaeontology, 2019. By Gerald Mayr, Vanesa L. De Pietri, Leigh Love, Al Mannering and R Paul Scofield. DOI: 10.1002/spp2.1284

Pressematerial

PM Pseudozahnvogel 18.9.2019

Die Rekonstruktion eines riesigen Verwandten der neu entdeckten Art – Pelagornis chilensis – hängt im Senckenberg Naturmuseum.

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So könnte Protodontopteryx ruthae ausgesehen haben. Im Wasser schwimmen zwei der kürzlich beschriebenen Riesenpinguine.

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PM Pseudozahnvogel 18.9.2019

Der Oberarmknochen der neuen Art im Vergleich zu demjenigen eines sehr großen miozänen Pseudozahnvogels (Pelagornis miocaenus). Der umrahmte Kasten zeigt den Knochen im tatsächlichen Größenmaßstab, links ist er auf gleiche Größe gebracht.

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PM Pseudozahnvogel 18.9.2019

Oben: Der Gesteinsblock mit den Knochen der neuen Art und eine computertomographische Aufnahme, in der die einzelnen Knochen farblich hervorgehoben sind (gelb: Schädel und Schnabel). Unten: Der Schnabel der neuen Art im Vergleich zu demjenigen eines miozänen Pseudozahnvogels (Pelagornis miocaenus). Die Pfeile markieren die Pseudozähne von Protodontopteryx ruthae.

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