Stadt braucht Natur
Neues Senckenberg-Buch „Stadtnatur in Frankfurt – vielfältig, schützenswert, notwendig“ erschienen
Die Einwohnerzahl Frankfurts wächst stetig, allein in den letzten 10 Jahren um 100.000 Menschen. Dies wirkt sich spürbar auf den „Organismus Stadt“ aus, insbesondere auf die grüneren Bereiche – Parks, Felder, Flussufer, Gärten, ja selbst auf den Baum am Straßenrand. Wie geht es aktuell der Frankfurter Stadtnatur, die von immer mehr Menschen benötigt und genutzt wird? Die Arbeitsgruppe Biotopkartierung des Senckenberg Forschungsinstituts untersucht genau dies bereits seit über 30 Jahren. Dazu ist heute das Senckenberg-Buch „Stadtnatur in Frankfurt – vielfältig, schützenswert, notwendig“ erschienen. Auf rund 250 Seiten wird der Zustand und der Wandel der Natur vor unserer Haustüre anhand vieler konkreter Beispiele – vom Stadtbaum im Stress über besondere Tiere in Frankfurt bis zu „wilden“ Orten der Mainmetropole – anschaulich beleuchtet.
Die Natur in der Stadt ist für ihre Bewohner*innen von unverzichtbarem Wert. Sie stellt wichtige Leistungen bereit, die zum Beispiel Klima, Luft, Erholung und Freizeit betreffen. „Eine möglichst genaue Kenntnis der Stadtnatur ist die unverzichtbare Grundlage für den Schutz der Arten und Biotope sowie für Überlegungen zur Stadtentwicklung und -planung“, sagt Dr. Indra Starke-Ottich, Botanikerin am Senckenberg Forschungsinstitut Frankfurt und Erstautorin des neu erschienenen Buches und ergänzt: „Im Buch beschreiben wir Veränderungen der Vielfalt in den letzten Jahrzehnten. Sie geben wichtige Hinweise für aktuelles Handeln und tragen damit zum Erfolg von Maßnahmen für Arten- und Biotopschutz bei.“
Alle fünf Jahre kartiert Senckenberg seit 1985 im Auftrag der Stadt Frankfurt Lebensräume und Artenvielfalt im Stadtgebiet. „Durch den Vergleich dieser Bestandsaufnahmen werden Veränderungen in der Tier- und Pflanzenwelt eines Gebietes erkennbar“, erklärt Prof. Dr. Georg Zizka, Leiter der Abteilung Botanik und Molekulare Evolutionsforschung am Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt. Im neu erschienen Band werden sowohl positive als auch negative Entwicklungen vorgestellt und Möglichkeiten zu Schutz und Erhalt der Stadtnatur aufgezeigt.
So schwinden zum Beispiel wertvolle Lebensräume, wie die Streuobstwiesen, in denen eine Vielzahl von Arten leben. Für seltene Vögel fehlen ausreichend große und geeignete Schutzgehölze in Frankfurt. Radikale Veränderungen betreffen Gebiete mit kalkhaltigem Untergrund im Stadtgebiet, wie den Lerchesberg. Durch Bebauung ist die dortige Flora verschwunden oder stark zurückgegangen. Auch die 1.210 Straßenbäume in der Frankfurter Altstadt und der Innenstadt haben es schwer. Sie wachsen an Extremstandorten, an denen nur sehr wenige Arten überleben können. Dabei werden Stadtbäume mit zunehmender Hitzebelastung in den Ballungsräumen immer wichtiger.
Positive Veränderungen gibt es dagegen in den Frankfurter Gewässern: Maßnahmen wie Renaturierungen oder der Rückbau von Wehren begünstigen eine reiche Fischfauna und führen zur Rückkehr von Arten wie Biber und Meerforelle. Auch die Kartierung der Pilzarten in Frankfurt ergab Erfreuliches: 1.528 Pilzarten sind registriert, allein in den letzten drei Jahren wurden 531 Arten neu dokumentiert. Dazu gehört der trotz seiner Winzigkeit auffallende Flechtenparasit Illosporiopsis christiansenii, der in kräftigem Pink leuchtet, aber auch viele seltene Arten, wie der Violettmilchende Becherling (Peziza saniosa) – in Hessen sind derzeit nur drei Fundorte bekannt. Obwohl das Wissen über die Pilzvielfalt in Frankfurt mit der Hilfe von Bürgerwissenschaftlern*innen enorm zugenommen hat, gibt es sicher noch viele bisher unentdeckten Arten in der Mainmetropole.
Jeweils eigene Kapitel sind besonderen Tieren und Orten im Stadtgebiet gewidmet sowie dem vom BMU gefördertern Projekt „Städte wagen Wildnis“. „Wir wissen nicht, wie viele Tiere die Stadt bevölkern. Es sind aber weit mehr, als es Menschen in Frankfurt gibt“, sagt Zizka. Einige lange verschwundene Arten wie Biber und Fischotter fassen langsam wieder Fuß in der Region. Insgesamt nimmt jedoch die Artenvielfalt in Frankfurt kontinuierlich ab. Exemplarisch zeigt dies das Vorkommen von Amphibien im Stadtgebiet, das auf einen Bruchteil zurückgegangen ist. „Knoblauchkröte und Wechselkröte sind Beispiele für Tiere, die in Frankfurt bald ausgestorben sein könnten. Sie leben an Sand- und Kiesbänken oder kleinen Tümpeln ohne Vegetation, die es in Frankfurt immer weniger gibt,“ erläutert Starke-Ottich. Ebenso geht es einer kleinen Vogelart, dem Flußregenpfeiffer (Charadrius dubius). Für ihn konnten auf dem „Monte Scherbelino“ mittelfristig Lebensräume geschaffen werden. Diese 1992 aufwendig sanierte Altdeponie ist Teil des vom Umweltamt der Stadt Frankfurt geleiteten Projekts „Städte wagen Wildnis“. Hier und im Nordpark Bonames darf sich die Natur ohne Eingriffe des Menschen entwickeln. Auch das Schwanheimer Feld und die Grastränke im Frankfurter Stadtwald sind besondere aber weniger bekannte Orte im Frankfurter Stadtgebiet, die großes Potential für den Arten- und Biotopschutz haben. „Diese besonderen Lebensräume gilt es zu pflegen und zu erhalten!“ resümiert Zizka.
Das rund 250 Seiten umfassende Buch schließt mit einem Blick in die Zukunft: Erhaltung, Erweiterung und Förderung der Stadtnatur bedürfen des politischen Willens und der Unterstützung der Frankfurter Bevölkerung, die auch als Bürgerwissenschaftler*innen die erstaunliche Artenvielfalt und Stadtnatur aktiv erforschen können.
Leser*innen erfahren im Buch nicht nur mehr über die Stadtnatur, sondern auch über Maßnahmen zu Schutz und Erhaltung. Jedes Kapitel ordnet die Beiträge mit einer kurzen Einleitung in einen größeren Kontext ein. Am Ende jeden Beitrages fasste ein Fazit die wichtigsten Erkenntnisse zusammen. 198 farbige Abbildungen illustrieren die verschiedenen Themen und umfangreiche Listen der dokumentierten Arten sind im Anhang zusammengestellt und werden in diesem Buch erstmals veröffentlicht.
Ein Presseexemplar des Buches senden wir Ihnen auf Nachfrage gerne zu.
Indra Starke-Ottich, Georg Zizka
„Stadtnatur in Frankfurt – vielfältig, schützenswert, notwendig“
2019, 252 Seiten, 198 Abbildungen
ISBN 978-3-510-61414-1, Senckenberg-Buch 82, 19,90 Euro
www.schweizerbart.de/9783510614141